Olaf will in den Süden

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Sam

Beitragvon Sam » 06.06.2007, 18:29

Olaf will in den Süden

Sich aus dem Staub machen, das wär’s. Auf und davon, Richtung Süden.
Die nackten Füße auf sonnenverbrannte Erde setzen, heißen Sand durch die Finger rieseln lassen und auf abenteuerliche Weise ganz und gar Herr seiner selbst sein. Wie der Marlboromann.
Aber noch verbringt er den größten Teil der Woche in einem Supermarkt. Füllt Regale auf, sitzt an der Kasse, wechselt die Behälter des Leergutannahmeapparates. Seit drei Jahren nun schon. Als Kollegen hat er nur dicke, geschiedene Frauen über vierzig. Und als Chef einen Supermarktleiter. Ein kleiner Mann, naturgemäß. Alle Supermarktleiter sind kleine Männer, die es anderswo zu nichts gebracht haben. Supermarktleiter ist der Versagerjob schlechthin. Dafür muss man nichts können. Man muss nur bereit sein 80 Stunden in der Woche zu arbeiten. Ansonsten kann man nach Belieben ein Arschloch sein und seine Untergebenen anmaulen wo sie gehen und stehen. Die Kontrolleure von der Firmenzentrale, die so von Zeit zu Zeit auftauchen, fragen nicht, ob der Supermarktleiter ein Arschloch ist. Das setzen die voraus. Die würden sogar Orks einstellen. Hauptsache der Markt ist voll und sauber.


Ein Supermarkt ist wie eine Futterrinne in einem Schweinestall, denkt er. Die Menschen werden hierher getrieben durch Instinkt, Faulheit und Gier. Dabei würde niemand in einen Supermarkt gehen, wenn er nicht müsste. Er kann sich keinen unfreundlicheren Ort vorstellen. Nirgends sonst werden lebensnotwendige Dinge so lieblos angeboten.

Seit einiger Zeit trifft er sich mit dem neuen Lehrmädchen (also sind nicht alle Kollegen über vierzig) und hat das Gefühl auf sie aufpassen zu müssen. Aber der Süden ruft.

Manchmal verkaufen sie Billigtickets nach Mallorca oder Thessaloniki. Dann sitzt er an der Kasse, zieht die Tickets über den Barcodeleser und fühlt sich wie ein Grenzbeamter, der Leute ausreisen lässt, während er selber da bleiben muss.
Was er will, ist in den Sonnenuntergang reiten. Aber er hat noch nicht mal einen Sonnenuntergang. In der Siedlung, in der er wohnt, gibt es so was nicht. Da gibt es nur Lichtstunden, wenn die Sonne über den Wohntürmen steht.
Einmal versuchte er es mit zwei Wochen Türkei. All-Inclusive. Das war alles furchtbar gut, nette Leute überall und er traf sogar eine, die ihm noch Wochen später E-Mails schrieb. Aber im Grunde war das nur Urlaub wie RTL II gucken. Und hatte mit seinem Süden so gar nichts zu tun.

Eines Abends erzählt er dem neuen Lehrmädchen von seinem Süden. Sie hört zu und fragt ihn dann, ob er sie mitnehmen würde.
Da muss er überlegen. Schließlich ist sein Süden eigentlich sehr klein. In Wirklichkeit ist es so ein kleiner Süden, dass er gerade mal selber hineinpasst. Und er sagt, mal sehen.

Am nächsten Morgen wacht er auf und denkt sich:
Sich aus dem Staub machen, das wär’s.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 06.06.2007, 19:57

Hi Sam.

Als Kollegen hat er nur dicke, geschiedene Frauen über vierzig.

ungelenk

"Seine Kollegen sind dicke…." würde ich bevorzugen… eliminierte auch die vorgekaute Wertung "nur"

Seit einiger Zeit trifft er sich mit dem neuen Lehrmädchen (also sind nicht alle Kollegen über vierzig) und hat das Gefühl auf sie aufpassen zu müssen. Aber der Süden ruft.

