Wer den warmen Füßen nicht traut

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 31.08.2014, 16:02

Wer den warmen Füßen nicht traut

Schneeschollen. Schlick. Schieferschlicksurfen, stop!
das scheint ins Rutschen zu kommen, catchup
bin so gut wie tot, widersprich, nur ein Satz
Talwärtsschub, Lieblings-Wachmacher, trotzdem
tastet die blinde linke Hand fasst, sucht
den Henkel dieser Wand, im Schnee
kriegt was, hast du? Drahtspitzen zu fassen
schwarz-rostiger Lichtstrahl
aufgedröseltes Hier! Hier! sticht die
Dornenrute für die kalte Angsthand
Klammerhand, die nie Brot brach
die den warmen Füßen nicht traut.


Version 0:
Wer den warmen Füßen nicht traut

Schollen. SchneeSchlick. Schieferschürfen, Halt!
das scheint ins Rutschen zu kommen, catchup
bin so gut wie tot, widerkäuen diesem Satz!
Talwärtsschub, mein lieber WachMacher
die blinde linke Hand tasstastet krugt
nach einem Henkel im Schnee,
kriegt Drahtspitzen zu fassen
aufgedröseltes Hier! Hier! sticht
der schwarz-rostige EinLichtStrahl
DornenRute für die kalte AngstHand
KlammerHand, die nie Brot brach
die den warmen Füßen nicht traut.
Zuletzt geändert von RäuberKneißl am 25.09.2014, 07:19, insgesamt 2-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 21.09.2014, 09:43

Hallo Franz

die erste Zeile ist gleich eine Herausforderung, zumindest laut gelesen. Klanglich, dynamisch entwickelt es passend zum Inhalt einen schönen Sog, mit dem du gekonnt spielst. Was mich aber zum Beispiel ganz rauswirft, dass ich nach dem "catchup" immer „watchmaker“ lesen möchte. Ich würde da entweder ein deutsches Wort einsetzen (oder habe ich verpasst, dass da das „Ketchup“ auch bildlich mitreinfließen soll?), oder es nicht als einziges englisches Wort dort stehen lassen und durchgängiger mit beiden Sprachen spielen.

Das „tasstastet krugt“ ist mir zu viel des Guten, da wirkt es dann auf mich, als wäre es eben eine Schreibaufgabe gewesen, in der man bestimmte Elemente unterbringen sollte und der Autor war an dieser Stelle ein bisschen zu begeistert von seiner Idee. :)

Was mich optisch sehr irritiert und auf mich unruhig, und bei den zusammengesetzten Worten aufdringlich und zaunpfahlig wirkt, ist die Groß/Kleinschreibung. Wenn ich es mir durchgängig klein setze, oder die zusammengesetzen Worte zumindest nur am Anfang groß, ist es für mich wesentlich stärker und klarer und auch selbstverständlicher.

Das „schwarz-rostige“ würde ich konsequenterweise auch zusammenschreiben, schwarzrostige.

Soll es wirklich „widerkäuen diesem Satz“ heißen?

Ich könnte nicht behaupten, dass ich das Gedicht jemandem „erklären“ könnte, .-) aber ein Gefühl dafür entsteht beim Lesen und es hat etwas an/in sich, das mich immer wieder hinschauen lässt. Vielleicht auch, weil es mir die letzten beiden Zeilen angetan haben.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Rita

Beitragvon Rita » 23.09.2014, 07:14

Lieber Räuber Kneißl,

es fällt mir schwer, zu diesem Text etwas Aufbauendes zu schreiben. Im Grunde lese ich hier gar nichts heraus. Ich habe eher den Eindruck, hier werden sinnfrei Zeilen zusammengestellt, die am Ende irgendwie zusammenpassen, aber sowenig wie möglich sagen sollen. Hier geht es schlicht um gar nichts, der Autor hat nichts mitzuteilen. Eine Erholung in dem Gedrösel: die letzten beiden Zeilen, auch wenn du mir die KlammerHand vielleicht doch erklären müsstest, damit ich wenigstens sie verstehe.

Schönen Gruß, Rita

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 23.09.2014, 07:31

Ja, so ähnlich ist mir ergangen.

Lange habe ich nachgedacht, habe meine Freundin gefragt, ich musste mich geschlagen geben.

Jetzt denke ich: Ist das vielleicht eine Warnung, den warnen Füßen, als Symbol von Behaglichkeit in der modernen, verwöhnten Zeit nicht zu trauen?

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 25.09.2014, 07:43

Hallo Flora,

vielen Dank für Deinen hilfreichen Kommentar, ich habe eine zweite Version mit weniger Getue versucht, in dieser scheint mir das schwarz-rostig getrennt besser zu passen. Mal kucken.

