herbstseelchen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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nera
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Beitragvon nera » 18.09.2014, 23:47

ich spucke
(gucke zucke)
(glucke)

"du sollst mir nicht zusehen wenn
meine fratzen den spiegel zerschneiden"
(m.l. kaschnitz)

ich muss meinen herbst ordnen
mein lebenwollen und sterbenmüssen
mein allesgesagt und nichtserledigt
ich bin noch nicht satt
und werde hungrig
wenn du mich fütterst mit amselgesang

immer noch laufe ich gegen schilder
immer noch wundere ich mich
über beulen
und staune über krähenfüße
ich bin noch so neu

wir lieben
dich herbststürmisch
(du sagst es, du sagst es)
wir scheitern so wunderbar wie eh und je
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herbst.gif
Zuletzt geändert von nera am 27.10.2014, 16:53, insgesamt 3-mal geändert.

ecb

Beitragvon ecb » 19.09.2014, 07:56

Ein Text nach meinem Herbstherzchen :daumen:

Lieben Gruß
Eva

Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.
Samuel Beckett

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.09.2014, 08:42

Und nach meinem! :) Auch das Foto ist Klasse, nera. Nur an einer Stelle hänge ich ein wenig.
dich herbststürmich
Wer ist mit dem "dich" gemeint, das gleiche "Du" wie hier: wenn du mich fütterst mit amselgesang? Aber wer ist dann das "Wir"? Und "herbststürmich" ist eine schöne Schöpfung, aber hier im Kontext bin ich nicht sicher, ob es ev. ein Vertippsler ist?

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 19.09.2014, 11:32

erstmal danke.
ich muss da nochmal nachdenken flora. ein verschreiber isses nicht, das herbststürmisch. allerdings frage ich mic;, geht das denn nach der neuen rechtschreibeordnung...so viele konsonanten? mal sehen, ob es deutlicher geht?
(ich fahre jetzt erstmal weg und weiß nicht, ob ich dann internet habe?)

ps: das foto zeigt eine installation eines freundes)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.09.2014, 11:43

ein verschreiber isses nicht, das herbststürmisch.
Welches, das stürmich oder das stürmisch? :spin2:
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 19.09.2014, 23:48

ich muss meinen herbst ordnen ...

den mittleren Teil finde ich sehr stark! Danach wirds nach meinem Empfinden etwas dünner, die Sache mit den Schildern und den Beulen ist mir - so plötzlich - zu leicht zu fassen. Genauso die Krähenfüße.

"herbststürmich" las ich als herbst-stürm-ich, nachdem ich - auch erst - darüber stolperte. Die letzte Zeile finde ich fast wieder ein bisschen banal.

-- aber bis amselgesang: toll!

Rita

Beitragvon Rita » 20.09.2014, 15:24

Liebe Nera,

der Titel erschließt sich mir, wenn ich den Fall setze, die Autorin ist schon etwas älter, also im "Herbst des Lebens". Da finde ich ihn ganz treffend, leicht ironisch.

Was mich dann aber erwartet, finde ich nicht in allen Teilen entsprechend. Die ersten beiden Zeilen sind zum Überlesen gut, für mich zu gewollt. Das Kaschnitz-Zitat zu verwenden, dafür gibt es nach meiner Einschätzung überhaupt keinen Anhaltspunkt. Der Text könnte sehr gut darauf verzichten. Oder vielleicht als Spitzmarke über den Text, mitten im Text wirkt das Zitat auf mich nur befremdend.

Interessant wird das Gedicht für mich erst im Mittelteil. Da habe ich das Gefühl, hier spricht der Mensch, der etwas zu sagen hat. Den finde ich ausgezeichnet, und ich denke sogar, er würde ausreichen, um das Anliegen des "Herbstes" zu verdeutlichen.

Zum "herbsttürmich": Entweder ein Schreibfehler, also herbststürmisch, oder ein Wortungetüm, dass du als besonders leserbeeindruckend findest. Mit solchen schweißtreibenden Erfindungen kann man sich einen ganzen Text kaputtmachen. Besser wäre es, du würdest zum Vergleich greifen: stürmisch wie Herbst bzw. besser noch zum Substantiv "Herbststurm". Als Adjektiv funktioniert das Ganze für mich nicht.

Lieben Gruß, Rita

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nera
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Beitragvon nera » 28.09.2014, 14:09

so nun. erstmal danke fürs kommentieren. der text ist ein versuch sich dem monatsthema zu nähern.

flora, es soll natürlich "herbststürmisch" sein. ;) (meine schludrigkeit!)
das problem mit dem "du" und "wir" macht mir auch zu schaffen. ich überlege die ganze zeit, wie es besser, klarer rüberkommt. da brauch ich noch zeit.

amanita, den beulenteil, hm, ja. ich wollte in diesen text auch das widersprüchliche beim "altwerden" packen, dieses sich alt und jung- zugleich-fühlen. das besser zu beschreiben, fällt mir ziemlich schwer.

rita, es geht hier nicht um das anliegen des herbstes, was das auch immer sein soll. zum anfang und zu dem zitat, kann ich dir nur sagen, dass ich im moment etwas rumexperimentiere mit freiem assoziieren, was dann durchaus solche wortspielereien hervorbringt oder diese zitate von texten, die mir einfallen. nun zum wortungetüm;)- das sollte schon ein ungetüm sein!

lg, evi

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nera
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Beitragvon nera » 02.10.2014, 00:22

ich habe mich entschlossen, das "wir" beizubehalten.

carl
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Beitragvon carl » 27.10.2014, 11:57

Hallo Evi,

ich bin ein Fan von Gedichten, die mitten drin abrechen!
Natürlich nur, wenn vorher so viel gesagt ist, dass für mich als Leser eine Tür aufgestoßen wurde...

Klar, wer das Lyr. Ich ist. Morgendliche Visite vor dem Spiegel. Obwohl schon im Herbst, noch mit kindisch/ kindlichem Gemüt Fratzen schneidend. Fühlt sich innerlich noch neu und unbedarft, als ob das Leben immer noch ein try and error Lernfeld wäre, und wundert sich über die Verkehrs-Schäden. Dabei wird die Zeit knapp, auch mal zu Ergebnissen zu kommen!


Aber wer ist das Du?

"und werde hungrig
wenn du mich fütterst mit amselgesang"

Klasse!

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Beitragvon nera » 27.10.2014, 13:17

danke karl. das du war in diesem fall ein viel zu junger verehrer.;)

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noel
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Beitragvon noel » 27.10.2014, 16:25

ich mag die wortschöpfungen & ich mag das adjektiv herbststürmisch.
bei mir hakt da nichts.
die schilder-, beulen-, krähenfüße sind nicht ganz so verspielt, aber ich finde sie weder ausgelutscht noch banal.
ich mag es ganz einfach wie es ist
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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noel
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Beitragvon noel » 27.10.2014, 16:26

ach, das letzte wort, das UND hängt etwas zu sehr in der luft :)
hab ich doch noch etwas zu meckern gefunden :)
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nera
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Beitragvon nera » 27.10.2014, 16:44

noel, jetzt raff ich das erst, was carl mit abbrechen meint. merci. das und gehört eigentlich gar nicht zum text, sondern zum bild.


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