Ich wollte noch anmerken, dass ich mich distanziere von der Beschimpfungskultur, die man derzeit stellenweise in den Kommentarspalten erfährt, auf beiden Seiten, pro und kontra. Ich halte offene, konstruktive Diskussionen für lebenswichtig, und somit auch die Friedensbewegung und sonstige Ideen in alle Richtungen. Wir alle machen hin und wieder Fehler, und wir korrigieren uns wechselseitig. Das geht nur durch öffentliche Diskussion mit vielen Menschen. Wenn ich meine Gedanken veröffentliche, soll das nicht meinem Ego dienen, sondern ich möchte, dass meine Gedanken logisch und inhaltlich aus verschiedenen Blickwinkeln überprüft werden.
Zu Welzer:
https://www.ndr.de/kultur/Offener-Brief ... er134.htmlNDR: Es könnte aber auch sein, wenn sich die Ukraine nicht mehr wehren könnte, dass Putin dann auf die Idee käme, möglicherweise sein Interesse auf andere Länder auszudehnen. Sehen Sie die Gefahr nicht auch?
Welzer: Natürlich sehe ich die Gefahr, aber wir bewegen uns ja, was die Prognosen angeht, im wenn-dann-alle beide gleichermaßen im Bereich der Spekulation. Und dann würde ich immer sagen, wenn wir kein Drehbuch haben, kein Skript, keine gesicherten Prognosen, keine belastbaren Prognosen, dann ist es immer besser, sich zu versuchen auf der sicheren, also der nicht eskalierenden Seite zu bewegen.
Ja, beide Ideen -- pro oder kontra Waffen -- bewegen sich gleichermaßen im Bereich der Spekulation; in beiden Denkrichtungen gibt es keine gesicherten Prognosen. Ja.
Also welche Option ist besser, fragt man sich, wo doch beide gleichermaßen spekulativ sind?
Welzer sagt -- und das ist ein Widerspruch innerhalb seines Satzes --, dass nur Welzers Spekulation die Eskalation vermeidet. Das heißt, Welzers Idee basiert doch auf einer gesichterten Prognose, sie sei also doch nicht spekulativ.
Um diesen sprachlichen Widerspruch aufzuheben, müsste er stattdessen folgendes sagen:
"Natürlich sehe ich die Gefahr, aber wir bewegen uns ja, was die Prognosen der Waffenbefürworter angeht, im Bereich der Spekulation. Und dann würde ich immer sagen, wenn die Waffenbefürworter kein Drehbuch haben, kein Skript, keine gesicherten Prognosen, keine belastbaren Prognosen, dann ist es immer besser, sich zu versuchen auf der sicheren, auf gute Prognosen basierte, weniger spekulativen Seite zu bewegen, und das ist die Waffenverweigerung; nur diese ist nicht eskalierend."Ich habe auch
Juli Zehs Kommentar in der Zeit gelesen. Auch sie wird da nicht konkret. Ihre Aussagen sind, wie die Welzers, entweder vage oder logisch inkonsistent.
Und nachdem mir klar ist, dass deren Vorschlag nicht wirklich auf guten Prognosen basiert, auch nicht durch klammheimlich widerspruch-vertuschendes Implizieren, komme ich halt auf die Kernfrage zurück: Welche Lösung erscheint wirklich plausibler?
Wenn ich die Waffenverweigerungs-Idee konkret ausformuliere, und ich mich nicht irre, komme ich zu folgendem Schluss: Die Ukrainer bekommen keine Waffen mehr, damit sie wehrlos werden. Spekulationen zufolge passiert dann dies: Entweder die Ukrainer wehren sich trotzdem weiterhin irgendwie, und werden endgültig massakriert. Oder die Ukrainer kapitulieren, und ihre Kultur wird vernichtet, die Überlebenden werden "russifiziert", und sonstige Gegner kommen ins Gulag, oder werden vergiftet, vergewaltigt, die üblichen putinsche Taktiken. Und weil die Invasion mal wieder funktioniert hat, weil der Westen weiterhin die rosa Brille aufbehält, gehts weiter mit den Invasionen: Moldau, Transnistrien, Zugang zur Ostsee etc.
Kann sein, dass ich etwas missverstanden oder übersehen habe. Bitte um Korrektur, falls nötig.
P.S.:
Die Waffenverweigerer spekulieren, dass eine Bewaffnung der Ukrainer dem Angreifer Putin als Motiv für eine weitere Eskalation dienen könnte. Wenn man Putin dieses Motiv gibt, mache man sich mitschuldig. Das heißt im Umkehrschluss: Man muss stets alles befolgen, was ein Terrorist befiehlt. In meinen Augen fördert das ebenfalls den Terrorismus, und führt somit gleichermaßen zur einer Mitschuld. Es muss doch eine rote Linie gesetzt werden, wo der Terrorismus endlich eine Absage erhält. Wo ist die? Ich bin beispielweise auch der Auffassung (wie Helmut Schmidt), dass ein Staat niemals erpressbar sein darf. Siehe die Entführungen durch die RAF, oder Mogadischu etc. Das heißt, ich will solche Erpressungen nicht befolgen, auch wenn ich selbst gefangen bin; im aussichtslosen, ungünstigsten Fall, kann man dann Opfer nicht mehr vermeiden. Denn wenn man der Erpressung nachgibt, wird das zu weiteren Erpressungen motivieren. Und dann gibt es noch mehr Opfer.