Der Tod hat keinen Körper

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Klara
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Beitragvon Klara » 08.01.2014, 14:59

Der Tod hat keinen Körper

Die Mutter will ihre Asche verstreut
Das Haus soll verderben

Die Nadeln im Heu
stechen nichts

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 08.01.2014, 15:22

Da kann ich gut mitgehen. Nur die Nadeln im Heu... die wollen irgendwie nicht bei mir. Ich bin sehr gespannt, was andere Stimmen dazu sagen.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 08.01.2014, 15:43

Gruß,

offensichtlich eine traurige Situation. Respekt.

Meiner Interpretation nach symbolisieren Nadeln im Heu Das Seltene, Das Gesuchte; wahrscheinlich Symbole einer Eigenschaft sozialer Art. Ich rätsele, welche Nadeln der Text meint. Die in der Asche, oder jene im Verstreuer? Vielleicht alle? Oder etwas völlig anderes, etwas die ganze Menschheit betreffendes.

Die andere Frage, die ich mir stelle: Gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen der zweiten und dritten Zeile? Ist das versteckte Wort vor der dritten Zeile eher ein "Denn" oder ein "Und"? Wenn es ersteres ist -- egal ob Metapher oder nicht: Wie wäre das Haus gerettet, wenn die Asche nicht verstreut würde? Wie auch immer, ich lese das als "Die Mutter will danach die Sintflut (zulassen)".


P.

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 08.01.2014, 21:07

Ich fände einen Reiz im Umstellen Z2 und Z3.
Ist gemeint: die Nadeln im Heu // stechen ins Nichts ?
(all die Dinge, die noch piksen, die nicht geklärt/auf den Punkt gebracht wurden zu Lebzeiten, sind ihr egal und interessieren sie nicht...), lese also ähnlich wie Pjotr.
Schön, wieder was von dir zu lesen.
Grüße
Räuber

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 08.01.2014, 21:16

Ich finde die Titelzeile sehr gut und auch das Haus soll verderben, in dem so schön das "erben" steckt.

Klara
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Beitragvon Klara » 09.01.2014, 11:21

Hallo,
freue mich über eure Antworten.
Erklären will ich nichts, umstellen auch nicht.
Aber ich mach jetzt mal was, was ich nie mache und bin neugierig auf eure Meinungen: Ich stelle den Text ein, der einfach so rauskam, neulich, am Abend, ins Schreibbuch, und aus dem ich versucht habe, Obiges zu verdichten. Das "erklärt" wahrscheinlich einiges bzw. klärt Fragen zu Nadeln, aber vielleicht findet ihr den Ursprungstext auch besser, klarer, wahrer, poetischer? Vermutlich steht das jetzt hier an der falschen Stelle, weil "Textarbeit" erfolgt, aber nur scheinbar, denn es erfolgt keine Textarbeit, nur Meinungsarbeit.
Ich danke euch.

Hier kommt der Material-Text:

Ungläubig
Der Tod hat keinen Körper.
Meine Mutter will ihre Asche
im Land verstreut
haben, später.
Wenn sie nicht mehr ist.
Wenn nur noch ihre Asche ist.
Ob ich noch lebe?
Meine Mutter wird sterben
das Haus verderben
Wir werden es lassen müssen
aber nicht zu schnell
werden sie besuchen müssen
die Leere
die vollgerümpelte
allen im Weg wird sie sein
ihre Asche im Winde
Der Tod hat keinen Körper
eine Nadel im Heuhaufen ist er
ein stechendes Nichts

Lieber Gruß, klara

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 09.01.2014, 11:26

Hallo Klara, ich finde die kurze Fassung besser, in der langen sind für mich Längen, besonders im Mittelteil (den Du, wohl nicht ohne Grund, weggekürzt hast). Aber:

Der Tod hat keinen Körper
eine Nadel im Heuhaufen ist er
ein stechendes Nichts



- da ist die Nadel im Heuhaufen für mich absolut plausibel. Oben ist es mir ZU verkürzt.

Danke fürs Erläuternde.

Klara
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Beitragvon Klara » 09.01.2014, 11:34

Dank dir Amanita,

(hab mich gefreut, dass du das Erben er-liest, das hatte ich nämlich in einer rasch verworfenen Zwischenfassung - es gab einige - reimend da stehen 'gehabt'... ;)

herzlich, klara

Niko

Beitragvon Niko » 09.01.2014, 15:57

ich finde gerade die nadeln im heu gut. bei mir bezieht sich das auf die mutter. ich verstehe den text so, dass die mutter gestorben ist. ihre asche will sie verstreut wissen. was mit dem haus geschieht ist ihr (oder den erben) egal. dies spiel mit verderben und vererben gefällt mir hier.

die letzten beiden zeilen sind für mich aus der sicht der zurückgelassenen: unzulänglichkeiten, "fehler" der verstorbenen, spielen keine rolle mehr. und man kann das hier in mehrere richtungen deuten: "man redet gutes über tote", oder aber auch, dass es einfach keine bedeutung hat, diese unzulänglichkeiten. man sieht, richtet den blick aufs große ganze.
mag sein, dass ich interpretatorisch zu weit schweife. aber für mich ist es genau so schlüssig. gerade die unterschiedlichen sichtweisen des schlusses machen das gedicht für mich wertvoll.
mir gefällt -nicht nur deswegen - der text sehr gut!!!

beste grüße: niko

Klara
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Beitragvon Klara » 09.01.2014, 16:50

Niko,
es ist spannend für mich, deine Interpretation und Gedanken zu lesen.

Danke dafür.

herzlich, klara

[Mit deinem/Marilyns Motto indes kann ich nicht ganz mitgehen: Lyrik lesen "kostet" mindestens so viel Zeit wie sie zu schreiben, und Zeit "sparen" funktioniert m.E. weder als Gedankenkonstruktion noch als Handlung - Zeit IST ;)]
Zuletzt geändert von Klara am 09.01.2014, 17:00, insgesamt 1-mal geändert.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 09.01.2014, 16:57

[neither]

Klara
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Beitragvon Klara » 09.01.2014, 17:00

ok

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nera
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Beitragvon nera » 10.01.2014, 00:30

ich mag den text, weil er so reduziert viel erzählt und wesentliche fragen stellt, die zumindest ich mir auch stelle? was bleibt?
lg

Klara
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Beitragvon Klara » 10.01.2014, 15:59

Liebe nera,

danke für dein Aufmerksamkeit!

herzlich
klara


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