Zufallsliebe (Spencer-Stanze)

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Rita

Beitragvon Rita » 09.11.2014, 04:02

Zufallsliebe (Spencer-Stanze nach Stummer)

Da läuft dir plötzlich einer übern Weg.
Der hat so was, denkst du, und etwas mehr,
jetzt maul bloß nicht, das wär ein Sakrileg,
was schön ist, weiß man doch erst hinterher.
Dir liegt im Herzen kaum noch was verquer,
du küsst ihn irgendwo und irgendwann,
so schrecklich einsam, wie du warst bisher –
egal, was er dir sonst noch bieten kann.
Zuletzt geändert von Rita am 24.01.2015, 19:54, insgesamt 1-mal geändert.

Rita

Beitragvon Rita » 21.01.2015, 14:44

Ach nö.

Quoth
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Beitragvon Quoth » 24.01.2015, 17:23

"Die Spencer Stanze. Eine englische Abwandlung der Stanze mit dem Reimschema ababbcbc". Diese halb zutreffende Aussage findet sich nicht bei Josef Viktor Stummer, wie Du behauptest, Rita, sondern im Anhang des Reimlexikons "Der treffende Reim" von Karl Peltzer, das mit Stummers "Vers, Reim, Strophe, Gedicht" in einem Band gedruckt wurde. Halb zutreffend ist die Aussage, weil der Name des Erfinders falsch geschrieben wurde (mit c statt mit s) und weil im (ansonsten zutreffenden) Reimschema die entscheidende 9. Zeile weggelassen wurde. Die Tatsache, dass diese Behauptung in gedruckter Form aufgestellt wurde, macht sie noch nicht zur Quelle, die einzige verbindliche Quelle zur Spenser-Stanze ist das Gedicht "The Faerie Queene" von Edmund Spenser, erfreulicherweise im Netz (Buch I) einsehbar:

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http://www.gutenberg.org/files/15272/15272-h/15272-h.htm


Was die Zuverlässigkeit von Wikipedia angeht, Pjotr, habe ich die Erfahrung gemacht, dass Wikipedia gerade, weil jeder mitschreiben, mitkritisieren und mitkorrigieren kann, sehr viel fehlerärmer ist als viele gedruckte Nachschlagewerke, und nicht ohne Grund haben die großen Lexikonverlage bereits aufgegeben. Den Artikel "Spenserstrophe"

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https://de.wikipedia.org/wiki/Spenserstrophe

habe ich vor neun Jahren, als ich mich mit der Faerie-Queene befasste, optimiert, und er hat in der Substanz in den 9 Jahren trotz zahlreicher kritischer Leser und Mitschreibberechtigter standgehalten. Deshalb war ich gespannt, als ich "Spencer Stanze" las, etwas dazuzulernen. Aber ich habe nur erneut bestätigt gefunden, dass auf gedruckte Nachschlagewerke kein Verlass ist. Man könnte polemisch auch vom Print-Stuss sprechen, der dann von allzu Wohlwollenden noch zur Quelle aufgewertet wird.
Stummer erwähnt die Spenser-Stanze mit keinem Wort (auch nicht unter anderen Schreibweisen). Er erwähnt nur eine andere neunzeilige Strophenform, die Nonarime, die an die klassische Stanze eine neunte Zeile mit dem Reim b anhängt, und fügt hinzu: "Die Nonarime ist jedoch nur noch ganz selten zu sehen."

Deine Spencer Stanze, Rita, bleibt eine eng anliegende Abendjacken-Stanze, benannt nach einem Earl, der nie ein Gedicht geschrieben hat! :-)
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Rita

Beitragvon Rita » 24.01.2015, 19:53

Gut, Quoth, dass du die Sache geklärt hast, dann ist sie ja soweit erledigt. Bei Stummer handelt es sich übrigens nicht um ein Nachschlagewerk, wie du annimmst, sondern um eine umfassende Darstellung über das Handwerkliche des deutschen Gedichts. Vielleicht hat er sich mit der englischen Lyrik weniger als mit der deutschen beschäftigt, oder es handelt sich um Druckfehler, oder es ist eine eingedeutsche Form, was ich am ehesten annehme, davon konnte Spenser ja nichts wissen. Stummer ist sehr zuverlässig, ich habe keinerlei Differenzen zu meinen Studienunterlagen gefunden, wobei die Spenser- bzw. Spencer-Stanze gar nicht zum Stoff gehörte. Aber gut, dass du dir die Mühe gemacht hast, das in detektivischer Kleinarbeit zu erkunden, nun wissen wir alle Bescheid: Die originale Spenser-Stanze schreibt sich mit s und hat neun Verse, Stummers Spencer-Stanze schreibt sich mit c und hat acht Verse. Ich werde den Zusatz bringen: "Nach Stummer", dann sind alle Unklarheiten beseitigt.