Hallo Rita, ein Gedicht mit der Absicht nichts zu sagen, das hätte ich kürzer formuliert. Ich verstehe nicht ganz, was den expliziten Wechsel vom Text auf die persönliche Ebene (also von einem möglichen 'der Text sagt nichts' zu: "Der Autor hat nichts zu sagen." motiviert.
Hallo Carlos,
vielleicht ist bei dem Text von mir das Setting (Abrutschende Füße in Schnee / Schlick, die Hand, die sich an ein rostiges Drahtseil klammert, den Absturz fürchtet) nicht klar genug ausgedrückt worden. Ausgangslage war eine Hochgebirgswanderung (konkret die Galtenscharte), das Wechselspiel zwischen Vertrauen auf die Füße, mit denen man im Leben steht und der Angst; die kalten, selbstsüchtigen Hände, die sich lieber stechen lassen als Vertrauen zu haben, tasten, es könnte ja was schief gehen im Leben, ich muss mich festhalten, klammern ....
Grüße
Räuber

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 25.09.2014, 10:58

Oh, ähm, halt! :o) Also die ersten drei Zeilen fand ich im Original um so viel besser, klanglich, inhaltlich, überhaupt (ist es jetzt ein wenig entzaubert?) … vor allem das „Halt!“ … und das „widerkäuen“ ist doch etwas ganz anderes, als das „widersprechen“?! Hm, der Einfachheit halber setze ich es mal so zusammen, wie es für mich perfekt wäre, nur mal für dich zum Anschauen. (Erklärungen kann ich bei Bedarf gerne nachliefern. .-))


Wer den warmen Füßen nicht traut

Schollen. Schneeschlick. Schieferschürfen, Halt!
das scheint ins Rutschen zu kommen, catchup
bin so gut wie tot, widerkäuen diesen Satz!
Talwärtsschub, mein lieber Wachmacher, trotzdem
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schwarzrostiger Lichtstrahl
aufgedröseltes Hier! Hier! sticht die
Dornenrute für die kalte Angsthand
Klammerhand, die nie Brot brach
die den warmen Füßen nicht traut.


Liebe Grüße
Flora
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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 26.09.2014, 22:07

Lieber Räuber,

ich steige hier zu spät ein, habe die Diskussion gelesen und kann so nicht ganz unvoreingenommen beurteilen, wie der Text allein auf mich hätt gewirkt. Gefallt mir, im Klang, in dem Sperrigen. Doch nicht alles, jede Version hat ihre Tücken. Da ein wenig Zuviel, dort zu wenig. Gratwanderung (passt ja sogar).
Die Großbuchstaben mitten im Wort erinnern mich immer an Werbefritzen, die das immer noch modern finden - falsche Assoziation.
Widerkäuen diesem Satz. Wider ja, im Sinne von dagegen an. Käuen? Hmm, besser als widersprich ist es. Mantra, der eine Satz, der immer wieder im Kreis zu widerlegen ist durch Handlung.
Mein lieber Wachmacher ist besser für mich als der Lieblingswachmacher, offener.
In der neuen Version die nächsten beiden Zeilen toll, besser als das tastastet krugt. Das war mir zu dick. Hier ist die helle klare Hoffnung.
Das gebrochene, nein, nicht gebrochene Brot? Religiöse Anspielung. Vielleicht. Aber warum?

Liebe Grüße
Henkki

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 27.09.2014, 00:26

"Brot brechen" ist keine religiöse Anspielung.

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 27.09.2014, 08:27

Aha. OK. Kannst Du mir mehr geben?

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 27.09.2014, 14:01

Hallo Zakkinen!

Entschuldige, wenn ich so knapp dazwischen funkte. Ich wollte nicht expliziter werden in dem Glauben, der Verfasser würde es selbst klären.

Ich glaube, diese "Hand, die nie Broch brach", ist eine verwöhnte Hand.
Früher pflegten die Bauern, die einfachen Leute, das Brot mit ihren Händen zu brechen.,

Oder trugen es unter dem Arm, wie die Franzosen. Eine Sitte, übrigens, die am Verschwinden ist.

Wie dem es sei, vielleicht liege ich trotzdem ganz falsch!


Ich wünsche dir ein schönes Wochenende

Carlos

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Beitragvon Zakkinen » 27.09.2014, 14:09

Hallo Carlos,

das klingt plausibel. Kann beides sein, oder? Wir werden auf den Räuber warten müssen - oder es so lassen, wie es ist, schön offen.

Schönes Wochenende
Henkki

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 27.09.2014, 14:55

@ Carlos: Bitte, was bedeutet "Die Franzosen trugen das Brot unter dem Arm"? Ich kenne natürlich das Baguette, aber das ist wohl nicht gemeint - und die Redensart "das Brot unter den Armen verteilen" doch wohl auch nicht ...?
Sorry fürs OT, aber ich mag nicht dumm sterben.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 27.09.2014, 17:08

Hallo,
danke, Floras Variante ist aktuell für mich die rundeste.
@Henkki, das widerkäuen diesem Satz war ursprünglich so gemeint (kein Tipp-Fehler) ist nur eben auch umständlich, sperrig. Mir geht's wie dir: widersprechen ist etwas prosaisch (derlei Ängste und ihre Abwehr haben das mantrisch Wiederholende an sich, was die Kuh wachrief).
Brot brechen - hier bin ich wegen der starken religiösen Assoziation immer noch zwiespältig, es ist andererseits als 'väterlicher' Gestus in der Bibel (NT) vermutlich selbst eine Metapher für verteilen an / Sorge für andere. Das Bild von Brot an sich passte nur ganz gut in den Kontext, fand ich.
Grüße von
dem - mit ziemlicher Sicherheit dumm sterbenden - Räuber
(aber wir lassen uns noch Zeit, gell, Zefira? Eine schöne Leich will gut vorbereitet sein.)


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