Äh, hm???

Rubrik für Theaterstücke, Szenen, Sketche, Dialoge, Hörspiele, Drehbücher und andere dramatisch angelegte Texte
Kurt
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Beitragvon Kurt » 26.04.2016, 17:49

Meine Freundin hat mich verlassen.
Ich hatte vor ihr noch keine
Freundin gehabt, schon gar keine,
von der ich verlassen worden war.

Meine Freundin meint,
ich sei geistlos.

Ich verstehe keine moderne Malerei.
Dabei hatte ich schon als
Kind einen Miro und Baselitz
in meinem Zimmer hängen.
Meine Freundin auch. Bei ihrem
Baselitz standen die Köpfe
jedoch auf dem Kopf.
Ich weiß nicht warum.

Ich verstehe keine neumodische Lyrik.
Meine Freundin ist eine
erfahrene Lyrikinterpretin. Sie
kann den gesamten Kanon aus
dem Kopf aufsagen. In meinen will
er nicht herein.
Ich weiß nicht warum.

Ich verstehe keine Wellensittiche.
Meine Freundin hatte schon
als Kind einen Wellensittich.
Sie ist eine eingefleischte
Wellensittichversteherin.
Ihr Wellensittich hat mir
auf den Kopf geschissen.
Ich weiß nicht warum.
Zuletzt geändert von Kurt am 30.04.2016, 14:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.04.2016, 18:50

Das finde ich irre komisch. :mrgreen:
Vor allem diese beiden Passagen.
Kurt hat geschrieben:Bei ihrem
Baselitz standen die Köpfe
jedoch auf dem Kopf.
Ich weiß nicht warum.

Kurt hat geschrieben:Sie ist eine eingefleischte
Wellensittichversteherin.
Ihr Wellensittich hat mir
auf den Kopf geschissen.
Ich weiß nicht warum.

pjesma

Beitragvon pjesma » 27.04.2016, 11:25

ai da wischt man sich die haare ab und gut ;-), oder auch nicht.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 27.04.2016, 14:49

Freut mich, Mucki, dass dir der Text etwas gegeben hat. :smile:

Ja, Pjesma, bei dir, ich weiß es nicht.
Wenn ich weiter oben schreibe, die Freundin meint, LI sei geistlos. Und weiter unten, dass die Freundin den Wellensittich versteht. (Der hat LI auf den Kopf geschissen.) So sollte der Leser dann den möglichen Verdacht ziehen können, dass Freundin und Vogel sich einig sind, auf so einen geistlosen Kopf zu scheißen. Also der Leser wird animiert in Richtung, den Akt des Scheißens mit Bedeutung aufzuladen.
Auch bei Gemäldebetrachtung spricht man ja davon, dass deren Schönheit im Auge des Betrachters liegt. In Wirklichkeit könnte der Baselitz einfach nur ein auf den Kopf gestelltes Bild ohne weitere erkennbare Bedeutung sein. Die wird ihm erst verliehen, wenn der Maler erklärt, das auf dem Kopfstehen wäre kein Zufall. Und der Vogel hat natürlich auf den Kopf geschissen, weil er gerade musste, als er auf dem Kopf saß oder ihn gerade überflog.

Aber, Pjesma, wird sind hier ja nicht in einem Brigitte-Forum für Fleckenentfernung. :rolleyes:

LG Kurt
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 29.04.2016, 20:24

Lieber Kurt,

den Text finde ich auch witzig. Außerdem mag ich, dass weder das lyr. Ich noch die Freundin das Maß aller Dinge in diesem Gedicht sind, auch wenn es eine Tendenz gibt .-)

Hast du hier bewusst
wäre
geschrieben statt sei?

Meine Freundin meint,
ich wäre geistlos.


Würde sei nicht eher die Perspektive des lyr. Ichs ausdrücken, auch wenn im Text insgesamt natürlich die Fragwürdigkeit der Freundin mitschwingt?

Ist mit neuzeitlicher Lyrik moderne Lyrik gemeint und du hast das Wort nur gewählt, um modern nicht zu wiederholen? Für mich passt dann Kanon nicht damit zusammen.

