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Wiederkehr

Verfasst: 01.03.2017, 21:07
von tulpenrot
„Ich stecke mir frisches Gelb ins Haar“, riefst du fröhlich vor unserem Aufbruch. Als wir dann durch die alten staubigen Straßenschluchten wanderten von düsteren Dohlen geleitet, trug ich mein Leben auf der Hand. Aber dein Haar glänzte.
„Früher gab es hier doch Nachtigallen“, sagtest du verwundert.
Jetzt eilte uns das Gekrächze der Dohlen voraus und folgte uns unerbittlich bis ans Ende des Weges, bis nahe an den Rand, bis es nur noch Tiefe gab und keinen Himmel.

Dort zogen die Vögel ihr fahles Federkleid aus, flatterten ungelenk mit ihren faltigen Schwingen und nickten mit ihren kahlen unverständigen Köpfen. Vergilbt war ihre Haut über die Jahre, feiner Wüstenstaub hatte sich in ihre Furchen gelegt. Vergeblich trippelten sie auf papiernen Füßen suchend umher. Sie konnten keinen Mutterboden und kein Vaterland mehr finden. Ihr Land war bis zur Unkenntlichkeit vertrocknet.

„Sie hatten keine andere Wahl“, sagtest du voller Mitleid, und ich war erschüttert. Wir legten ab, was wir mitgebracht hatten, dein frisches Gelb und mein Leben, und bedeckten die Tiefe damit. Du schautest nach den Wolken.
„Endlich ist der Himmel dunkel“, stelltest du zufrieden fest.
„Es wird bald regnen“, rief ich den federlosen Dohlen zu.
Wir überließen sie dem kommenden Regen und kehrten um. Erst später schauten wir zurück.

Re: Wiederkehr

Verfasst: 04.03.2017, 13:24
von tulpenrot
Es gibt doch dann weder ein Davor noch Danach.
z.B. "Ich sitze am Laptop, schreibe eine Antwort an Nifl. Meine Hände sind noch ganz schrumpelig (HILFE ADJEKTIV!!), weil ich bis eben mein Mittagsgeschirr abgewaschen hab. Meine Spülmaschine ging vor einigen Tagen kaputt. Nachher werde ich noch zum Baumarkt fahren, nachdem ich mein Auto gewaschen hab. Naja, und wenn mir heute Abend danach zumute ist, werde ich ins Konzert gehen. Alles bisher nur verlockende !! Pläne - ob alles so wird? Spätestens heute Abend um 22.30 Uhr werden wir es wissen."
So, und nun alles im Präsens, βιττε.

Re: Wiederkehr

Verfasst: 04.03.2017, 14:04
von Nifl
:pff: schöner Text und jetzt schon alles richtig. Die Grunderzählzeit muss natürlich nur im Präsens sein und zB. eine Rückschau dann im Imperfekt, aber eben nicht im Plusquamperfekt wie du es aus der epischen Vergangenheit heraus müsstest. Und schrumpelig ist doch ein schönes ä ja Adjektiv und gar nicht wertend.

Verfasst: 04.03.2017, 18:05
von tulpenrot
Also gut, dann ist also nur die Erzählzeit gemeint und nicht der gesamte Text. Und meine schrumpeligen Hände sind auch genehmigt. Und jetzt sind sie ziemlich rau - hab die im Baumarkt gekauften Stiefmütterchen und Tausendschönchen eingepflanzt. Ein kurzer Regenguss, dazu Sonnenschein und natürlich ein Regenbogen gaben eine schöne (erlaubtes Adjektiv?) Kulisse. Jetzt zieh ich mich mit einer Tasse Tee und Thomas Mann zurück. Bin gespannt, ob ich durchhalte. Mein Interesse gilt eigentlich der Darstellung des Bösen in seinem Roman. Bis später ...

Verfasst: 04.03.2017, 18:10
von Pjotr
Nein, "schön" ist wertend, also nicht erlaubt.

"Nach dem kurzen Regenguss folgten Sonnenschein und Regenbogen; diese Kulisse trieb mir die Freudentränen in die Augen."

Verfasst: 04.03.2017, 18:17
von tulpenrot
hihi, nein, er war nur so schön, wie eben ein Regenbogen sein kann: Er hatte alle Farben dabei, verschönerte den Himmel und krönte die Landschaft, und ich bestaunte ihn ehrfürchtig. Vielleicht so... Du siehst, ich kann, wenn ich will - oder besser: Wnen ich darauf achte.

Verfasst: 05.03.2017, 00:24
von Pjotr
"krönte die Landschaft" -- Regenbogen als Krone; eine treffende und ungebrauchte Metapher! Sehr ... schön, finde ich. Ich bestaune diese originelle Formulierung.

Verfasst: 05.03.2017, 09:53
von tulpenrot
Danke - es macht einfach Spaß, nach Alternativen zu suchen - nicht immer gelingt es mir und nicht immer denke ich so ausgiebig darüber nach.