Liest sich ein bisschen wie ein Autorentaschenspielertrick … eingeflickt, um die Pointe zu stärken. Die Einführung gefällt mir nicht… die Pointe "mit ihr" ist aber sehr stark…zwar eigentlich zu abstrakt gedacht für diese Figur, die sich ja anfänglich in haltloses Klischeedenken verstrickt und ja auch eine klare, "bodenständige" Marlborowerbefreiheitsvision verfolgt.

"mal sehen" -> sehr stark.

Den "Supermarktleiterausflug" verstehe ich nicht. Warum nimmt er so viel Raum ein? Wie gängelt er seine An gestellten? Show do…. jaja

Das: "Und täglich grüßt das Murmeltier" "Doppelende" kommt auch gut.

Insgesamt ein starker Text.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 06.06.2007, 21:47

Lieber Sam,

Sich aus dem Staub machen, das wär’s. Auf und davon, Richtung Süden.
Die nackten Füße auf sonnenverbrannte Erde setzen, heißen Sand durch die Finger rieseln lassen und auf abenteuerliche Weise ganz und gar Herr seiner selbst sein. Wie der Marlboromann.
Klasses Klischee!

Seit drei Jahren nun schon.

Ist das wichtig? Mir kommt es wie Infodump vor hier.

Ein kleiner Mann, naturgemäß.
Steil!

Alle Supermarktleiter sind kleine Männer, die es anderswo zu nichts gebracht haben. Supermarktleiter ist der Versagerjob schlechthin.
Hmm ... ich finde das ist eine Doppelung. Eins davon langt.

Die Menschen werden hierher getrieben durch Instinkt, Faulheit und Gier. Dabei würde niemand in einen Supermarkt gehen, wenn er nicht müsste.
Ich würde den 2. Satz streichen oder genauer das getrieben/müsste durchdenken. Mir ist das unklar.

fühlt sich wie ein Grenzbeamter, der Leute ausreisen lässt, während er selber da bleiben muss.
Hier könnten die 3 Jahre rein.

Eines Abends erzählt er dem neuen Lehrmädchen von seinem Süden.
Schön!

Schließlich ist sein Süden eigentlich sehr klein. In Wirklichkeit ist es so ein kleiner Süden, dass er gerade mal selber hineinpasst. Und er sagt, mal sehen.
Gefällt mir sehr!

Überhaupt mag ich deinen Text gern.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Sam

Beitragvon Sam » 07.06.2007, 08:51

Hallo Nifl,

vielen Dank für deine Meinung!

Die Einfügung in Klammern - ein Autorentaschenspielertrick (sehr schön!!)?
Jein, würde ich sagen. Der Text ist ja rein aus Olafs sicht geschrieben, aber nicht von Olaf. Und genau an dieser Stelle mischt sich der Erzähler ein. wenn es denn ein Trick ist, dann er hat er den Zweck, dass er Olafs Sichtweise in wenig in Frage stellt. Nicht nur was die Kolleginnen angeht. Der Leser soll ruhig das Gefühl bekommen, dass eventuel etwas nicht ganz stimmt, an Olafs Sicht der Dinge - vielleicht sogar mit dem Text.

Die Einführung gefällt mir nicht… die Pointe "mit ihr" ist aber sehr stark…zwar eigentlich zu abstrakt gedacht für diese Figur, die sich ja anfänglich in haltloses Klischeedenken verstrickt und ja auch eine klare, "bodenständige" Marlborowerbefreiheitsvision verfolgt.

Als ich den Text andernorts zur Diskussion stellte, kam eine ähnliche Frage auf. Was für ein Typ ist dieser Olaf, zu welchen Gedanken ist er fähig, wenn er einer Marlborowerbefreiheitsvision (!!) folgt, RTL II guckt usw. Ich bin der Meinung, der arme Kerl wird ein wenig unterschätzt ;-)

Den "Supermarktleiterausflug" verstehe ich nicht. Warum nimmt er so viel Raum ein? Wie gängelt er seine An gestellten? Show do…. jaja

Nun ja, der Text arbeitet ja fast nur mit Tell und wenig Show. Diese Beschreibungen dienen der Festlegung des Umfeldes, in denen sich Olaf befindet. Und sie sind genauso klischeehaft und grobkörnig wie Olafs Einschätzung seiner Kolleginnen. Außerdem wäre Olafs einizige berufliche Perspektive in einem Supermarkt genau das zu werden - ein Supermarktleiter. Es geht hier ja auch um die Ausformulierung oder Darstellung eines Sackgassengefühls.

