hinter dem vorhang

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 15.09.2010, 10:53

eintrag vom autor gelöscht
Zuletzt geändert von keinsilbig am 13.11.2010, 23:35, insgesamt 2-mal geändert.

Sam

Beitragvon Sam » 26.09.2010, 11:21

Hallo keinsilbig,

ich denke, es ist sehr schwierig, zu diesem Gedicht etwas zu sagen. Das ist m.E. nur dann möglich, wenn man mit dem Asperger Syndrom insoweit vertraut ist, als dass man weiß, was es heißt, eine emotionale Beziehung zu jemanden zu haben, der dieses Syndrom hat. Ansonsten verbleibt es auf der Ebene des theoretischen Wissens und der Leser bleibt außen vor, kann die beschriebene Dinge nur als gegeben hinnehmen.

Ich habe einmal sechs Monate einen jungen Kollegen gehabt, der (so sagten es uns seine Eltern - er selber sprach nie darüber) Asperger hatte. Das war nicht unproblematisch, aber eben auf einer ganz anderen Ebene, wie du hier im Gedicht darstellst, weil es mehr um so ganz banale Dinge wie Pünktlichkeit und Flexibilität in Verbindung mit bestimmten Arbeitsabläufen ging. Ich kann aber auch aus meiner persönlichen Erfahrung heraus nicht wirklich eine Brücke zu deinem Gedicht schlagen. Dessen Bilder bleiben im Raster des theoretischen Wissens hängen, bestätigen es zwar, aber wirken nicht darüber hinaus.

Gruß

Sam

Quoth
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Beitragvon Quoth » 26.09.2010, 12:30

Hallo, Kleinsilbig,
ich muss das, was Sam sagt, bestätigen. Asperger ist ein ziemlich großer Symptomkomplex, der hier nur ansatzweise dargestellt wird. Wird gern als "milde Variante" des Autismus beschrieben. Habe mich in familiärem Zusammenhang damit beschäftigt und u.a. Daniel Tammet und sein famoses Buch "Born on a Blue Day" dadurch kennengelernt - das ich jedem, der mehr darüber wissen will, nur empfehlen kann.
Wie wäre es, wenn Du einfach einen anderen Titel nähmst? Die Grenze zwischen einem Asperger-Autismus und starker Selbstbezogenheit ist so fließend! Ich habe mal einen dieser Fragebögen ausgefüllt, nach denen man herausfinden können soll, ob man Asperger hat oder nicht - ich war ziemlich nahe dran. Dein Text kann und soll das Syndrom nicht erschöpfend behandeln - warum dann den Namen darüberstellen? Besser wäre es, wenn sich Leser fänden, die sagen: "Sowas hab ich auch erlebt - mit einem Partner, der Asperger hatte." Selbst drauf kommen lassen!
Interessant, wie Du die Strophen durch Reimpaare verbunden hast, die dann zugleich durch den Strophenabstand gedehnt werden! Da sehe ich auf der Suche nach einer formalen Entsprechung zu dem Verbundenen, das getrennt wird.
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 26.09.2010, 12:46

Quoth hat geschrieben:Wie wäre es, wenn Du einfach einen anderen Titel nähmst? Die Grenze zwischen einem Asperger-Autismus und starker Selbstbezogenheit ist so fließend! Ich habe mal einen dieser Fragebögen ausgefüllt, nach denen man herausfinden können soll, ob man Asperger hat oder nicht - ich war ziemlich nahe dran. Dein Text kann und soll das Syndrom nicht erschöpfend behandeln - warum dann den Namen darüberstellen? Besser wäre es, wenn sich Leser fänden, die sagen: "Sowas hab ich auch erlebt - mit einem Partner, der Asperger hatte." Selbst drauf kommen lassen!
Interessant, wie Du die Strophen durch Reimpaare verbunden hast, die dann zugleich durch den Strophenabstand gedehnt werden! Da sehe ich auf der Suche nach einer formalen Entsprechung zu dem Verbundenen, das getrennt wird.




Danke, Sam und Quoth,

Eure Kommentare zeigen mir auf, wo es spießt.

"Selbst drauf kommen lassen" ist vermutlich wirklich das geeignete hier.

Noch dazu, wo es mir gar nicht - aber das hab ich erst durch eure Kommentare hier erkannt - gar nicht um die eindeutige Zuordenbarkeit der von mir geschilderten Situation zu dem besonderen Syndrom geht. Das tut es zwar für mich persönlich, weil ich gerade durch eine Erkenntnisphase gehe, die mich als Partnerin betrifft - doch letztlich geht es um das Festhalten von Momenten, die mich jahrelang an der Beziehung haben ver-zweifeln lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Nun gibt es eine Erkärung und ein Nebel, der zwar da aber nie sichtbar für mich war, ist dabei, sich aufzulösen... Doch das Gedicht, wie es für Außenstehende da steht, sollte wirklich nur einen dieser Gefühlsmomente beschreiben. Einer, der für mich mehr Gewicht hat als es für den Unbetroffenen haben kann. Schon klar. Insofern sollte ich mich fragen, ob der Text dann überhaupt "öffentlichkeits-tauglich" ist und nicht an dem für mich Wesentlichen verliert...

