Exzerpt

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 22.07.2014, 10:04

Ich war neulich mit Heike in Saarbrücken, wir besuchten das Saarlandmuseum. Zum vierten Mal.
Ich gehe an den Bildern vorbei ohne Namen und Titel zu lesen. Wir machten den Fehler, uns auf einen Gespräch mit dem alten Aufseher einzulassen, nichts als Gemeinplätze hat er von sich gegeben. Er trug einen neuen, extrem billig aussehenden Anzug, hatte offensichtlich nicht mal das Geld um die Hose kürzen zu lassen. Er muss alleine leben, ein Junggeselle, ein altes Tier, das niemandem mehr schaden kann.
Irgendeins dieser Bilder muss eine alte Erinnerung in mir geweckt haben. Ich habe schon so viel erlebt, dass ich anfange, Personen und Situationen zu verwechseln. Ich erinnerte mich dunkel an eine Wanderung, ich weiß nicht mehr wo oder wohin, und ich weiß nicht mehr ob ich mit Ute oder mit Margit war. Wir hatten uns ein wenig verlaufen, kehrten bis zu einem bestimmten Punkt zurück und starteten von neuem, kamen zu einem verlassenen Tempel, und von dort aus gingen wir hinunter, zu einer Art Urwald. Da sahen wir die Mutter der Orchideen.
Der Höhepunkt in Saarbrücken war der Faustkampf zwischen einem der zwei berühmten Brüder aus einem Land, das früher ein Teil der Sowjet Union war und Samuel Peter, "dem Alptraum aus Nigeria". Dieser gab nach der neunten Runde auf. Sein Gegner ist jetzt, nach einer vierjährigen Pause, wieder Weltmeister. Auch sein jüngerer Bruder ist, immer noch, Weltmeister. Beide sehen wie Zwillingsbrüder aus. Ich war für ihn gewesen. Heike schaute interessiert zu, sie sagt nicht "kämpfen" oder "boxen" sondern "spielen". "Wie lange spielen sie noch?", fragte sie mich. ich korrigiere sie nicht, ich finde es sehr lustig, wie sie das sagt. Das Publikum war enttäuscht über den "Alptraum aus Nigeria", am liebsten hätten sie gesehen wie ihr Lieblingsboxer ihn k.o. geschlagen hätte. Dieser wiederum war froh darüber, dass sein Gegner den Kampf aufgab, ging auf ihn zu und gratulierte ihm. "Sehr gut, sehr gut haben Sie das gemacht" -sagte er zu ihm, zu dem Alptraum aus Nigeria.