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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Kurt
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Beitragvon Kurt » 30.04.2016, 13:07

„Lisa, ich weiß nicht warum. :sad:
SEI? Drum sei es.“

Neuzeitlich kann man doch in diesem Falle als Synonym von modern setzen.
Der Lyrik-Kanon von Ranicki geht, glaube ich bis Grünbein, beinhaltet also die moderne Lyrik.

Advantgardistisch isse ja schon lange nicht mehr, obwohl ich es schon des öfteren im Netz (ich guck diersbezüglich ausschließlich im Netz herum). gelesen habe, wenn ich mich recht erinnere im Profil einer der Literaturzeitschriften unter "Wer wir sind" oder so ähnlich.

LI ist ja auch ein wenig deppert, was das angeht, und da kann er schon mal so sagen, meine ich.

LG Kurt
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Beitragvon ZaunköniG » 30.04.2016, 14:34

Hallo Kurt,

Die Neuzeit beginnt etwa um 1500, mit der Entdeckung Amerikas, Reformation und 30-jährigem Krieg.
Dass dein Lyrich etwas deppert ist, darf auch in seiner Wortwahl zum Ausdruck kommen, aber es sollte keine Missverständnisse herausfordern. Wie wäre denn neumodische oder experimentelle Lyrik?
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Kurt
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Beitragvon Kurt » 30.04.2016, 14:51

Ja, Danke, ZaunköniG, da muss ich dir zustimmen. Übernehme "neumodisch". Wirds dann ma gleich ändern.

LG Kurt
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Beitragvon Lisa » 30.04.2016, 20:21

Hallo Kurt,

Zaunkönigs neumodisch finde ich einen guten Vorschlag. Er hat auch gut erklärt, was mich irritiert hat.

Zum wäre/sei:

Gibt man das, was ein anderer gesagt hat, wieder, kann man dies im Indikativ oder im Konjunktiv I oder II machen. Je weiter du dich vom Indikativ entfernst, desto stärker wird die Aussage angezweifelt. Deshalb finde ich "sei" etwas feiner-- weil es eben nicht völlig von vorneherein verneint -- das lyr. Ich muss in meinen Augen schon tatsächlich etwas doof sein, um dann wieder die Volte zu schlagen, dass sie trotzdem die Trine ist.


Liebe Grüße
Lisa
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Kurt
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Beitragvon Kurt » 30.04.2016, 22:13

Naja, Lisa, ich würde eher sagen, LI formuliert deppert. Er sagt, er versteht nicht. Im Grunde genommen, versteht er aber doch, dass die experimentelle Lyrik unverständlich ist. Dass die Lyrik nicht in seinen Kopf rein will, liegt darin, weil er sie nicht versteht. Und ist sie tatsächlich zu verstehen ohne den „Schlüssel“ einer Bedeutung zu kennen, die vielleicht nur hineingelegt wurde? Seine Freundin kann sie auswendig aufsagen. Sie ist vielleicht die Geistlose, die falsch versteht. Auch dem Vogelschiss wird ja eine mögliche Bedeutung unterstellt, die er in Wirklichkeit gar nicht hat, ebenso wie die kopfüber stehenden Bilder von Baselitz. Aber da würdest du, Lisa, eventuell widersprechen. Aber ich glaube, es ist gut so, dass ich da keinen eindeutigen Bezug genommen habe, denn darüber würden sich die Geister streiten. :rolleyes:

Als Beispiel gäbe es da ja ein schönes Gedicht von Celan, irgendetwas mit Sonnenfäden oder so ähnlich. Darüber besteht kein Zweifel, dass es unverständlich ist. Trotzdem wird es als „schön“ empfunden, hat Zugang zu einem sagen wir mal intuitiven „Erahnen“. So erlangt dies Gedicht seine Berechtigung und seinen Wert.

LG Kurt
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Beitragvon Lisa » 01.05.2016, 19:59

Lieber Kurt,

ja, so lese ich das auch alles hier und deshalb gefällt mir der Text :-)

Liebe Grüße
Lisa
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pjesma

Beitragvon pjesma » 04.05.2016, 23:07

wie so nicht, kurt ;-)...flecken schmecken, mit kartoffeln oder kraut ;-), und unbedingt ohne zu viel orangen!
trotzdem witziges gedicht :-)
lg, pjesma


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