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Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 23.04.2014, 01:41

Ich traf mich heute mit ihr im Café, wir tranken an der Theke einen Cappuccino. Fast ein Jahr hatte ich auf einen Orgasmus mit ihr gewartet: Jetzt war das Feuer aus.
Unzählige Male hatte sie mir, manchmal aus nichtigen Gründen, abgesagt. Einmal, zum Beispiel, sagte sie mir am Telefon, dass sie zu der Verabredung nicht kommen konnte, weil sie mit ihrem Mann einen Kasten Bier zum Keller tragen musste.
Ich wollte nicht vergessen, wie ich sie, in allen möglichen Formen, besessen hatte.
Jetzt saß sie neben mir in diesem Mode-Café. Zum ersten Mal glaubte ich, eine undichte Stelle an ihrem Panzer zu entdecken.
Ich sagte ihr, meine Pause wäre um, obwohl ich mir extra für sie den Tag freigenommen hatte.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.04.2014, 21:34

Hola Carlos,

über diese Stelle hab ich schallend gelacht. :mrgreen:
Klimperer hat geschrieben:Einmal, zum Beispiel, sagte sie mir am Telefon, dass sie zu der Verabredung nicht kommen konnte, weil sie mit ihrem Mann einen Kasten Bier zum Keller tragen musste.

Doch, um im Kontext zu bleiben, mich befriedigt diese Kurzgeschichte nicht. ,-) Ich hätte da gern mehr Budda bei de Fische, wie wir Hessen sagen.

Saluditos
Gabriella

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 24.04.2014, 02:36

Mich erinnert der kurze Text an meinen Bruder. Der hat sich jahrzehntelang in Frauen verliebt, die nicht für ihn zu haben waren, weil in festen Beziehungen. Sobald eine Änderung anstand und die jeweilige Frau für ihn in greifbare Nähe rückte, entliebte er sich schleunigst und suchte sich eine andere aus.

Vermutlich staut sich da soviel Begehren an, dass eine reale Begegnung gar nicht anders kann als enttäuschend auszufallen.

Ich mag den kleinen Text. Nur ist für meine persönliche Phantasie das "fast ein Jahr" Warten zuwenig, um ein solches Ende hervorzubringen.

Nachtgrüße
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 24.04.2014, 10:55

Liebe Gabriella, liebe Zefira!

Danke für eure Rückmeldungen.

Ich bin dabei, alte Tagebuchaufzeichnungen durchzugehen, die allerdings schon mit Hinsicht auf eine eventuelle Publikation geschrieben wurden. Als Gerüst für einen eventuellen Roman.

Dabei stelle ich fest, wie sehr ich mich selbst, als Mensch, verändert habe. Ich bin fast siebzig, die sexuelle Gier ist verschwunden, das Begehren ist eher psysicher Art. Ich bin eigentlich froh darüber, ich betrachte es als Befreiung von einer tyranischer Kraft. Selten spricht man so, die Konventionen wollen gerne eine ewig währende Potenz. Ich persönlich habe nur von Luis Bunuel, dem berühmten Filmregisseur, offen die Wahrheit darüber zu sagen gehört, in "Mein letzter Seufzer", seiner Autobiographie.

Es ist praktisch unmöglich, einen Text nur von seiner literarischen Seite zu urteilen, sich nur darauf zu beschränken. Immer wird auf den Inhalt hingewiesen, auf die Moral etc.

Durch diese Frau lernte ich, dass es Frauen gibt, die alle möglichen außerehelichen sexuelle Erfahrungen machen können, ohne sich von ihrem Ehemann wirklich zu distanzieren. Ich wollte nicht nur ihren Körper sondern ihr Herz gewinnen: Es gelang mir nicht.

Ich bin froh darüber, dass das Wort "macho" nicht bei euren Kommentaren auftauchte. Wie ihr seht, das habe ich wirklich längst hinter mir.

K.


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