Hornissen im Genick

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
JULI

Beitragvon JULI » 02.08.2014, 15:40

Hornissen im Genick
in deiner freundlichen Hitze;
alleine schwimmen wir
zwischen den Dingen
tausendfach, wenn unsere heilverfilzte Träumerei
zur Geste verkommt.
Dein Jagdherz kapiert den Moment nicht
und hakt haltlos ins doppelte Wild.

Episodenhaft schlägt die Unvernunft
Spalten in den soliden Fels.

Und dann wieder fallen wir blinden
Generäle unserer Zeit,

du wiederholst dich,
eine Unterart von Wachstum
verstellt meinen sickernden Ausblick
auf alle wahrscheinliche Sterblichkeit.
Euphorische Stille
kleiner gleich Null.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.08.2014, 13:33

Hallo Juli,

du hast viele Bilder verwendet, was sich vielleicht im Episodenhaft dann auch benannt wiederfindet. Durch die Fülle wird es für mich aber fast zu schwer und ich würde den einzelnen Bildern gerne mehr Luft geben, oder sie weiter verfolgen, sehen, wohin sie führen. So ersetzt und hetzt eines das andere.
Ich bekomme kein richtiges Gefühl für die Stimmung des Textes und bleibe am Ende etwas ratlos davor stehen, obwohl mir vieles Einzelne darin sehr gefällt und mich aufhorchen lässt.

tausendfach, wenn unsere heilverfilzte Träumerei
zur Geste verkommt.
Dein Jagdherz kapiert den Moment nicht
und hakt haltlos ins doppelte Wild.

An dieser Stelle empfinde ich den Übergang am schwierigsten, oder härtesten. Vielleicht könntest du überlegen, ob du nach der Zeile
zur Geste verkommt.
eine zusätzliche Leerzeile einfügst?

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 03.08.2014, 20:20

Hallo Juli,

ich mag sehr viele Bilder deines Textes - sie haben Kraft und tauchen vor mir auf und spüre, worum es geht. Es tut gut, so frische, neue Kombinationen wie "freundliche Hitze" oder heilverfilzte Träumerei" zu lesen.

Auch das Thema des Textes zieht mich an)..ich erlebe die Menschen wie der Text..gehetzt von sich selbst nach sich in Traumform- bzw. -räumen...und doch (deshalb) schwimmend, orientierungslos, sickernd und bloß eine Wiederholung, der es auch schon mal so ging.

Allerdings finde ich ähnlich wie Flora die Bilder in ihrem Zusammenwirken auch zu schnell gewechselt - es ist schwierig, durch die vielen Wechsel hindurchzukommen, ich habe mich gerade auf eines eingelassen, beginne zu verstehen, was es erzählen will, und schon muss ich wieder neu empfinden, um drinzubleiben, sehe etwas ganz anderes vor mir auftauchen, was dasselbe (weiter) erzählen soll. Bei deiner Sprachkraft kannst du dir wirklich gönnen, die Bilder etwas länger leuchten zu lassen - sonst kommt der Leser nicht hinterher.

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.08.2014, 20:45

Hallo Juli,

der Titel (genial gewählt!) ist hier Programm. Du beschreibst hier eine einzige Hetze. Dieses Angetriebensein und nicht zur Ruhe kommen, finde ich sehr gut umgesetzt. Gerade, weil es ja um dieses Thema geht, empfinde ich dieses Atemlose hier genau richtig. Da dürfen m. E. keine Pausen rein, es würde dem Thema zuwiderlaufen.

Liebe Grüße
Gabi

JULI

Beitragvon JULI » 04.08.2014, 08:39

Vielen Dank für die hilfreichen Gedanken zum Text, werde über den Sinn und Unsinn von Bilderunwuchten nachdenken;-) Danke!

jondoy
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Beitragvon jondoy » 13.08.2014, 23:51

Hallo Juli,

wenn ich diese Zeilen so lese, und diesen Eindruck habe ich jetzt schon das zweite Mal nach vielen Tagen, stelle ich wieder fest, ich mag diese Lebendigkeit, die da drin steckt, mag sein, vielleicht ist es ein Daumenkino, die Bilder wechseln ständig, doch gleichzeitig, find ich, steckt in diesen Zeilen auch innere eine Ruhe, die ich nur schwer beschreiben kann, mir kommt es beim Lesen dieser Zeilen so vor, als wenn da jemand reflektiert nachdenkt, für mich ist nie bloß entscheidend, was gesagt wird, sondern wies gesagt wird, manchmal brauch ich Erklärungen, manchmal auch nicht, und bei diesem Text komischerweise nicht so sehr, ich denk auch, dass er nicht nur unsere Atemlosigkeit beschreibt....

alleine schwimmen wir
zwischen den dingen

und dann wieder
fallen wir blinden Generäle unserer Zeit......[align=right]...auf die Nase mit unserer Einschätzung der Lage...[/align]
du wiederholst dich,
eine Unterart von Wachstum

kleiner gleich null.... [align=right] .....eine mathematische Größe, die sich nur mit Worten fassen lässt...[/align]
Auch den Titel find ich schön..

jondoy

JULI

Beitragvon JULI » 18.08.2014, 04:49

Hallo jondoy,
vielen Dank für die positive Kritik!
Das muntert auf. Ja, ich denke selber es steckt viel in dem Text von dem, was der Mensch generell am Leben schwer findet. Sinnsuche, Einsamkeit, die Rolle der Vernunft dabei, Atemlosigkeit im Angesicht des Unverstandenen…
Vielen Dank für deinen Kommentar;-)


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