versuch einer neuen üppigkeit

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birke
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Beitragvon birke » 22.12.2014, 13:56

.
obwohl diese tage karg
im sande verlaufen
wächst auf der anderen seite
ein rauschendes grün
in das sich worte schmiegen
wie ein schimmer an wellen
bricht sich zuweilen ein gedicht
das genick, doch es geht nicht unter
im meer, im grün und nicht
in der wüste

wo finde ich gebogene wünsche
im sonnenregen verweile ich
auf der suche nach üppigkeit






(aus dem schwimmer wurde ein schimmer)
Zuletzt geändert von birke am 01.01.2015, 17:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.12.2014, 16:13

Für mich ein weicher entrückender Text mit einer Melodie, die an das Rauschen vom Meer selbst erinnert. Es schleift ein wenig über das Gespaltensein hinweg, aber man spürt es noch, wenn man drüber liest. Wie bei vielen deiner Texte, die oft eine "doch" oder "aber" oder sonsteine Kehrtwendung aufweisen und durch ihre Bestimmtheit den Text ruckeln lassen und gleichzeitig einen Bogen mit zwei Enden aufziehen auf inhaltlicher Ebene und im Idealfall eine Gedankenspreizung evozieren.
Diese Wendungen haben aber auch was Restriktives, Strenges und Klares nach dem Motte: Du darfst Träumen, aber wehe du machst dabei die Augen zu und folgst mir nicht. Hier ist die Spalte aber nicht ganz so klar, weil das Meer auch Wüste sein kann und das gefällt mir ausgezeichnet, da passt alles zusammen.
Interessant ist, dass das "karg" der ersten Zeile mit der Üppigkeit der letzten die klanglich einzig harten Worte sind (zwei Küsten, dazwischen das Meer)

Ich müsste kritisieren. dass ich noch nie von einem Schwimmer gehört habe, der sich an einer Welle das Genick bricht, also der Vergleich fast zu satt eingebettet ist, dass man die Bezüge verliert. Allerschönst wäre es natürlich, wenn es dann trotzdem funktionierte.
Und der Sonnenregen behagt mir nicht.

Geglückter Versuch dem in jedem Sinne hässlichen Wort Üppigkeit ein Zuhause zu geben. Für die Wahl notiert! (das ist gelogen, so gut organisiert bin ich nicht, aber ich hoffe, ich denke dran *hihi).

Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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nera
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Beitragvon nera » 23.12.2014, 23:49

auch für mich ein großartiger text birke, auch wenn ich nifls urteil über das wort üppigkeit nicht teile!

pjesma

Beitragvon pjesma » 26.12.2014, 12:39

find ich auch :-). (ausgesprochen, das wort "üppigkeit", macht gleich am anfang schon mal ein kussmund...in jedem sinne ein schönes wort=grrr nifl! ;-)
üppige grüße!

Nifl
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Beitragvon Nifl » 26.12.2014, 14:32

ihh ne, Üppigkeit ist die Vorgruppe von "mir wird schlecht"
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birke
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Beitragvon birke » 26.12.2014, 15:26

freut mich sehr, dass dieser versuch offenbar geglückt ist!

zur "üppigkeit" - hm, ich mag das wort auch, es bedeutet für mich sowohl inhaltlich als auch vom reinen wort/ lautmalerischen her so etwas wie reichhaltigkeit, aber ausschließlich in positivem sinne.

dass ein schwimmer sich an einer welle nicht im konkreten sinne das genick brechen kann, nifl ... ja, das mag wohl sein ;) aber im übertragenen sinne vielleicht schon. etwas verzwickt hier mit den bezügen, ja, und ich hoffe doch, in alle richtungen lesbar.
danke für dein ausführliches interessantes feedback!

... und auch euch, nera, pjesma, vielen dank, schön, dass ihr das "üppige" auch mögt :)

mit frohen "rest-weihnachtlichen" grüßen,
diana
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pjesma

Beitragvon pjesma » 26.12.2014, 21:19

die üppigkeit ist die frontfrau von der gruppe ich bin kein knauserer xD

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Beitragvon nera » 28.12.2014, 02:50

üppigkeit ist vollgestopft! wunderbar!

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 28.12.2014, 17:42

Hallo Birke,

dass ein schwimmer sich an einer welle nicht im konkreten sinne das genick brechen kann, nifl ... ja, das mag wohl sein ;) aber im übertragenen sinne vielleicht schon.
Das ist aber so bildhaft, dass es für mich erst einmal ohne Übertragung funktionieren müsste. Ich las aber immer „schimmer“ und das stimmte ganz wunderbar. :o))
das genick, doch es geht nicht unter
im meer, im grün und nicht
in der wüste
Hier finde ich es vom Satzbau etwas verwirrend? Entweder „im meer nicht, im grün nicht und (auch) nicht in der wüste“, oder „im meer, im grün oder der wüste“?

Den Sonnenregen finde auch ich nicht glücklich, weil er die gebogenen Wünsche so sehr zum Regenbogen macht und manich dann schon das Glitzereinhorn darunter stehen sehe. Das verkitscht und erschlägt für mich den Ton des Gedichtes am Ende … bricht ihm das Genick. .-)

Bei der Üppigkeit geht es mir wie Nifl, nur noch einen Schritt weiter, :pfeifen: was aber für mich sehr gut zu meinem Lesen passt!

Die Frage, die sich mir am Ende stellt, warum sucht das LIch nach Üppigkeit und tut es das wirklich? Mir scheint es im Grunde etwas anderes zu erzählen, dass es die Antwort auf das „wo“ für sich selbst schon längst gefunden hat. Die Aussicht, die es zeigt, auf die toten Gedichte, die beharrlich an der Oberfläche treiben, ist ja keine verlockende, da zieht es einem wirklich den Magen zusammen.

