Ich blaue es mir glasklar

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
jondoy
Beiträge: 1577
Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 20.09.2016, 21:28

Ich blaue es mir glasklar. Bunt schwarz. So blau wie der Mond. Mund zerfallen die FarBen auf den FüZEN.

Heute haben Sie Grund, sich zu freuen. Sagte ein Mensch mit Abitur nach einer Untersuchung zu mir. Die Werte und die Zeit gäben trotz aller Nüchternheit in der Sache dazu Anlass.
Ich darf mich also heute freuen. Bloß zum Feiern bin ich zu müde. Ich verschönere jetzt die Statistik. Allein durch bloße Anwesenheit wandle ich jetzt als statistischer Hoffnungsträger durch die Gegend. Was Steve Jobs nicht gelang, habe ich geschafft. Frag mich bloß nicht wie. Das würde er ganz schön ungerecht nennen. Wenn er es könnte. Der alte Gauner.

Ich erinnere mich an einen Tag vor rund fünf Jahren, an dem ich rausgefunden hab, dass mir der Blaue Salon wirklich etwas bedeutet.
Es eröffnete sich für mich nach einigen Monaten...des Glücks....das erste Mal die Gelegenheit, wieder ins Internet zu gehen (Smartphones in den in jenen lotlosen Gewässern kreuzenden höhenverstellbaren Urlaubsbetten gabs damals schon, aber mir wäre es zu blöd vorgekommen, jemanden anzuquatschen, ob er mir seines mal ausleiht) Ich las in einem Prospekt jenes Hauses davon. Von dieser Möglichkeit. Einer Neuanschaffung. Einem PC mit Internetanschluss für illegale Patienten.

Eines schönen jungen verregneten Tages (..er weinte, als er meinen Plan vernahm, vor Freude..) schleppte ich mich mit meinen Ausgehrollator und meinen bunten Schläuchentatoos am Arm in einen Aufzug, zu jener Zeit drehte sich in meinem Kopf so manches ziemliches oft und schnell und häufig, dank allerlei exotischer Essenzen, unter anderem aus fernen Wäldern Kanadas, die mir, von der Krankenkasse gesponsort, und durch hübsche Politessen verabreicht wurden, teurer wie Champagner, irgendwie schaffte ich es, zwei Stockwerke höher, uneingefangen vom Personal, unbemerkt dorthin zu gelangen.
Damals hab ich mich dann vor diesen PC gesetzt und gestaunt und mich gefragt, was ich mir jetzt im Netz anschauen soll. Die Schatzkiste offen vor mir, und ich wusste nicht, wo ich hingreifen sollte.
Da ist mir als erstes dann der Blaue Salon eingefallen. Hab mich eingeloggt und einen der dort eingestellten Texte mit ein, zwei Sätzen kommentiert. Ich weiss noch, sie sollten ganz nüchtern klingen, bloß nicht zu verrückt, um unerkannt zu bleiben, nicht entdeckt zu werden, damit ja keiner merkt, dass sich mein Kopf dreht, niemand meinen Zustand aus meinen Zeilen rausliest.

Irgendwie hab ich das damals hingekriegt, diese zwei Zeilen zu schreiben und zu posten, da lagen sie dann vor mir, wie zwei Neugeborene, die schon gelesen werden konnten, war ganz stolz auf meine Leistung, das Lesen meiner Sätze implizierte in mir ein Gefühl als jetzt hast du es schwarz auf weiss, die Rückkehr zu den Lebenden.
Ein hochdekorierter Vertreter einer in jenen Domizilen häufig verbreiteten Spezies mit Abitur hat mich dann dort oben in Sichtweite der Alpen kurz nach dem Abposten entdeckt, ich war einfach zu auffällig gekleidet, Akkutdesign, als dass er mich in meinem Zustand hätte ignorieren können.
Also sprach er mich an und legte kurz danach seinen Arm auf meine Schulter und las mit, was da vor ihm stand. Das macht Ihnen Freude stellte er fest.
An jenem Tag konnte ich ihm da nicht widersprechen...

wenn es es nicht hören würde, wäre es taub. wenn es sich nicht freuen würde, wäre es tot.

so ist das. das ist so. so ist das.

Neulich hab ich mich nach Jahrzehnten zufällig wiedergetroffen, also wiedererkannt, na ja, absolut sicher war ich mir in jenem Moment noch gar nicht, als ich diesen jemand ansprach.
Hab es an seinem Gesicht angesehen, dass es in ihm gearbeitet hat, zwei, drei Sekunden später, nachdem dieser jemand es realisiert hat, hat er spontan ausgerufen, hey das war jetzt eben das totale Flashback!

Benutzeravatar
birke
Beiträge: 5271
Registriert: 19.05.2012
Geschlecht:

Beitragvon birke » 20.09.2016, 21:45

wow... das finde ich sehr berührend - und beeindruckend!
vor allem die prise humor darin finde ich zutiefst beeindruckend.
soweit mal nur das, ganz spontan.
danke für diesen text!
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast