Diese paar Tage

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Max

Beitragvon Max » 06.04.2008, 23:38

Version A

Diese paar Tage

Du hältst deine Reuse ins Wasser
und meinst
die Handvoll Fische
seien das Meer

Und du ahnst, dass du irrst
denn die Fische ersticken an Land

Oder Du baust ein Haus
aus schiefem Stein
in die Fugen stopfst du Wörter
weil es sonst nicht hält

Und auch hier gehst du fehl:
Das Häuschen steht
dein Wort aber wird brüchig mit der Zeit


Oder du lebst im Zwielicht
zwischen Tag und Nacht
denn in der Sonne altert die Haut
und im Dunkel das Herz

Version B:

Diese paar Tage

Du hältst deine Reuse ins Wasser
und meinst
die Handvoll Fische
seien das Meer

aber die Fische ersticken an Land

Du baust ein Haus
aus schiefem Stein
in die Fugen stopfst du Wörter


Dein Wort aber wird brüchig mit der Zeit


Das Häuschen steht
Du lebst im Zwielicht
zwischen Tag und Nacht
in der Sonne altert die Haut
und im Dunkel das Herz


Version 2 verdanke ich Carl, eine weitere gestrichene Zeile, Annette. Die Überzeugungsarbeit in diese Richtung zu denken auch vielen anderen, merci :-)
Zuletzt geändert von Max am 11.04.2008, 21:52, insgesamt 3-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 08.04.2008, 20:05

Liebe Smile,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar und entschuldige, dass ich Dich zunächst vergessen zu haben schien.

Ja, in der Tat: es soll ein Erzählen aus dem Erfahren heraus sein. Wobei ich auch zugeben muss, dass dieses Gedicht eher unbewusst entstanden ist, ich kann die Worte zwar abwägen oder abwiegen, (wogen? wagen!), aber es ist nicht so, dass das Bild als ganzes vor mir gestanden hätte. Das sage ich vor allem, weil ein Gedicht, wenn man nachher dazu etwas sagt, so geplant klingt. Umgekehrt ist der Eindruck, dass der Text an sich noch nicht abgeschlossen ist auch richtig, denn die paar Tage sind ja noch nicht vorbei ... Es könnte vielleicht auch heißen: Vom Stand der Dinge.

Liebe Leonie,

hm, das "denn" könnte ich vielleicht opfenr, ich muss mal probieren. Aber dazu muss sich das Gedicht noch ein wenig setzen (und ich muss ein bißchen mehr Ruhe haben :-) ). Was Du über innere und äußerer Kommentare sagst: Kann es nicht sein, dass der Kommentar von außen von der gleichen Person kommt,die ihr Inneres schildert ... das gibt es doch, dass man von seinem Ich zurücktritt und sein Handeln beurteilt .. und trotzdem weiter so handelt, weil man eben man selbst ist.

Liebe Klara,

hm, wenn ... wenn .. also wenn ich Dir und Leonie zustimme, dass das

"hier gehst du fehl"

künstlich ist, dann ist Dein Vorschlag bestimmt eine Lösung, nur sicher bin ich mir noch nicht ... deshalb dauert eine zweite Version bestimmt auch noch ein wenig.

Mit dem "denn" gehst du auch konform mit Leonie, seid ihr am Ende dieselbe Person?

Liebe Annette,

die daoistische Weisheit gefällt mir seh :-). Ich kannte sie leider nicht (und kenne sie zum Glück jetzt. Deine Interpretation hat mir sehr gefallen ... ich habe ja oben weiter schon geschrieben, dass der Text nicht ganz bewusst entstanden ist, so dass ich jetzt selbst neugierig auf die Interpretationen bin.
Carls Version finde ich auch sehr stark, vielleicht stärker als meine usrprüngliche .. gebt mir noch ein paar Tage .... ich habe mich von dem Hinweis auf das Irren noch nicht ganz verabschiedet, denn der Text entstand als ich darüber nachdachte, ob sich Wahres sagen lässt.

Dass Du die letzte Situation nicht als Irrtum bezeichnest, stimmt mit meinem Gefühö überein ... viellecht sind ja dann auch die ersten nur "halbe" Irrtümer.

Lieben Dank für diese guten Kommentare
max

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 09.04.2008, 23:46

Max,

deine Bilder sind absolute spitze. Erkläre du mir bitte, warum das Ganze trotzdem ein bisschen hölzern wirkt. Auf mich. Ist es zu nah dran?

Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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annette
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Beitragvon annette » 10.04.2008, 08:45

Hallo Tom und Max,
meiner Meinung nach liegt das an dem etwas belehrenden Ton. Klara nannte es "väterlich oder älterer-Bruder-lich", ich meinte das mit "sentenzhaft".
Ich finde es grade nicht nah dran, sondern etwas wissend-distanziert, etwa so wie ein auktorialer Erzähler.