Das Gedicht lässt schön weiterdenken und für mich dann das Wort „karg“ in einem ganz anderen weichen Licht sehen und hören, wie auch schon das „sande“ anklingen lässt. Dieser Bogen gefällt mir sehr.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Kurt
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Beitragvon Kurt » 28.12.2014, 17:46

Hallo Birke,

mich stört in Zeile 3 „auf der anderen Seite“ hier in diesem Kontext, und allgemein wird dies Aufzeigen in Zweiseiten einer Medaille oder mehrseitig dem Aufgezeigten nicht gerecht. Besonders in der Lyrik, finde ich, sollte man differenzieren, auffächern. Im Zusammenhang mit Adornos Dialektik habe ich mal einen Dialog gelesen als Beispiel für negative und positive Dialektik. Und da machte dieses in „andersseitig“ aufzuzeigen einen Sinn und ergab sogar einen Ahaeffekt. Aber in deinem Gedicht? Und wenn du in Seiten aufzeigst, dann solltest du wenigstens das abstrakte, blutleere „andere Seite“ vermeiden. Es reicht ja, wenn du die andere Seite darstellst. Dann bin ich aber überzeugt, kommt kein Eindruck einer Andersseitigkeit heraus.

LG Kurt
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

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Beitragvon birke » 28.12.2014, 22:57

hi, flora, hi, kurt, danke euch fürs beschäftigen mit dem text!

auf eines kann/ muss ich eigentlich gemeinsam antworten, und zwar auf „die andere seite“, kurt, und auf den „sonnenregen“, flora.
es geht ja ganz konkret darum, die „üppigkeit“ (vielleicht schon gefunden??) nicht nur in einem, sondern in mehrerem – also in der ganzheit zu finden.
auf der einen seite ist frühling, auf der anderen winter; auf der einen seite ist wüste, auf der anderen regenzeit. zum beispiel. (abstrakt und blutleer finde ich das nicht …?)
und erst in allem zusammen, (worauf hier auch der „sonnenregen“ anspielt), kann sich eine üppigkeit zeigen.

flora, dieses hier ist für mich aber eindeutig?

doch es geht nicht unter im meer, im grün und (auch) nicht in der wüste.

schön, wie du das "karg" hier empfindest. :)

liebe grüße
birke
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Beitragvon Kurt » 29.12.2014, 00:27

Wenn sich gleichzeitig Regen, Sonne, und somit ein Regenbogen in kräftigen Farben auf einer Fläche mit Waldanteil und Wüstendünung in überbordender Pracht darböten, die du einzeln auf Seiten/Flächen aufsplittest, wäre die Nennung „Üppigkeit“ meines Erachtens eher gerechtfertigt. Wie Nera schon sagte: Vollgestopft!

LG Kurt
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Beitragvon Ylvi » 29.12.2014, 10:55

Hallo Birke,

es geht ja ganz konkret darum, die „üppigkeit“ (vielleicht schon gefunden??) nicht nur in einem, sondern in mehrerem – also in der ganzheit zu finden.
auf der einen seite ist frühling, auf der anderen winter; auf der einen seite ist wüste, auf der anderen regenzeit. zum beispiel. (abstrakt und blutleer finde ich das nicht …?)
und erst in allem zusammen, (worauf hier auch der „sonnenregen“ anspielt), kann sich eine üppigkeit zeigen.
Hm, ist dir wichtig, dass der Leser genau das herausliest, was du "konkret" hineinlegen wolltest? Mir erzählt das Gedicht, wie ich schrieb, etwas anderes, und die Üppigkeit ist für mich hier nicht positiv besetzt, sie ist etwas Drohendes und wie mir scheint von außen gesetztes, das sich LIch anschaut, auch das Schöne darin sehen kann, auch wenn es schnell kippt, worin es sich versucht, was aber nicht seins werden wird. Für mich bleibt LIch hier auf seiner kargen (schönen) Seite (verwurzelt), auch sprachlich sehe ich die Üppigkeit nicht ins Gedicht einziehen?
Und kann sich in der Ganzheit, in allem zusammen, nicht eine Sprache finden, oder aufscheinen, die nicht immer üppiger wird, sondern im Gegenteil immer reduzierter (mir scheint das wahrscheinlicher) und dagegen gerade in einem kleinen Raum (persönlichen Ausschnitt) eine Üppigkeit (Vollgestopftheit, ein Schwelgen) zeigen, die gar nichts mit einer Ganzheit zu tun hat, die auch gar nicht nach ihr strebt? Nur so als Gedanke dazu.

flora, dieses hier ist für mich aber eindeutig?

doch es geht nicht unter im meer, im grün und (auch) nicht in der wüste.
Für mich klingt es schief, aber vielleicht geht das nur mir so.

Liebe Grüße
Flora

Edit: Hast du über den Schwimmer-Schimmer nochmal nachgedacht?
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Beitragvon birke » 29.12.2014, 11:18

ja, genau darum geht es, kurt. :)

liebe flora, oh, nein, wenn ich einen text "freilasse", dann steht er für sich.
meine intention ist da nur noch nebensächlich.
und deshalb finde ich deine lesart auch höchst spannend!
(ich wollte nur darlegen, warum ich etwas wie ausgedrückt/ gesetzt habe.) :)

schwimmer/ schimmer, das hat auf jeden fall auch was.
du meinst, ändern?
aber der "schimmer" steckt ja auch im "schwimmer".
werde das aber durchaus mal überdenken, danke!

lg
birke

edit - und aber ja, flora, wichtig ist hier auf jeden fall der "versuch" und die "suche"! das gedicht selbst, also dieses, spricht eine andere sprache, da hast du vollkommen recht.
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