Es ging mir nicht um eine besonders "gelungene" und "typische" Beschreibung für Asperger, die mein Text leisten sollte. Eure Ausführungen erklären ohnehin schon perfekt, warum das gar nicht funktionieren kann. Es ging mir um die Beschreibung dieses speziellen Moments, der sich für mich als Partnerin eines Asperger-Betroffenen (wenn eben auch eher in diesem "Grenzbereich", wo man auf den ersten Blick von "Macken" sprechen möchte, die nun mal jeder so hat... aber manches ist "speziell" und es sind einzelne, stets wiederkehrende, winzige Momente - wie dieser - die dann doch auf mehr hindeuten als eben mal so ein wenig Gefühllosigkeit im verbreiteteren Stil...)

Ich werde also den Titel ändern.

Danke übrigens für das Wahrnehmen des Zusammenhangs von Form und Thema. Das freut mich sehr!

Eine Frage an dich hätte ich noch, @Sam.
Du schreibst:
Ansonsten verbleibt es auf der Ebene des theoretischen Wissens und der Leser bleibt außen vor, kann die beschriebene Dinge nur als gegeben hinnehmen.


Als gegeben hinzunehmen, wenn einem jemand etwas aus seiner Sicht "be-schreibt" sehe ich nicht grundsätzlich als falsch. Oder meintest du das hier speziell in Bezug auf das Thema "Asperger" und ob ich es nun tatsächlich richtig dargestellt habe? Womöglich auch noch nur rein "theoretisierend"? (Wäre letzteres der Fall, würde ich deiner Kritik Recht geben. Ich persönlich schreibe aber nicht von Dingen auf Gefühlsebenen, die ich nicht mit Authentizität versehen würde können. Ich ging davon aus, dass das auch sonst eher unüblich ist und auch so angenommen wird...).


Lieber Gruß,

keinsilbig

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leonie
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Beitragvon leonie » 26.09.2010, 12:55

Liebe keinsilbig,

Erstaunlich, was so eine Titeländerung bewirkt! Ich habe das im ersten Moment für einen anderen Text gehalten.
Mir ging es auch so, dass ich das Gefühl hatte, ich kann dazu mangels Erfahrung wenig sagen.
So öffnet sich der Text, ich habe das Gefühl, das habe ich auch schon erlebt. Auch wenn es dabei vielleicht nicht um Asperger ging. Dieses "Sich den andern vom Leib halten aus Angst vor seinen und den eigenen Gefühlen (vermutlich ist es ja beides) gibt es auch in andern Zusammenhängen, denke ich.

Ich finde, Du hast das gut beschreiben und auch gut gestaltet in Deinem Gedicht!

Liebe Grüße

leonie

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 26.09.2010, 13:05

Lieben Dank, leonie,


ja - erstaunlich, was der Titel ändert. (Ich hätte meinem Bauchgefühl gleich trauen sollen und ihn nicht "beim Namen nennen"... aber vermutlich war da die Distanz zur Thematik noch nicht ausreichend gegeben)

Als mittlerweile (zwangsweise) etwas informiertere kann ich dir bestätigen, dass unterschieden wird in "anerzogenes Asperger" (also das, was du beschreibst) und "neuronal bedingtes", also nicht behebbare Mängel im Gefühlssektor des Gehirns. Meistens aber ist beides mitbeteiligt und das macht es so schwer eine Diagnose zu stellen, die eindeutig Aufschluss gäbe über das, was noch als Verhaltensmuster (wenn auch nicht so gefühlt wie von den NTs (NeuroTypischen Menschen) "erlernbar" ist für Betroffene und was nicht.

Letztlich ist auch nicht wichtig, was es nun wirklich ist und wie "heilbar", sondern es geht darum, dass alle Beteiligten erkennen können, was in ihrer Kommunikation bisher aus welchen Gründen zu Kränkungen, Missverständnissen und dem Gefühl des Allein-gelassen-Werdens in sorgenvollen Krisenzeiten z.Bsp. geführt hat. Man muss eine neue Sprache lernen. Eine, bei der sich beide in der Mitte treffen. Nur, dass diese Mitte näher am Betroffenen liegen muss... (ich hoffe, das war jetzt verständlich *smile).

Danke für deine schöne Rückmeldung. Dann lass ich es jetzt so.


Lieber Gruß,

keinsilbig

Sam

Beitragvon Sam » 26.09.2010, 17:16

Quoth Idee, den Titel zu ändern, war der beste Vorschlag, den man machen konnte. So wie Leonie das schon bemerkte, es steht da nun ein ganz anderes Gedicht, das, so meine ich, nun einer Vielzahl von Lesern offensteht.

Gruß


Sam

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 26.09.2010, 17:32

ja, Sam,


das seh ich auch so.
Danke für die liebe Rückmeldung!


Gruß,

keinsilbig

Quoth
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Beitragvon Quoth » 26.09.2010, 17:40

Hallo Keinsilbig,
hier für Interessierte der Selbsttest-Fragebogen nach Baron-Cohen zu Asperger. Kolleginnen und Kollegen, die zur Hypochondrie neigen, seien gewarnt!

Freut mich, dass ich mal einen praktikablen Vorschlag gemacht habe. Kommt nicht jeden Tag vor!
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.


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