Zufallsliebe (Spencer-Stanze)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Rita

Beitragvon Rita » 09.11.2014, 04:02

Zufallsliebe (Spencer-Stanze nach Stummer)

Da läuft dir plötzlich einer übern Weg.
Der hat so was, denkst du, und etwas mehr,
jetzt maul bloß nicht, das wär ein Sakrileg,
was schön ist, weiß man doch erst hinterher.
Dir liegt im Herzen kaum noch was verquer,
du küsst ihn irgendwo und irgendwann,
so schrecklich einsam, wie du warst bisher –
egal, was er dir sonst noch bieten kann.
Zuletzt geändert von Rita am 24.01.2015, 19:54, insgesamt 1-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 12.11.2014, 14:02

Hallo Rita,

ich finde es spannend, Lyrisches zu entdecken, das mir unbekannt war. So muss ich gestehen, dass ich von einer Spencer-Stanze bis zu Deinem Text noch nie gehört hatte. Also hab ich mich mal einer wenig schlau gemacht und las, dass die Spencer-Stanze eine engl. Weiterentwicklung der italienischen Stanze sei, von der sie sich durch das Reimschema und eine zusätzliche 9. Zeile unterscheide. Legst du den Formbegriff bewusst freier aus oder gibt es einen anderen Grund dafür, dass Du diese 9.Zeile weggelassen hast?

Sprachlich wird das Zufällig-Oberflächlich-Unverbindliche der Beziehung schön deutlich, wie ich finde. Nur - warum es nun gerade ein SAKRILEG sein soll zu maulen, das will sich mir nicht erschließen.

Liebe Grüße
Herby

Rita

Beitragvon Rita » 12.11.2014, 15:29

Hallo Herby,

eigentlich bin ich schon raus, aber das interessiert mich nun doch: Was ist deine Quelle für die 9. Verszeile?
Ich beziehe mich auf meine Studienunterlagen sowie auf Josef Viktor Stummer: Vers, Reim, Strophe, Gedicht. Reimschema demnach: ababbcbc = 8 Verszeilen. Sakrileg = Frevel, Beleidigung, Vergehen.

Gruß, Rita

Herby

Beitragvon Herby » 12.11.2014, 15:46

Hallo Rita,

ich beziehe mich auf Wikipedia und den nachfolgenden Abschnitt (unterstrichen). Irrt Madame Wiki hier?


"Die Spenserstrophe oder Spenser-Stanze, benannt nach Edmund Spenser, ist eine englische Weiterentwicklung und Anreicherung der italienischen Stanze (Ottava rima). Von ihr unterscheidet sich diese Strophenform durch das abweichende Reimschema ababbcbcc, und durch eine hinzugefügte 9. Zeile, die nicht nur 6-hebig ist im Gegensatz zu den ersten acht 5-hebigen Zeilen, sondern auch die für den Alexandriner typische Mittelzäsur hat.


Hier eine Spenser-Stanze (The Faerie Queene, Canto III, Strophe 1):

Soone as the morrow faire with purple beames
Disperst the shadowes of the mistie night,
And Titan, playing on the eastern streames,
Gan cleare the deawy aire with springing light,
Sir Guyon mindfull of his vow yplight,
Vprose from drowsy couch, and him addrest
Vnto the iourney which he had behight:
His puissaunt armes about his noble brest,
And many-folded shield he bound about his wrest.


Diese Strophenform geriet nach Spenser in Vergessenheit, wurde aber von den englischen Romantikern (Byron, Shelley, Keats) wiederentdeckt und benutzt. Im Deutschen vermochte sie sich wohl insbesondere auf Grund des vierfachen Reims b nicht einzubürgern; es gibt hier zu wenige geeignete Lautungen.


Percy Bysshe Shelley: “Adonais” Strophe III

O, weep for Adonais - he is dead!
Wake, melancholy Mother, wake and weep!
Yet wherefore? Quench within their burning bed
Thy fiery tears, and let thy loud heart keep
Like his, a mute and uncomplaining sleep;
For he is gone, where all things wise and fair
Descend; - oh, dream not that the amorous Deep
Will yet restore him to the vital air;
Death feeds on his mute voice, and laughs at our despair.


Übersetzung:

O, weine um Adonis - er ist tot!
Wach, Schmerzensmutter, wach und wein!
Jedoch wofür? In ihrem Bette rot
erstick die Tränen, und es soll wie sein
Herz deines ruhn, geduldig schlafen ein,
denn er ging hin, wohin klugschönes Streben
in Liebestiefen steigt, o träum nicht, nein,
der Tod gäb ihn zurück ans luft’ge Leben;
der aß die Stimm’ ihm weg und lacht, wenn wir erbeben.
(Dietrich Feldhausen)"

Lieben Gruß
Herby

Rita

Beitragvon Rita » 12.11.2014, 16:30

Tja, Herby, das kann ich nicht entscheiden, wer da recht hat. Vielleicht existieren beide Formen nebeneinander?
Wobei du von einer Spenser-Stanze schreibst, ich von einer Spencer-Stanze - könnte da der Unterschied liegen? Aber das ist alles Spekulation. Tut mir leid, da sehe ich nicht durch. Aber dankeschön fürs Reinsehen.

