Schwein mit Kraft

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 30.05.2017, 21:47

Schwein mit Kraft

Lang schon übe ich mich darin, das Schwein mit Kraft zu verachten.

Das hält es im Hintergrund, ja, hat es ein, zweimal sogar verborgen,
was jemanden dazu gebracht hat, von Zartheit zu sprechen.

Doch diese Zartheit ist Teufelswerk.

Und das Schwein im Vergleich so viel liebenswerter.

Es liebt nur keiner.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 27.06.2017, 16:30

Liebe Ylvi,

Da bleibt wenig Raum für Zweifel. Und das macht den Text dann sicher stark, dass er so da stehen kann, ohne weiter ausgeführt zu werden, das, was du Glitzerkrüppelsprache nennst.


ich hab deinen Kommentar gern gelesen und kann die Kritik gut annehmen, habe sie ja selbst geübt :-)

Lieber Peter,

wie schön, dass du da bist.

Ich denke, wir Menschen begehen einen Bruch mit der Gesellschaft, indem wir die Gesellschaft annehmen, in die wir uns überhaupt nur aus Schwäche fügen.


Ja, ganz genau (!). Wobei es nicht notwendig so sein muss, soll heißen, es ist keine Gesetzmäßigkeit für mich, sondern liegt schon an der Art der Gesellschaft oder sagen wir daran, dass wir uns in eine Gesellschaft fügen müssen und es nicht etwas anderes Ähnliches, aber davon gänzlich Verschiedenes gibt. Für dich auch?

Der Text ist vermutlich tatsächlich zu sehr Konzentrat ohne vorher als Ausführliches gedacht worden zu sein. Ich hatte einfach Lust auf etwas Kurzes, Kleines, das war es schon .~)

(Ich antworte dir im Faden drüben beim Projekt noch, ich muss da nur erst weiterkommen!)

Gibt es auch von dir mal wieder etwas (Kleines) zu lesen? :ff:

Lieber jondoy,

Der Text schilderte für mich fast etwas normales, nicht im Sinne von Alltägliches, im Sinne von ....das kennt doch jeder, dieser Konflikt trägt doch jeder in sich aus.


Ja, den kennt jeder und unter bestimmten Kinobedingungen (Sonnenuntergang, Alkohol, was weiß ich) erzählt jeder jedem davon - aber ich finde es gruselig und ich ängstige mich, weil es im Leben der meisten doch so eine geringfügige Rolle spielt, dass es im Leben gar nicht vorkommt. All diese Menschen reden doch nicht so selten davon, weil sie ihr "Schicksal" stemmen, sondern weil das Taktik ist.
Und das ist für mich schon Teufelswerk. Ich mag dieses überzogene, starke und zugleich alberne Wort an der Stelle - weil es schon wie ein kleiner Stromschlag ist, den ich beim Lesen austeilen möchte.

Danke für deine Gedanken :-)

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Peter

Beitragvon Peter » 16.07.2017, 22:04

Liebe Lisa,

Wobei es nicht notwendig so sein muss, soll heißen, es ist keine Gesetzmäßigkeit für mich, sondern liegt schon an der Art der Gesellschaft oder sagen wir daran, dass wir uns in eine Gesellschaft fügen müssen und es nicht etwas anderes Ähnliches, aber davon gänzlich Verschiedenes gibt. Für dich auch?


Der Gegenentwurf wäre wohl die Gemeinschaft, die sich im Unterschied zur Gesellschaft freimütiger begründet? Gesellschaft sehe ich als eine Form notwendigen Zusammenseins an, das sich im Wesentlichen darauf gründet, dass man sich gegensätzlich (aus wirtschaflichen Interessen usw.) braucht. Gemeinschaft dagegen hat einen freien Charakter, im Sinn von "Ich suche mir aus, mit wem ich befreundet sein will", und es gibt sicher diese bunten Inseln, die auf jenem etwas trüben Meer der Gesellschaft treiben :-) Manchmal erfährt man sie ja ganz unversehens.

Liebe Grüße
Peter

Niko

Beitragvon Niko » 17.07.2017, 17:17

Wobei sowohl die Gesellschaft als auch die Gemeinschaft grundsätzlich keine Freundschaften sind, sondern Zweckverbände mit gegebenenfalls unterschiedlichen Zielsetzungen.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 17.07.2017, 18:51

Manchmal entsteht auch in einem Zweckverband eine Freundschaft; zum Beispiel sind Ehe-Gemeinschaften, die ja dem Zweck der Unterhaltssicherung und Steuerersparnis dienen, oft gleichzeitig auch Freundschaften.

Quoth
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Beitragvon Quoth » 09.10.2017, 16:59

Hallo Lisa, bei Nietzsche heißt es (Zarathustra 14): >„Dem Reinen ist Alles rein“ — so spricht das Volk. Ich aber sage euch: den Schweinen wird Alles Schwein!<
Auch in Deinem Text ist das Schwein zunächst negativ besetzt, weshalb das lyrische Ich bemüht ist, es „mit Kraft“ zu verachten. Doch daraus ergibt sich keine Reinheit, sondern „Zartheit“, und diese Zartheit ist nicht das Gegenteil von „Schwein“, sondern ist „Teufelswerk“. Aus der Verachtung des Schweins wird plötzlich Zuneigung. In die letzte Zeile möchte ich ein „es“ einfügen: „Es liebt es nur keiner“.
Dein Text geht über Nietzsches simple Polarität hinaus und zeigt die innere Dialektik der Gegensätze im lyrischen Ich. Darauf beruht für mich seine besondere Wahrhaftigkeit. Gruß Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.


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