Nochmals Danke für deine Anregungen und deine Kritik. Natürlich auch für deine abschließende Einschätzung des Textes. ;-)



Hallo Elsa,

auch dir herzlichen Dank für's Lesen und dass du dich zu dem Text geäussert hast!


Zitat:Seit drei Jahren nun schon.

Ist das wichtig? Mir kommt es wie Infodump vor hier.

Ich denke schon, dass es wichtig ist. Gerde im Hinblick auf das Ende, das ja in einer Art Endlosschleife mündet. Es macht schon einen Unterschied, im Hinblick auf die Person Olaf, ob er diesen Job erst ein paar Monate macht oder schon einige Jahre.

Zitat:Ein kleiner Mann, naturgemäß.
Steil!

Kleine Verbeugung vor T.B., meinem Lieblingsösterreicher (neben meiner Frau natürlich ;-) )


Zitat:Alle Supermarktleiter sind kleine Männer, die es anderswo zu nichts gebracht haben. Supermarktleiter ist der Versagerjob schlechthin.
Hmm ... ich finde das ist eine Doppelung. Eins davon langt.

Ja, da werde ich nochmal drüber nachdenken. Obwohl eine Dopplung im Sinne von Verstärkung (hier der Abneigung Olafs seinem Chef oder auch der Position gegenüber) schon angebracht sein könnte. Grübel.....

Zitat:Die Menschen werden hierher getrieben durch Instinkt, Faulheit und Gier. Dabei würde niemand in einen Supermarkt gehen, wenn er nicht müsste.
Ich würde den 2. Satz streichen oder genauer das getrieben/müsste durchdenken. Mir ist das unklar.

Auch hier hast du nicht ganz unrecht. Vielleicht müsste das Wörtchen "Dabei" raus, vielleicht der ganze Satz. Auch hier: Grübel.......

Danke schön für diese Anregungen! Und natürlich freut es mich sehr, wenn du sagt, dass dir der Text gefällt


Liebe Grüße

Sam

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 07.06.2007, 14:03

Lieber Sam,

wirst du eine Überarbeitung machen und uns zeigen? Oder bleibt es so?

Neugierige Grüße,
ELsa
Schreiben ist atmen

Sam

Beitragvon Sam » 07.06.2007, 19:22

Hallo liebe Elsa,

ja, ich werde aufgrund eurer Anregungen noch etwas dran feilen und dann eine leicht veränderte Version einstellen. Das kann aber noch ein wenig dauern, weil ich ein sehr langsamer Schreiber (und Überarbeiter) bin.

Liebe Grüße

Sam

Max

Beitragvon Max » 07.06.2007, 21:35

Lieber Sam,

da ich im Grunde meines Herzens ein sehr fauler mensch bin, habe ich die vorhergehenden Kommentare nicht gelesen und auch Deine Antworten nicht. Entschuldige also, wenn etwas doppelt oder dreifach kommt:

Sich aus dem Staub machen, das wär’s.


Das gefällt mir, weil Du es am Schluss wieder aufnimmst, auch, weil Du danach erstmal ein Klischee ans andere reihst, man sich als Leser fragt, wieso Du ein so fragwürdiges Bild unterstützt und einem dann klar wird, dass es daher kommt dass eben Olaf den Süden nicht kennt.

[/quote]
Als Kollegen hat er nur dicke, geschiedene Frauen über vierzig.
[/quote]
Seine Kollegen sind ausschließlich ... hätte ich gesagt und dann vielelicht noch besser Kolleginnen, ach ich weiß es nicht.

Und als Chef einen Supermarktleiter.

Das wirkt komisch .. natürlich ist sein Chef ein Supermarktleiter, was denn sonst.



Ein kleiner Mann, naturgemäß. Alle Supermarktleiter sind kleine Männer, die es anderswo zu nichts gebracht haben. Supermarktleiter ist der Versagerjob schlechthin. Dafür muss man nichts können. Man muss nur bereit sein 80 Stunden in der Woche zu arbeiten. Ansonsten kann man nach Belieben ein Arschloch sein und seine Untergebenen anmaulen wo sie gehen und stehen. Die Kontrolleure von der Firmenzentrale, die so von Zeit zu Zeit auftauchen, fragen nicht, ob der Supermarktleiter ein Arschloch ist. Das setzen die voraus. Die würden sogar Orks einstellen. Hauptsache der Markt ist voll und sauber.