Gruß, Rita

Quoth
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Beitragvon Quoth » 20.01.2015, 20:56

Hallo Rita, wir sind uns hier noch nicht über den Weg gelaufen, was auch daran liegt, dass ich alters- und gesundheitsbedingt kein völlig regelmäßiger Gast bin. Was nun die "Spencer-Stanze" betrifft, muss ich Herby Recht geben. Es gibt zwar auch einen englischen Politiker und Literaten namens Spencer (George John Spencer, 2. Earl Spencer), aber der hat wohl eine große Bibliothek, aber keine eigene Strophenform hinterlassen, die nach ihm benannt wäre. Die eng anliegende Abendjacke, der Spencer, im Deutschen Spenzer, wird auf ihn zurückgeführt, aber ich bin sicher, Du wolltest uns hier keine eng anliegende Abendjacken-Stanze vorstellen! Eine eigene und weltberühmte Stanzenform entwickelt hat hingegen Edmund Spenser, der Autor der fabelhaften "Faerie-Queene", und das Kennzeichen dieser Stanze ist eben gerade, dass sie nicht acht-, sondern neunzeilig ist:
Für The Faerie Queene gestaltete Spenser eine Strophenform, die als „Spenserian Stanza“ (Spenserstrophe) bekannt wurde: Hierbei enthält jede Strophe neun Verse, acht jambische Fünfheber, gefolgt von einem jambischen Sechsheber, einem Alexandriner. Das Reimschema der Spenserstrophe ist ababbcbcc.
An diesem Zitat aus Wikipedia ist einfach alles zutreffend! Wenn Du Dich also unbedingt mit der fremden Feder Spenser-Stanze schmücken willst, dann korrigiere den Namen und füge umgehend eine neunte Zeile an, z.B.:
"Er trug den blauen Spenzer wie ein wahrer Mann!"
Gruß Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Rita

Beitragvon Rita » 21.01.2015, 05:14

Hab Dank unbekannterweise, Quoth, für deine Ansichten. Ich habe verschiedentlich eine Spenser-Stanze mit neun Versen gelesen, es gibt sie im englischen Sprachraum, da hast du recht. Ich beziehe mich in meiner Aussage auf Josef Viktor Stummer, Reim- und Verslehre, sowie Karl Peltzer, Der treffende Reim, worin die Spencer-Stanze mit acht Versen und dieser Reimstruktur vorgestellt wird, ausdrücklich mit c geschrieben. Es wird zwar nicht gesagt, aber vielleicht ist die achtzeilige Stanze eine eingedeutschte Form, wie das ja auch beim Sonett z. B. geschehen ist. Wir beide können das nicht entscheiden, wer hier recht hat, aber lassen wir es offen, das ist ja auch nur marginal entscheidend und ändert nichts an der Aussage des Textes.

Ciao, Rita

Niko

Beitragvon Niko » 21.01.2015, 13:30

das ist ja auch nur marginal entscheidend


hallo rita,

ich schreibe zb. ein sonett, deklariere es als solches, lasse aber ein oder zwei zeilen fehlen und beruhige sonetthungrige leser damit, dass es ja im grunde marginal ist. vielleicht ein eingedeutschter fehler. man erkennt ja den inhalt. das finde ich konfus.
wenn der inhalt erkannt wird (oder auch nicht), ist es ja wunderbar! aber dennoch darf!!! ich es nicht als etwas deklarieren, was es offensichtlich dann doch nicht ist.
ich würde an deiner stelle den zusatz (Spencer - Stanze) einfach weglassen. ein gedicht wird ja nicht zur erhöhten kunst, wenn es einer bestimmten gedichtsform (nicht) entspricht.
man kann es ja ergooglen und nachlesen und sich sicherheit verschaffen. bis dahin kann dein text den "tatbestand einer spenser - stanze" nicht erfüllen. gerade bei formalen gedichten sollte man da ganz genau sein.


beste grüße - niko

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 21.01.2015, 13:44

Zuerst einmal muss man überprüfen, welche Quellen wahr sind: die von Wikipedia, oder die Stummer-Quelle. Bei Wikipedia fehlen sogar oftmals die Quellen. Da kann jeder was reinschreiben. Das Weglassen von Information bedeutet nicht, dass die einzigen Beispiele die einzig richtigen sind. Aber Stummer hat wohl zumindest den Namen ohne "s" geschrieben.

Rita

Beitragvon Rita » 21.01.2015, 14:00

Niko,

das Sonett, das du im Sinn hast, ist die eingedeutschte Form des italienischen Petrarca-Sonetts, das nur mit Endecasillabos geschrieben wird. Ich empfehle einen Blick in die einschlägige Literatur.

Ciao, Rita
Zuletzt geändert von Rita am 21.01.2015, 14:03, insgesamt 1-mal geändert.


Rita

Beitragvon Rita » 21.01.2015, 14:08

Lieber Pjotr

du hast völlig recht, Wikipedia ist eine sehr unzuverlässige Quelle. Aus diesem Grunde verlasse ich mich lieber auf Fachliteratur. Wobei ich aber annehme, es handelt sich um eine aus dem Englischen abgewandelte deutsche Form bei der achtversigen Spencer-Stanze, ganz ähnlich, wie das auch bei dem Sonett geschehen ist, was ich ja Quoth schon geschrieben habe.

Ciao, Rita

Rita

Beitragvon Rita » 21.01.2015, 14:15

nera,

als Kommentar würde ich das nicht bezeichnen. Versuch es doch mal mit eigenen Worten.

Rita

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nera
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Beitragvon nera » 21.01.2015, 14:39

nö:)


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