Meine erste Pizza

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Klimperer

Beitragvon Klimperer » 12.11.2016, 10:36

Meine erste Pizza

Meine erste Pizza habe ich, vor über fünfzig Jahren, in Guayaquil gegessen.
Anders als in Argentinien, in Ecuador, in Guayaquil, waren Italiener eine Rarität.
Es gab wohl welche, genug sogar um einen Verein zu gründen, denn man konnte sehen, an der Fassade eines mittelprächtigen Gebäudes, ein Schild, das sagte:
Societá italiana Giuseppe Garibaldi.
Aber in Wirklichkeit, im täglichen Leben, gab es so gut wie keine.
Einmal, in einem Geschäft, hörte ich wie ein Mann mittleren Alters, einen anderen in dieser Sprache ansprach.
Die Sprache an sich war bei uns verpönt, man sagte, nur Homosexuelle würden versuchen, sie zu lernen.
Auf jeden Fall, überflüssig.
Umso mehr war es eine Sensation, als man sagte, irgendwo in der Stadt hätte eine Pizzeria eröffnet.
Man erzählte, es würde ein runder Teig hergestellt und an die Decke geworfen.
Eines Tages, Jaime Salgado, ein Freund von mir, lud mich zu dieser Pizzeria ein.

Die zweite Pizza habe ich erst viele Jahre später, in Frankfurt am Main essen können.
Die Umstände, der Geschmack dieser zweiten Pizza, habe ich vollkommen vergessen.
Das muss 1971, spätestens 1972 gewesen sein.
Frankfurt war damals nicht viel anders als zu Goethes Zeiten, ein mittelgroßes Dorf, mitten in Deutschland, mit einem kleinen, fast winzigen Flughafen.
Ich habe mittlerweile den Namen der Straße vergessen, die von der Hauptwache Richtung Zoo lief, heute eine große Fußgänger Zone.
Autos fuhren damals, man war dabei, eine U-Bahn-Strecke zu bauen. Die Einzige bis dahin existierende ging vom Hauptbahnhof bis zu der Hauptwache.
Die alte Oper war eine schwarze Ruine.
An der Front konnte man vier Worte lesen, die ich nicht entziffern konnte.
DEM WAHREN SCHÖNEN GUTEN
Ein Freund von mir, der schon länger in Deutschland lebte, übersetzte sie für mich einmal: Die wahre, schöne, gute Wahrheit.
Seitdem habe ich viele Pizzen gegessen, aber den Geschmack der ersten Pizza damals in Guayaquil, an den ich mich nur vage und trotzdem intensiv erinnere, habe ich nie wieder erlebt.

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Eule
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Beitragvon Eule » 23.02.2017, 13:34

.. (Doppelpost, bitte löschen !)
Zuletzt geändert von Eule am 23.02.2017, 13:41, insgesamt 1-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Eule
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Beitragvon Eule » 23.02.2017, 13:40

Hallo Klimperer, wieder, wie von Dir schon fast gewöhnt, eine recht bunte Kulisse, die bestens zum Titel passt. Es steckt ein bisschen Ironie zwischen den Zeilen, wie im persönlichen/privaten Leben. Sehr emotionale Momente, wer würde da nicht gerne mitlesen. "Eine Pizza nutella, kann man das so bestellen ?? Ma si, signore, si te piace." ;-)
Ein Klang zum Sprachspiel.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 25.02.2017, 12:50

Danke, Eule, für deine netten Worte.

So bekomme ich Lust, ab und an eine kleine Geschichte einzustellen.

Molto grazie!


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