Da ich vor einigen Jahren (aber sooo lange ist es auch nicht her) in den Semesterferien in einem gewerkschaftseigenen Supermarkt jobben durfe (für 6,50 DM die Stunde - das war auch damals wenig), weiß ich, dass das eine sehr gelungene Beschreibung eines Supermaktchefs ist - besonders aus Sicht der Mitarbeiter.

Dabei würde niemand in einen Supermarkt gehen, wenn er nicht müsste. Er kann sich keinen unfreundlicheren Ort vorstellen. Nirgends sonst werden lebensnotwendige Dinge so lieblos angeboten.


Hm, ich bräuchte jetzt ein bißchen (weibliche) Unterstützung: ich glaube das stimmt nicht ;-) [ich höre schon die "Chauvi"-Rufe].

Seit einiger Zeit trifft er sich mit dem neuen Lehrmädchen (also sind nicht alle Kollegen über vierzig) und hat das Gefühl auf sie aufpassen zu müssen.


Schön, wie Du hier ironisch Distanz zum Protagonisten nimmst.


Manchmal verkaufen sie Billigtickets nach Mallorca oder Thessaloniki. Dann sitzt er an der Kasse, zieht die Tickets über den Barcodeleser und fühlt sich wie ein Grenzbeamter, der Leute ausreisen lässt, während er selber da bleiben muss.

Die Beschreibung gefällt mir.

Was er will, ist in den Sonnenuntergang reiten. Aber er hat noch nicht mal einen Sonnenuntergang. In der Siedlung, in der er wohnt, gibt es so was nicht. Da gibt es nur Lichtstunden, wenn die Sonne über den Wohntürmen steht.



Das erinnert mich zu sehr an den Anfang.


Das Ende hingegen

Eines Abends erzählt er dem neuen Lehrmädchen von seinem Süden. Sie hört zu und fragt ihn dann, ob er sie mitnehmen würde.
Da muss er überlegen. Schließlich ist sein Süden eigentlich sehr klein. In Wirklichkeit ist es so ein kleiner Süden, dass er gerade mal selber hineinpasst. Und er sagt, mal sehen.Am nächsten Morgen wacht er auf und denkt sich:
Sich aus dem Staub machen, das wär’s


finde ich seine schöne Abrundung.

Liebe Grüße
max

Sam

Beitragvon Sam » 08.06.2007, 18:33

Hallo Max,

danke, dass du, obwohl im Grunde deines Herzens ein fauler Mensch (wie ich!!!!!), dir trotzdem die Zeit genommen hast, etwas zu dem Text zu sagen.

Den Kolleginnen-Satz hat ja Elsa auch scon angesprochen. DA bin ich gerade einbisschen am nachgrübeln.

Zitat:
Und als Chef einen Supermarktleiter.

Das wirkt komisch .. natürlich ist sein Chef ein Supermarktleiter, was denn sonst.

Sicher. Aber die nachfolgende Zeilen beschreiben ja den Supermarktleiter als eigene Spezies. Theoretisch könnte man also auch in einer Werbeagentur einen Supermarktleiter als Chef haben (was bei mir sogar einmal der Fall war :-) )

Aber dass du meiner Beschreibung eines Supermarktleiters beipflichtest, freut mich doch sehr. Wobei es da natürlich auch Ausnahmen gibt (oder?).

Was Olafs Einschätzung eines Supermarktes als Futterinne angeht, so gebe ich ihm auch nicht recht. Aber es ist seine Meinung und die muss ich als sein Autor respektieren.

Was mich sehr freut, ist dass dir der ironische Einschub in Klammern gefällt. Dieses auf Distanz gehen des Erzählers habe ich besonders gern. Viele Leser leider nicht. Da ist es schön, wenn man diesbezüglich auch mal Zustimmung bekommt.

Danke nochmal für deine Anregungen, eine zweite Version ist in der Mache. Mal sehen, was draus wird.

