R. 3

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 30.09.2014, 09:30

"Wenn Hitler nicht Hitler sondern Kräuter geheißen hätte, wie hätte man ihm zugerufen?" fragte mich Herr Plott. Ich wusste es nicht. Er sagte es und zeigte mir eine CD mit Texten von Karl Valentin.
Als ich da saß und in mein Tagebuch schrieb, gingen 4 Handwerker des Museums an mir vorbei, sie trugen eine schwere Kiste mit altem Porzellan. Sie keuchten und fluchten. Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut, aber sie verdienen mehr als ich und sind besser angesehen. Für uns, Museumswächter, empfinden die Menschen Mitleid oder Verachtung. Wir sind so nötig wie eine Schwimmweste im Totenmeer.
Nach Feierabend lief ich ein paar Schritte mit Henner zusammen. Ich wollte ihm den Witz von Karl Valentin erzählen, aber er kannte ihn schon: Herr Plott war schneller gewesen.
"Was liest Du im Moment?" fragte er mich. Seitdem er weiß, dass ich ein Tagebuch schreibe, ist er sehr vorsichtig mit dem, was er sagt. Er selbst liest einen Essay über Rimbaud. Er zitierte einen Satz von ihm und übersetzte ihn sogleich: "Ich bin ein Anderer".

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birke
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Beitragvon birke » 01.10.2014, 08:58

auch dieses hier, eine scheinbar so unscheinbare episode mitten aus dem leben.
und doch steckt so viel drin.

diese kurzprosa-reihe "R. --- " finde ich bisher sehr gelungen, lieber carlos!

herzlich,
diana
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

ecb

Beitragvon ecb » 03.10.2014, 19:58

Dieser abgründige Humor Karl Valentins - davon findet sich oft auch etwas in deinen Texten.

Liebe Grüße
Eva

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 04.10.2014, 10:01

Ein schönes Wochenende wünsche ich dir, liebe Eva.

In uns allen steckt eine gute Dosis Humor. Das Leben, der Alltag macht das langsam kaputt.

Wenn man gar nicht mehr lachen, nicht man lächeln kann, ist man sogut wie tot.

Aber dieses Lachen, dieses Lächeln, ist nicht das Künstliche, dass man überall bei der Werbung sieht. Dieses ständige gut gelaunt sein. Das ist falsch. Der Mensch wird zur Maske.

Die Freude muss richtig aus dem Herzen, aus dem Bauch kommen.

Deine positive Kommentare zu meinen wirklich kleinen Texten tragen bei mir dazu bei.

Mvh
Carlos


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