Ciao, Rita

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 24.01.2015, 20:10

Quoth hat geschrieben:Was die Zuverlässigkeit von Wikipedia angeht, Pjotr, habe ich die Erfahrung gemacht, dass Wikipedia gerade, weil jeder mitschreiben, mitkritisieren und mitkorrigieren kann, sehr viel fehlerärmer ist als viele gedruckte Nachschlagewerke, und nicht ohne Grund haben die großen Lexikonverlage bereits aufgegeben.

Das gibt es sicherlich auch. Das ist mal so, mal so. Ich habe teilweise auch schlechte Erfahrungen gemacht (außerhalb literarischer Themen), auf Seiten wo Platzhirsche mit Privattheorien unliebsame, bequellte Korrekturen als Vandalismus betrachten und durch befreundete Admins ungelesen revertieren lassen. An solchen Stellen vertreiben Laien die Fachkundigen.

P.

Quoth
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Beitragvon Quoth » 24.01.2015, 20:12

Nein, Rita, Du hast nicht genau genug gelesen, was ich geschrieben habe. Josef Viktor Stummer äußert sich in seinem Werk "Vers, Reim, Strophe, Gedicht" mit keinem Wort zur Spenser-Stanze, auch eine Spencer-Stanze kommt bei ihm nicht vor. Diese findet sich vielmehr ausschließlich im Anhang von Karl Peltzers "Der treffende Reim, Ein Wörterbuch der Endreime" (beide Bücher wurden in einem Band zusammen gedruckt und gebunden). Also muss es "nach Peltzer" heißen - und keinesfalls "nach Stummer". Der arme Josef Viktor Stummer, der diesen Unsinn nie geschrieben hat, würde sich im Grab umdrehen! :-)
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Rita

Beitragvon Rita » 25.01.2015, 05:26

Quoth, ich würde vorsichtig sein, Peltzer des Unsinns zu bezichtigen, auch er war ein kenntnisreicher, anerkannter Literaturwissenschaftler, der seine Gründe hatte, wenn er von der achtversigen Spencer-Stanze schrieb. Es wäre zu kurz gesprungen, ihn in Bausch und Bogen zu verdammen, nur weil du sie nicht kennst und unbedingt auf der ursprünglich englischen Version bestehst. Das angesprochene Werk beschäftigt sich ausschließlich mit dem deutschen Gedicht, und ich denke, auch die Spencer-Stanze hat ihre Reize, weshalb Peltzer sie in die Auflistung deutscher Gedichte aufgenommen hat. Allerdings ist das Ganze für mich nicht so wichtig, dass ich mich noch weiter mit der Spencer- bzw. Spenserstanze beschäftigen müsste. Hab besten Dank dafür, dass du Klarheit in die Angelegenheit gebracht hast, jetzt kann ich beruhigt schlafen.

Ciao, Rita

Quoth
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Beitragvon Quoth » 25.01.2015, 10:21

Freut mich, Rita, zur Qualität Deines Schlafs beigetragen zu haben. Ich habe im Netz mal nach einer Spencer Stanze gesucht und unter

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http://www.e-literatum.de/t79577051f4-Zufallsliebe-Spencer-Stanze.html
das Werk einer Autorin namens Elektra gefunden, das folgendermaßen lautet:
Da läuft dir plötzlich einer übern Weg.
Der hat so was, denkst du, und etwas mehr,
jetzt maul bloß nicht, das wär ein Sakrileg.
Die Schönheit ist dir heute peripher,
dir liegt im Herzen kaum noch was verquer.
Du küsst ihn irgendwo und irgendwann,
so schrecklich einsam, wie du warst bisher -
egal, was er dir sonst noch bieten kann.

Kommt irgendwie bekannt vor, oder? Dürfte aber nach dem Tod des kenntnisreichen Literaturwissenschaftlers Karl Peltzer geschrieben sein ... :-)
Es verschließt sich mir, warum Du nicht einfach einen auf -ann reimenden Alexandriner anhängst und den Sekundärliteratur-Quark vergessen und stolz sagen kannst, dass Du eine deutsche Spenser-Stanze geschrieben hast.
Wünsche weiter sanftes Ruhn!
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Rita

Beitragvon Rita » 25.01.2015, 11:58

Nun lass es mal gut sein, Quoth.

Ciao, Rita


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