Gruß - annette

Max

Beitragvon Max » 10.04.2008, 09:43

Hi Tom,

ich glaube inzwischen auch, dass es an dem "hier irrst du .. " etc. liegt.

Da mir Carls Version super gefällt (besser, als hätte ich sie geschrieben :-) ), werde ich sie mal als Version 2 einstellen (mit großem Dank!).

Meint Ihr, das ist so besserß
Liebe Grüße
Max

Max

Beitragvon Max » 10.04.2008, 09:53

Liebe Tom, Klara, Annette, Smile, Leonie, Peter, Mucki und vor allem Carl,

ich habe Carls Version nun als Version 2 eingestellt. Nach einigem Probieren habe ich festgestellt, dass einiges, was ich dieser gegenüber noch ändern wollte, besser so bleibt.

Ich danke Carl und allen, die mich auf das Hölzerene des "hier irrst du " etc. hingewiesen haben und wäre auch bereit das Gedicht als Gemeinschaftsproduktion mit Carl unter dem Nick "Carlax" - oder, wenn ihr das Ruhrgebiet mögt, "Marl" - einzustellen ;-)

Danke
Max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 10.04.2008, 10:12

Hallo Max,

Nein!!!!
In Carls Version ist eine Härte und Endgültigkeit und auch eine Unverzeihlichkeit. Mir erscheint diese Version sehr kalt.
Als wäre das Gedicht nun einen Schritt weitergegangen und hätte den Schmerz und auch die Hoffnung, die noch darin steckte hinter sich gelassen. Wenn deine Version der Stand der Dinge war, sind nun diese paar Tage vorbei.

liebe Grüße smile
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 10.04.2008, 13:37

Liebe Smile,

das ist spannend:

Wenn deine Version der Stand der Dinge war, sind nun diese paar Tage vorbei.



Woraus liest Du das?

Liebe Grüße
Max

Nicole

Beitragvon Nicole » 10.04.2008, 17:07

Hi Max,
ich muß smile zustimmen. Der Version zwei fehlt das Weiche. Ich finde sie gut, keine Frage, aber die erste Version fand ich gefühlvoller, wehmütiger und smile hat es perfekt geschrieben, weniger endgültig. Ich gehe einen Schritt weiter: weniger resigniert.
Nicole

carl
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Beitragvon carl » 11.04.2008, 08:20

Hallo Max,

ich finde Annettes Einwand nachvollziehbar (überflüssige Zeile) und vor allem Smiles und Muckis Eindrücke!
Vielleicht genügt aber eine geringfügige Änderung?
"Aber die Fische (aus der Reuse) sterben an Land" ist ein konkretes Ereignis. Es geschieht.
"Doch Fische sterben an Land" ist ein Einwand, der das Ergebnis vorwegnimmt und es daher noch abwendbar lässt.
Vielleicht (um meinem Hang zur Symmetrie zu frönen):

Diese paar Tage

Du hältst deine Reuse ins Wasser
und meinst
die Handvoll Fische
seien das Meer

doch Fische ersticken an Land

Du baust ein Haus
aus schiefem Stein
in die Fugen stopfst du Wörter
Das Häuschen steht

Dein Wort aber wird brüchig mit der Zeit

Du lebst im Zwielicht
zwischen Tag und Nacht
in der Sonne altert die Haut
und im Dunkel das Herz

Da Bilder, Tonfall und Durchführung genuin mäxisch sind und überhaupt nicht carlinisch, sehe ich keinen Grund für Miturheberschaft ;-)
Trotzdem freut es mich! Carl

Max

Beitragvon Max » 11.04.2008, 09:07

Liebe Nicole, liebe Smile,

woher aber kommt dieses Gefühl, dass das Gedicht etwas verliert in der strengeren Version, sind es die fehlenden "Oder"?

Lieber Carl, liebe Annette,

ich hoffe, ich finde am Wochenende etwas Zeit mal genauer hinzusehen.

Liebe Grüße
Max

Klara
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Beitragvon Klara » 11.04.2008, 09:09

Hi Max,

Version 1 sucht (noch, wenn auch schon Resignation mitschwingt) das Gespräch (mit dem Du). "Ich" will so gerne klar machen, was "Ich" meint. Version 1 wirkt deshalb auf mich wärmer, unperfekter, suchender (trotz des "ich sag dir jetzt, wie es mit dir steht"-Anklangs).

Version 2 ist abschließender, wissender, endgültiger. Da sind diese paar Tage dann tatsächlich vorbei sozusagen. Vergangenheit. Andere Tage sind angebrochen. Zeit für ein neues Gedicht ,-)

Ich weiß nicht, welche Version mir besser gefällt.

Mit dem "denn" gehst du auch konform mit Leonie, seid ihr am Ende dieselbe Person?

