sterbezimmer

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 26.08.2014, 21:12

Alternativversion:




sterbezimmer


wasche die daunen
die lämmer
die schafe

lackiere rohre
und andere eisenteile

frisch gestrichen
werden die wände
in altweiß

da war noch blut
urin und wein
im teppich

jetzt nicht mehr

das schlagzeug ist verkauft
das lachen
der mädchen
ist verhallt in
den eierkartons
einer vergangenen rockmusik

und an der guild
ist der hals verzogen

die saiten
schnarren nur noch

man kann darauf
nicht mehr spielen

man kann
gar nicht mehr

spielen






***



Erste Version:




sterbezimmer


wasche die daunen
die lämmer
die schafe

lackiere rohre
und andere eisenteile

frisch gestrichen
werden die wände
in altweiß

da war noch blut
urin und wein
im teppich

jetzt nicht mehr

das schlagzeug ist verkauft
das spitze lachen
der mädchen
ist verhallt in
den eierkartons
einer vergangenen rockmusik

an der guild
ist der hals verzogen
die saiten
schnarren nur noch
man kann darauf nicht mehr

spielen

man kann gar nicht mehr spielen

es wird ernst
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 04.09.2014, 12:43, insgesamt 3-mal geändert.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 27.08.2014, 06:56

Doch, man kann.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.08.2014, 13:04

Moin Tom,

schön, wieder mal von dir zu lesen!
Puh, sehr bedrückend und eindringlich geschrieben.

Liebe Grüße
Gabi

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 27.08.2014, 15:21

ein berührendes gedicht. ich denke es könnte noch eindringlicher werden, wenn du die sehr knappe sprache der ersten strophen beibehalten würdest.

also statt
Thomas Milser hat geschrieben:sterbezimmer

das schlagzeug ist verkauft
das spitze lachen
der mädchen
ist verhallt in
den eierkartons
einer vergangenen rockmusik



das schlagzeug verkauft
das spitze lachen
der mädchen
verhallt in
den eierkartons
vergangener rockmusik.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 27.08.2014, 15:30

Ich würds da nicht "eindringlicher" machen (in dem Sinn). Ich finds perfekt so.

Die erste Hälfte eher meditativ-auf-Restaurationsarbeit-konzentriert, daher etwas wortkarger. In der zweiten Hälfte, nach getaner Restaurationsarbeit, etwas ernüchternder, daher eine etwas analytischere, sachlichere, ernstere, präzisere Sprache. Und trotzdem bleibts insgesamt berührend.


Ahoy

P.

ecb

Beitragvon ecb » 27.08.2014, 17:30

Das Gedicht hat den Ton, in dem wir ollen Achtundsechziger uns vielleicht am besten wiedererkennen, da uns nun völlig unerwarteterweise :pfeifen: nach und nach der Sensenmann ereilt, und zwar in gewohnt unappetitlicher Weise, der eben keiner entgeht.

Das beruht natürlich auf jenem Mißverständnis, nach welchem die alten Rocker sich immer schon für unsterblich hielten.

Wie immer in allen Künsten ist es aber "nur" die Kunst, in diesem Fall die Musik, die unsterblich ist.
Daher Einwand, euer Ehren: nicht die Rockmusik ist es, die vergeht, sondern nur das menschlichen Vehikel, dessen sich Gott bediente, um sie in die Welt zu bringen.

Gern gelesen. :daumen:
Liebe Grüße
Eva

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Werner
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Beitragvon Werner » 27.08.2014, 21:42

starkes gedicht, "gefällt" mir gut ... eindrücklich ... nur eine kleinigkeit:

"da war noch blut
urin und wein
im teppich

jetzt nicht mehr"

geht grammatikalisch so nicht, aus zwei gründen, erstens, weil das verb im plural stehen muss ("waren"), weil danach eine aufzählung von meheren folgt, und zweitens kann das gemeinsame verb "war bzw. waren" für das, was danach folgt "JETZT.." nicht im impekt stehen, wie für die aufzählung davor. grammatikalisch müsste es heißen "jetzt SIND sie es nicht mehr", was aber lyrisch gesehen doof ist. du verstehst, was ich meine. ich bin zwar kein lektor, aber.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 28.08.2014, 00:04

Woah, ich danke für die Anteilnahme.

