Über die Herrschaft

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 26.07.2014, 10:03

Lange Zeit war ich von Seneca begeistert, bin es irgendwie immer noch, obwohl ich entdeckt habe, dass im Grunde meines Herzens ich kein Stoiker sondern ein Epikureer, nein, ein Hedoniker bin. Fast alle Schriften Senecas habe ich aufmerksam gelesen. Ich erinnere mich, dass ich ziemlich geschockt war, als ich verstand, dass alles, was er schrieb, nur für eine Elite bestimmt war, dass für ihn die Sklaven gar keine Rolle darin spielten.
Obwohl in Spanien, in Cordoba geboren, war Seneca durch und durch ein Römer, und als solcher tief mit der RES PUBLICA, mit dem Staat verbunden, einem wahren gigantischen Organismus dessen Wachstum nicht mehr gestoppt werden konnte. Er lebte in einer Zeit, in der Rom aufgehört hatte, eine Demokratie zu sein: Einige Jahrhunderte nach der Vertreibung von Tarquinius Superbus war der REX, unter dem Titel CAESAR zurückgekehrt.
"Quo vadis" war mein erster Kontakt mit dem römischen Imperium, wobei ich glaube, dass der Höhepunkt in diesem Film der Kampf des Beschützers von Lidia mit einem Stier ist, ein Kraftakt also und nicht die frühchristliche Ergebenheit. Auch "Ben Hur" degeneriert nach dem Wagenrennen.
Seneca brachte sich um, auf Geheiß von Nero, seines ehemaligen Schülers; sein Leibarzt öffnete ihm die Pulsadern, in einer Badewanne mit sehr warmem Wasser; das alte Blut wollte nicht fließen.
Der Stoizismus Senecas ist eigentlich die Resignation eines untergehenden Imperiums, Vorahnung des Todes. Einige Jahrhunderte lang hat man den Traum von Demokratie erlebt, die Macht des Gesetzes, den Senat, zwei für nur ein Jahr gewählte Konsuln. Dann kam dieser Konsul, der keinen anderen an seiner Seite duldete, der reif für die absolute Macht war. In einem Verzweiflungsakt bringen die Senatoren ihn um, in der Hoffnung, die Republik so retten zu können. Paradoxerweise, durch die Ermordung Caesars macht man den Weg für Caesar frei.
Die absolute Macht, der absolute Herrscher ... Außer Mark Aurel war vielleicht Fidel Castro der einzige gute absolute Herrscher.
Heutzutage machen die Umstände es schwierig, ein absoluter Herrscher zu werden. Die ganze Welt schaut zu, man ist sogar in der Lage, zweitrangige Diktatoren zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Die permanente Gefahr eines Atomkrieges lassen Illusionen von Weltbeherrschung von vorneherein platzen. Die Natur, die Umwelt, die Energiequellen gehen zu Grunde. Das Theater, in dem dieser ganze Zirkus stattgefunden hat, droht einzustürzen.
Es wird kein zweites Rom geben.

SanchoPanza

Beitragvon SanchoPanza » 07.08.2014, 10:31

Hi Carlos,
ich mag Deine "Imperiumstexte". Du führst mich direkt in das Forum (diesesmal das römische Forum) und ich denke ich stehe in der Gruppe der Senatoren und sehe zu. Du hast mal erwähnt, dass Du schon etwas älter bist. Aber so alt kann das auch nicht sein. Ich habe nämlich das Gefühl Du warst damals dabei...

Sehr gut beschriebene Situationen des damaligen Verständnisses von Demokratie.
Gruss
Kurt

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 08.08.2014, 16:28

Danke, lieber Kurt!

"Don Quijote" würde als Künstlername besser zu deiner literarischen Tätigkeit passen.

Danke, dass du, trotz "pausa veraniega" Zeit findest, dich mit meinen kleinen Sachen zu beschäftigen.

Übrigens: Ich glaube, ich wäre auch einer der Senatoren gewesen, die zugeschaut haben ...

Un abrazo

Carlos

SanchoPanza

Beitragvon SanchoPanza » 12.08.2014, 13:04

Keine "Pausa".Wer stehen bleibt, der fällt zurück. :-)
Gruss
Kurt


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