Das wäre mir neu, aber woher soll ich wissen, was ich alles nicht weiß? Möglicherweise dehnt sich meine Macke schon so weit aus, dass ich ohne mein Wissen in anderen Nicks poste und das dann vergesse, wenn ich in diesem, Klara-Nick poste? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht Leonie bin (Leonie, nun hilf mir doch mal!), aber was weiß man schon sicher im Leben? [Ha, und diese Replik ist exakt so formuliert, dass man denken könnte, ich würde nur verschleiern wollen, dass ich in Wirklichkeit Leonie bin, obwohl doch die WIRKLICHKEIT in WAHRHEIT die waghalsigste aller menschlichen Konstruktionen ist... °grinsebacke°]

;-)
Klara

Nicole

Beitragvon Nicole » 11.04.2008, 09:39

Hi Max,

die weichste Zeile und eigentlich meine liebst Zeile in der ersten Fassung war
Und du ahnst, dass du irrst

keine Ahnung, warum das so ist, in meinem kopf klingt das eben genau richtig. Es impliziert für mich, das Verständnis des LyrIch gegenüber dem LyrDu. Das LyrDu stellt keine absolute Wahrheit als Fakt in den Raum "
aber die Fische ersticken an Land

sondern gesteht dem LyrDu zu, daß es selbst das ahnt und hier einem Irrtum unterliegt, den es auch selber fast schon erkennt, vielleicht nur nicht wahr haben will. Die Version 2 ist da brutaler. In meinem Kopf steht das LyrDu vor den nach Luft schnappenden Fischen und muß sich das Sterben ansehen und das LyrIch spricht die Tatsache aus, ein wenig in der Art "siehst Du, ich habe es gewußt.
Und nein, es sind nicht die fehlenden "Oder", die für mich das Gefühl des Gedichts verändern.
Ganz im Gegenteil, das waren die einzigen beiden Worte, die ich in der ersten Version gestrichen hätte...

Lieben Gruß, Nicole

Max

Beitragvon Max » 11.04.2008, 09:44

Liebe Klara,

OT: Ich bin schon dahinter gekommen, dass in Wahrheit ICH das ganze Forum bin und mich nur mit mir unterhalte. Tja, ich habe meinen Fichte gelesen (Lisa: oder war es Schelling?) :-)

Liebe Grüße
Max

PS: Zu dem Gedicht, wie gesagt, am WE mehr

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.04.2008, 10:06

Hallo Max,

das einfachste wäre nun zu sagen, ich mache es an den fehlenden "Oder" und den fehlenden kursiven Teilen fest. Aber ich will auch versuchen zu erklären. (Wie ich gerade festgestellt habe lesen Klara und Nicole es wohl ähnlich, nur lesen sie das LDu als wirkliches Du, ich lese es eigentlich als LIch.)

In deiner Fassung sehe ich eine Bewegung, Reibung und den Schmerz. Da ist Jemand auf der Suche nach Antworten für sich selbst, will sich etwas sichtbar machen, verständlich. Vielleicht auch eine Lösung finden, einen Entschluss fassen. Da gibt es das Beweisbare, klar ersichtliche, aber sagt es auch etwas aus über die Wahrheit des LIch? Will man es wahr haben? Ich lese da noch von einer Hoffnung, man spricht die Bilder aus, zeigt sie, und vielleicht irrt man sich ja über den Irrtum oder Jemand (im Falle der Liebeslyrik das Gegenüber, ansonsten man selbst) widerspricht. Vielleicht kann man irgendwo noch einen Fehler in der Rechnung finden. .-)
Man ahnt es, man sagt zu sich selbst, dass es falsch ist, dass man fehl geht, man erkennt schließlich das Zwielichtige, aber trotz allem ist man (noch) nicht bereit, diese paar Tage gehen zu lassen.

In Carls Version fällt das alles weg. Da sind keine „Oder“ mehr, kein Suchen nach Beispielen, da ist Jemand schon sicher, überzeugt und zählt nur noch das Scheitern auf. Eigentlich höre ich da nur noch ein anklagendes „wie blöd warst du eigentlich?“ Da hat das Gefühl den Verstand längst eingeholt und innerlich mit etwas abgeschlossen.

Auch wenn ich das LDu als wirkliches Du lese, erscheint mir deine Version als die verzeihender, verstehendere, vielleicht wie Klara schrieb, brüderlich, wissender oder liebendere. Die zweite wäre eine Anklage, und eine Verurteilung. Nicole und Klara haben das ja schon sehr treffend erklärt.

Es muss aber natürlich für dich stimmen. Ich weiß auch nicht, ob ich es verständlich machen konnte, aber deine Version erscheint mir sehr viel Lebens(Liebes)klüger. :-)

liebe Grüße smile
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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