Liebe Grüße

Sam

Herby

Beitragvon Herby » 08.06.2007, 22:46

Hallo ….


Was mir an Deinem Text gut gefällt ist einerseits die Diskrepanz zwischen (unerreichbarem?) Traum und trister Wirklichkeit sowie andererseits der Umgang mit dem völlig überfrachteten Klischee des Südens.

auf abenteuerliche Weise ganz und gar Herr seiner selbst sein.


Dieser Wunsch ist verständlich angesichts des Lebens des Protagonisten, scheint aber auch zur Unerfüllbarkeit verdammt zu sein, wobei nach meinem Leseempfinden die Gründe hierfür eher in der Person Olafs zu liegen scheinen als in der rein theoretisch vielleicht ohnehin kaum realisierbaren Umsetzung seins Wunsches. Sein Versuch mit All - Inclusive finde ich in dem Zusammenhang sehr vielsagend. Mit anderen Worten: jemand wie Olaf wird nie Herr seiner selbst sein, selbst wenn seine Antwort „mal sehen“ (bedeutet ja wohl eine höfliche Umschreibung für „Nein, danke“) an das Lehrmädchen das vielleicht glauben machen mag.

Über einen Satz bin ich gestolpert:

Und als Chef einen Supermarktleiter


Das klingt für mich so, als sei es etwas Außergewöhnliches, dass der Chef eines Angestellten in einem Supermarkt der Leiter des selbigen ist. In Wirklichkeit willst du aber doch darauf hinaus, dass es ein Mann ist, wie ja auch der folgende Satz zeigt. Wäre es eine Möglichkeit, hier Sätze zusammen zu ziehen, wie etwa:

Und als Chef einen, wie sollte es anders sein, kleinen Mann. Alle Supermarktleiter …

Das waren jetzt ein paar Gedanken, die mir bei Deinem Text, den ich gerne gelesen habe, durch den Kopf gingen. Vielleicht kannst Du etwas anfangen damit. Zum Schluss muss ich noch um Nachsicht bitten, solltest Du jetzt etwas zum Xten Male gelesen haben, aber ich war hitzebedingt zu träge, die anderen Kommentare zu lesen :neutral:

Liebe Grüße
Herby

Herby

Beitragvon Herby » 08.06.2007, 22:47

Hallo Sam,

Was mir an Deinem Text gut gefällt ist einerseits die Diskrepanz zwischen (unerreichbarem?) Traum und trister Wirklichkeit sowie andererseits der Umgang mit dem völlig überfrachteten Klischee des Südens.

auf abenteuerliche Weise ganz und gar Herr seiner selbst sein.


Dieser Wunsch ist verständlich angesichts des Lebens des Protagonisten, scheint aber auch zur Unerfüllbarkeit verdammt zu sein, wobei nach meinem Leseempfinden die Gründe hierfür eher in der Person Olafs zu liegen scheinen als in der rein theoretisch vielleicht ohnehin kaum realisierbaren Umsetzung seins Wunsches. Sein Versuch mit All - Inclusive finde ich in dem Zusammenhang sehr vielsagend. Mit anderen Worten: jemand wie Olaf wird nie Herr seiner selbst sein, selbst wenn seine Antwort „mal sehen“ (bedeutet ja wohl eine höfliche Umschreibung für „Nein, danke“) an das Lehrmädchen das vielleicht glauben machen mag.

Über einen Satz bin ich gestolpert:

Und als Chef einen Supermarktleiter


Das klingt für mich so, als sei es etwas Außergewöhnliches, dass der Chef eines Angestellten in einem Supermarkt der Leiter des selbigen ist. In Wirklichkeit willst du aber doch darauf hinaus, dass es ein Mann ist, wie ja auch der folgende Satz zeigt. Wäre es eine Möglichkeit, hier Sätze zusammen zu ziehen, wie etwa:

Und als Chef einen, wie sollte es anders sein, kleinen Mann. Alle Supermarktleiter …

Das waren jetzt ein paar Gedanken, die mir bei Deinem Text, den ich gerne gelesen habe, durch den Kopf gingen. Vielleicht kannst Du etwas anfangen damit. Zum Schluss muss ich noch um Nachsicht bitten, solltest Du jetzt etwas zum Xten Male gelesen haben, aber ich war hitzebedingt zu träge, die anderen Kommentare zu lesen :neutral:

Liebe Grüße
Herby

Sam

Beitragvon Sam » 09.06.2007, 08:22

Hallo Herby,

vielen Dank für deine Meinung zum Text!