"Madeleine" heißt unser Hotel. Vielleicht haben wir es ausgewählt weil der Name uns an Paris erinnert. Es liegt in einer kleinen Straße, direkt gegenüber der Johanniskirche.
Vom Fenster des Hotelzimmers aus kann ich den Brunnen am Seitenhof der Kirche sehen und, wenn es still ist, hören. Es ist ein sehr einfacher Springbrunnen, einfacher geht es nicht, ein einziger dünner, gen Himmel schießender Strahl. Er erinnert mich an den Springbrunnen in dem andalusischen Haus aus dem 12.Jahrhundert in der Calle de los judios in Córdoba, noch kleiner, bescheidener, der Versuch, eine Palme aus fließendem Wasser herzustellen.
Ich liege im Bett, frage mich wie viel Uhr es ist, da ertönt die Glocke der Kirche. Mit geschlossenen Augen zähle ich die Schläge, es ist 9 Uhr, bis zum zehn Uhr kann man im Speisezimmer des Hotels frühstücken.
Nach Tel Aviv kommt uns das Büffet spartanisch vor. Andererseits bieten sie ökologischen Zucker aus Brasilien und Salz aus dem Himalaya. An der Wand hängt ein Bild von Van Gogh, mit kleinen, wie Sterne leuchtenden Wolken.
Ein Herr, ein Hotelgast, pumpt sein Fahrrad auf, mitten im Speisezimmer. Wir scheinen die einzigen Gäste zu sein.
Schönes Herbstwetter hatte man prophezeit, es ist aber sehr frisch, ungemütlich. Wir schlendern durch die breite Fußgängerzone. Im Galerie Kaufhof kaufen wir Wein und Wurst. Man merkt die Nähe Frankreichs. Danach trinken wir Kaffee im Café Schubert, in einer Seitenstraße.
Wir laufen bis zum Saarlandmuseum, wo wir etwa zwei Stunden verbringen. Im Museumscafé esse ich einen Karotten Kuchen. Das Café heißt „Archipenko“, wie der Bildhauer. Überall in der Stadt sieht man große Plakate und Transparente die eine bevorstehende Ausstellung ankündigen.
Zweimal trinken wir etwas im Bistro "Tante Maja", am Johannesmarkt, kleiner und gemütlicher als der Domplatz in Mainz. Wenn die Sonne scheint, ist es sehr schwer einen freien Tisch draußen zu bekommen. Wir sitzen drinnen und schauen durch die Glasfenster. Eine erbarmungslose Gesellschaft.
Relativ langsam und mit gleichmäßigen Schritten gehen wir voran, meistens hakt sich Heike bei mir ein. Sie leidet an einer sehr seltenen Krankheit die unheilbar ist und ihre Motorik stark beeinträchtigt. Oft stolpert sie.
Gestern waren wir sehr nah am Fluss, der hier Saar heißt, Heike war aber am Ende ihrer Kräfte. Heute haben wir es geschafft. Von der alten römischen Brücke warfen wir einen kurzen Blick auf diesen schmalen, begradigten Fluss, links lag eine Art Piratenschiff vor Anker.
Danach besuchten wir eine Glasausstellung. Zwei junge Studentinnen saßen an einem kleinen Tisch, bereit, Auskunft zu geben. Im inneren meines Herzens glaube ich, dass die Kunst nur eine Spielerei ist. Selten, sehr selten ein Spiel.
Gestern besuchten wir eine Ausstellung in der Stadtgallerie, am Marktplatz. Heike hat viel mehr übrig für solche Sachen als ich. Sie ist fähig, sich dafür zu begeistern und sogar Kunstobjekte käuflich zu erwerben, deren Wert nur wir beide kennen. Hier ging es um Videospielereien, Geräte, die einsam und monoton immer wieder in leeren Räumen sich wiederholen, während draußen die Menschen sich sonnen und Cappuccino trinken. Es ist schön hier die Toilette aufzusuchen, sauber, leer, spirituell fast. Eine junge Frau aus Russland passte auf. Ich wusste, dass sie aus diesem Land kam, weil auf ihrem Stuhl ein aufgeschlagenes Buch lag. "Spasiva" -sagte ich zu ihr als wir weggingen.
In Saarbrücken habe ich, völlig unerwartet, die größte Pizza meines Lebens gegessen, sie wurde auf einem Teller serviert, der doppel so groß wie ein normaler Teller war. Ich weiß nicht, was sie damit beweisen wollten. Das war im Restaurant „Michelangelo“ am Rathaus 16.
Beim Essen hatte ich vor Augen das berühmte Bild aus der Sixtinischen Kapelle. Mich störten dabei die kleinen Engel um den bärtigen Gott.

aram
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Beitragvon aram » 22.07.2014, 22:39

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lieber klimperer,

aus meiner sicht postest du abwechselnd wirklich feine texte, und ziemlich schrottige, und den diesem vorangegangenen text finde ich sehr fein.

auf etwas so unausgearbeitet/unkorrigiert präsentiertes und veröffentlichtes wie obigen text mag ich mich als leser nicht gerne einlassen .-)
:hut0039:

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Eule
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Beitragvon Eule » 23.07.2014, 13:02

Hier scheint es mir eher um eine Art Tagebucheinträge zu gehen. Humorvoll, mit Gespür fürs Fantastische und viel Selbstironie geschrieben. :-)
Ein Klang zum Sprachspiel.


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