Ich beginne unchronologisch mit Werner (hi übrigens, wir kennen uns noch nicht):
Du hast deine Kritik ja schon selbst am Ende relativiert:
An dem Satz, den du bekritelst, ist mal rein gar nicht falsch. Lies ihn einfach nochmal ...
Es gibt überhaupt keine falschen Sätze ... so sie denn mit Absicht so geschrieben sind.
(Lt. Frank Zappa gibt es auch keine falschen Töne)

ecb: Du hast so fuckin' damned Recht. Mit einer Abschwächung: Es ist kein Missverständis, es ist das Verständnis.

Pjotr, Xanthi: Pjotr hat Recht. Ich wechsle bewusst den Duktus ins - sagen wir mal - Erzählerische, was im zweiten ein paar mehr Vokabeln mehr erfordert als im ersten Teil. Ich finde es auch gut so, wie es ist. Mag ich da nicht verändern.

Allerdings wird es mir selbst am Ende zu Erklär-Bär, ich weiß noch nicht, ob ich da nochmal beigeh. Ich hab so lange nix geschrieben, es ist fast wie neu ... entdecken ...
Aber ganz nebenbei ist der bisherige Rhythmus auch nicht ganz so schlecht ... umschreiben würde da vielleicht was bremsen ... ich weiß es noch nicht ...
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

jondoy
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Beitragvon jondoy » 28.08.2014, 00:59

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Zuletzt geändert von jondoy am 28.08.2014, 07:03, insgesamt 1-mal geändert.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 28.08.2014, 05:39

"da war noch blut" -- Zeilenumbruch -- das ist, aus meiner Zeilensicht, ein vollständiger Satz, daher auch grammatikalisch legal mit Singular.

In dem Moment denkt der Denker ja noch nicht an den nächsten Gedanken (ah, guck, auch Wein). Und genau deshalb wirkt das auch angenehm meditativ auf mich: die Glieder der Gedankenkette reihen sich aneinander -- live. Keine Overdubs. Da darf kein Lektor hinterhergehen, zuerst auf das Ende der Kette schauen, zurückgehen, und dann ein vorausgehendes Glied verdrehen. Der Denkfluß wäre dann nicht mehr authentisch.

"jetzt nicht mehr" -- Außerdem, Werner, verstehe ich nicht, warum dieser zahlneutrale Satz auf singular sowohl als auch auf plural bezogen grammatikalisch nicht funktionieren sollte.


Jondoy, von welchem Text redest Du? In dem Text, den ich gelesen habe, kommen durchaus einige Menschen vor. Zwar nicht das Wort "Mensch" in Buchstaben, aber diese Buchstaben an sich meintest Du ja sicherlich auch nicht? Zum Beispiel sind auch Mädchen Menschen. Aber auch die beschriebenen Sachen sind menschliche Sachen; die menscheln sehr, finde ich. Überhaupt, beim Lesen bin ich direkt im Haupt eines Menschen. -- Ist Dir dieser Text zu jammervoll? Das könnte ich nachvollziehen. Mir ist er das nicht, weil der Redner noch ausreichend Aktivität zeigt. Völlige Depro-Texte mag auch ich nicht.


Ahoy

P.

jondoy
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Beitragvon jondoy » 28.08.2014, 07:47

hallo pjotr,

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 29.08.2014, 09:37

Pjotr hat geschrieben: die Glieder der Gedankenkette reihen sich aneinander -- live. Keine Overdubs. Da darf kein Lektor hinterhergehen, zuerst auf das Ende der Kette schauen, zurückgehen, und dann ein vorausgehendes Glied verdrehen. Der Denkfluß wäre dann nicht mehr authentisch.


Jo, mein lieber alter Pjotr, das triffts mal wieder; meine lyrischen Texte entstehen fast alle nach diesem "Session"-Prinzip.

Deswegen Johnboy:

Ist völlig in Ordnung, wenn diese "Kette" bei dir keine Assoziationen auslöst, oder eben andere. Die Gefahr läuft man halt bei verdichteten Texten. Es ist ja immer auch die Frage, inwieweit Gedanken- und Erfahrungswelt von Sender und Empfänger über Schnittmengen verfügen.

Alles, was ich dazu sagen kann ist, dass meine Bilder echt und in dem Moment der Niederkunft tatsächlich empfunden sind. Ich habe nicht nach ihnen gesucht.

LieGrüTom
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 29.08.2014, 17:31, insgesamt 1-mal geändert.
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jondoy
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Beitragvon jondoy » 29.08.2014, 17:26

Hallo Tom,

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pjesma

Beitragvon pjesma » 30.08.2014, 00:38

ich mag dieses gedicht , keine erklärungen ;-)
lg


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