Was mir an Deinem Text gut gefällt ist einerseits die Diskrepanz zwischen (unerreichbarem?) Traum und trister Wirklichkeit sowie andererseits der Umgang mit dem völlig überfrachteten Klischee des Südens.


Zitat:auf abenteuerliche Weise ganz und gar Herr seiner selbst sein.


Dieser Wunsch ist verständlich angesichts des Lebens des Protagonisten, scheint aber auch zur Unerfüllbarkeit verdammt zu sein, wobei nach meinem Leseempfinden die Gründe hierfür eher in der Person Olafs zu liegen scheinen als in der rein theoretisch vielleicht ohnehin kaum realisierbaren Umsetzung seins Wunsches.


Das finde ich eine treffende und sehr gut formulierte Einschätzung Olafs und seines Südens. Vielen Dank dafür!!

Den Satz mit dem Supermarktleiter als Chef hat Max schon angesprochen. Der Satz ist bewusst so geschrieben, weil daraufhin der Supermarktleiter als eine Art eigene Spezies beschrieben wird. Es ist also Ironie und passt m.E. ganz gut in den Duktus, in dem der gesamte Text gehalten ist.

Zum Schluss muss ich noch um Nachsicht bitten, solltest Du jetzt etwas zum Xten Male gelesen haben, aber ich war hitzebedingt zu träge, die anderen Kommentare zu lesen

Kein Problem. Ich freue mich über jeden Leser, der etwas zu dem Text sagt. Und wenn sich Dinge wiederholen, ist das ja oftmals ein recht guter Hinweis, sich betreffende Stelle nochmals genau anzusehen.

Nochmals herzlichen Dank!

Liebe Grüße

Sam

Gast

Beitragvon Gast » 09.06.2007, 12:32

Lieber Sam,

mir gefällt dein Prosastückchen, das nicht nur eine besondere Spezies, den Leiter eines Supermarktes feinfühlig charakterisiert, sondern das merkwürdige Verbraucherverhalten kurz unter dei Lupe nimmt.
Ich picke mir noch etwas heraus, was vielleicht noch nicht besprochen wurde.
Sam hat geschrieben:Ein Supermarkt ist wie eine Futterrinne in einem Schweinestall, denkt er. Die Menschen werden hierher getrieben durch Instinkt, Faulheit und Gier. Dabei würde niemand in einen Supermarkt gehen, wenn er nicht müsste. Er kann sich keinen unfreundlicheren Ort vorstellen. Nirgends sonst werden lebensnotwendige Dinge so lieblos angeboten.

Mit dem unfreundlichen Ort geb ich dir völlig Recht, obwohl sich da in den letzten 20 Jahren eine Menge getan hat. Aber allein das künstliche Licht, das den ganzen Tag eine völlig unwirklich lebenfremde, wenn nicht -feindliche Atmosphäre konserviert.
Mit dem lieblosen Angebot hast du für eine gewisse Sparte dieser Ladenketten genauso Recht.
Erst dachte ich "Instinkt" würde nicht passen, aber doch, ja, - leider - auch da liegst du richtig.

Du hast das Klischee eines solchen Marktleiters nicht bedient, aber benutzt, um unter der Oberfläche eines solchens Menschen zu recherchieren ;-)
Es ist dir auf ironische Art und Weise sehr gut gelungen, dass ich für diesen Menschen Sympathie entwickeln kann. Ich schau den Marktleiter in meiner Nähe demnächst mal mit anderen Augen an.

Für mich ist der "Marlboromann" obsolet, da würde ich vielleicht einen anderen Vergleich ziehen, z. B. mit einem Kaptitän.

Liebe Grüße
Gerda

Sam

Beitragvon Sam » 09.06.2007, 19:09

Hallo Gerda,

herzlichen Dank für deinen Kommentar.

Ich freu mich sehr über deine Zustimmung was die Beschreibung des Supermarktleiters und auch das Verbaucherverhalten angeht. Da du aber in deinem Kommentar MIR recht gibst, will ich nur kurz richtig stellen, dass der Text Olafs Meinung über Supermärkte widerspiegelt, nicht explizit meine. Ich gehe sogar sehr gerne in den Supermarkt. Ich gehe gern zum Aldi, weil es dort schön billig ist. Und ich gehe gerne ins große Kaufland, weil ich da in einer Reihe hundertaussend verschiedene Dinge sehe, die ich gerne mal probieren würde. Ich liebe diese langen Fleisch, Wurst und Käsetheken und auch die Weinregale, die nach Herkunftsländern sortiert sind.
Mit Supermarktleitern hatte ich mal vor etlichen Jahren beruflich zu tun. Von daher kann ich sagen, dass die Beschreibung so ganz daneben wirklich nicht ist.
Du schreibst dazu:
Du hast das Klischee eines solchen Marktleiters nicht bedient, aber benutzt, um unter der Oberfläche eines solchens Menschen zu recherchieren
Es ist dir auf ironische Art und Weise sehr gut gelungen, dass ich für diesen Menschen Sympathie entwickeln kann. Ich schau den Marktleiter in meiner Nähe demnächst mal mit anderen Augen an.

Eine für mich verwunderliche, aber hoch interessante Äusserung. Die ganze Beschreibung dient ja in erster Linie dazu, Olafs Haltung zu seiner Arbeit zu verdeutlichen, um dem Leser die Intensität seiner Südensehnsucht verständlich zu machen. Wenn es aber bei dir als Leserin dazu führt, über den Menschen Supermarktleiter, den man vielleicht sogar täglich sieht, nachzudenken, so lag das zwar nicht in meiner Absicht, ist aber sehr erfreulich.

Für dich ist der Malboromann obsolet. Schade! Es geht in dem Text ja auch darum, wie Olaf für sich selber versucht, den Süden zu definieren. Das kann er aber nur in Klischees, weil er den Süden ja gar nicht kennt. Er kämpft auf gewisse Weise ja schon an, gegen die Klischees, wenn er feststellt, dass All Inclusive in der Türkei nicht sein Süden ist. Ich werde den Text noch ein wenig überarbeiten, es kamen ja schon viele Anregungen. Aber ich hoffe, du bist nicht blöse, wenn ich sage, dass der Marlboromann drin bleibt - definitiv.

Nochmal vielen Dank dass du dir Zeit für diesen Text genommen hast!

Viele Grüße

Sam

Gast

Beitragvon Gast » 11.06.2007, 01:12

Lieber Sam,

warum sollte ich böse sein? Nein, ich verstehe doch deine Beweggründe für den Marlboromann.
Diese Figur aus der Werbung, schafft den direkten Bezug zur Vorstellung von der Freiheit, und sicher nicht nur der deines Protagonisten. Jahrzehnte, ist dieser Typus das Klischee für Freiheit und steht sicher auch für das was jedermann unter Süden versteht. Dass ich ihn nicht in meinen Text einbauen wollen würde, ist wieder eine andere Sache. Verzeih, das war eine reine Geschmacksäußerung.
Dann möchte ich noch schreiben, dass ich die Beschreibung der Sehnsucht nach dem Süden sehr gelungen finde. Dass ich das nicht explizit erwähnt habe, hängt irgendwo damit zusammen, dass ich dachte, dass dazu bestimmt meine Vorkommentatoren schon reichlich Rückmeldung gegeben haben, ;-)
ohne das ich mich jedoch davon überzeugt habe.

Liebe Nachtgrüße
Gerda

Was die langen Regale in den Verbrauchermärkten, mit den Angeboten aus aller Herren Länder angeht so muss ich gestehen, dass ich mich da noch nie wohl gefühlt habe. Ich sehe das ohnehin kritsch zwiespältig, gerade was Fleich "waren" angeht. Nein, ich bin nicht Vegetarierin. ;-) (Ich kauf da auch ein, so ist das nicht)
Das jetzt hier auszuführen, würde aber eine Diskussion, über Ethik Moral, Fairen Handel, Agrarsubventionen, Billiglöhne etc. nach sich ziehen, von deinem Text ablenken, einfach den Rahmen sprengen
:smile:


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