Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 17.12.2017, 19:28



ausblinden
den fred aller frauen
im keller die spinnen
mit angewinkelten beinen
hauptsache kalt
bleiben wo man ist schreiben
und abschütteln als wär man
ein mann

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 22.12.2017, 20:00

Vom Abschütteln
der Frauen und Männer
eine Sitzerei auf Händen
kein Nirgends wird abgehoben
Stille liegt unter dem Pflaster
der Zettel längst verschluckt
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 28.12.2017, 08:38



Den Zettel verschluckt
da stand ein Wort drauf
da können wir spekulieren
ein kleines Schwarzes anziehen
mit nichts drunter
oder Gras drüber wachsen lassen
am besten Rollrasen Mollphrasen
erklingen im Hintergrund
und das Wort quillt
auf Herzhöhe.

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Klara
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Beitragvon Klara » 28.12.2017, 09:15

Ehekriege
sind manchmal schwer zu unterscheiden
von Eheliebe
fliegende Fetzen
Worte versetzen
keine Berge
verschieben nur den Tag
der Entscheidung

Nifl
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Beitragvon Nifl » 28.12.2017, 11:58

Sie überlegt mich
wie eine Decke aus Einhüll
sind wir Flausch mit schwarzem Kern
die Köpfe bleiben draußen
verzerren das Bild zu etwas Klarem
je desto... denke ich
wie billig ein Sturm zu haben ist
und wir halten uns trotzdem tapfer
an Gefühlen fest
entschieden
wie wir nicht sind
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 28.12.2017, 13:00

festhalten an etwas
das ich nicht mehr habe
drüber hinweg sehen auch
über das was ich habe

es ist leichter
mich zu übersehen
bis ich irgendwann
nicht mehr weiß
wer ich bin

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.01.2018, 08:20



flög ich
ein singen aus dem verschlisssengrünen liederbuch


wenn ich aus dem fenster schaue
ist schwarz und still
der morgen und ich
reden wie alte freunde
und aus einem garten weht mir
der honigduft unserer sommer heran

siehst du
ich fliedere dir zu
dass du mein kinn hebst
und sich deine lippen zu mir senken

du flüsterst vor meinem mund

manchmal möchte ich nur noch blättern

du hältst meine hand als stürmte es schon
und ich flöge liest du mir vor
wenn ich aus dem fenster schaue
ist schwarz und still
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 01.01.2018, 15:30

Den Jahren nach ein Sänger sein
im Flieder summen und vibrieren
die höchsten Töne reimen uns
liebhaben auf Honig
Mund auf Mund
ich flög und flög
und in den Fenstern
spiegelt sich ein Himmel
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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birke
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Beitragvon birke » 02.01.2018, 00:02

.

dann flög ich zu dir
auf fliedertönen
wenn die luft klar
und der himmel sich wölbt
vor deinem fenster
dieser ton
kündigt sich an, mich
wie ich dich sehe
mit der hand
am stift
am blatt
und der mund
leicht geöffnet

.
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Niko

Beitragvon Niko » 07.01.2018, 02:00

der himmel ist ein fliederton
du duftest in meinem arm
nach sternschnuppen

es hätte so bleiben können
auch als deine fingerhaut
meine handfläche und
mein herz zittern ließen

es zögerte sich hinaus
das sich vergessen verlieren
und das wachsen eines fliederbusches
verging im kühlen schatten
des blütenarmen frűhherbstes

Klara
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Beitragvon Klara » 07.01.2018, 13:35

Beim Aufwachen (schwer zu entziffern)

„Du bist ein Alien“
sagte ich zu ihm,
aber nur in meinem Kopf im Schlaf
Später
Als ich von einem Text träumte
notiert auf einem postkartengroßen Zettel
der im Nachttisch aufs Erwachen wartet Der Platz
reichte Für jeden meiner Texte reicht der Platz Nur der Kopf reicht nicht
Der andere Kopf: kommt nicht an Die Worte kommen raus wie Kaugummiblasen
klebrig
unvollständig Diesmal
habe ich nicht Verstecken gespielt sondern Pusten und Winken
Beim Erwachen flogen sie eines nach dem anderen in den Tag Zurück
in den Himmel
Ich liege und winke ihnen nach und lasse das Bedürfnis
sie fassen zu wollen unter den Boden sinken in die Erde
falle und fliege ihnen nach Weiß nicht mehr
den Unterschied Atme in Not spüle die herbeigezwungene Allegorie ins Klo
mit der Morgenpisse – dich? – denn du
existierst weniger als der Text in meinem Traum
nur als Wille und Vorstellung doch du gibst mich nicht
frei Nächstes Mal (das dauert schmerzlang) will ich träumen in meiner unleserlichen Schrift
wie ich deine unmögliche Liebe begrabe
im Meer vielleicht oder im Himmel
ohne Grabstein doch mit einfallsloser Inschrift
LASS MICH
und Gott danken für seine Weitsicht
seine Prüfung
seine Hut
Zuletzt geändert von Klara am 13.01.2018, 16:17, insgesamt 1-mal geändert.

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 07.01.2018, 15:33

worte
tauschroute
für standpunkte
fragen
wünsche
bitten
für antworten
entgegnungen, erfüllungen und wiederkehr

Niko

Beitragvon Niko » 08.01.2018, 14:41

ein stuhl
blättriger lack
dunkel, hammerschlagoptik
auf hellem holz
weiche fichte, vielleicht 10 jahre
die sitzfläche geflochten, gerissen, spröde
und darunter vier beine
ungebeugt, glatt ohne risse

stehe davor
habe zwei beine
kann gehen

Niko

Beitragvon Niko » 21.01.2018, 17:36

drei schritte bis zum regen
du lachst mit verspätung
wir haben uns eingeholt
verschlucken vorsätze

von osten her weht ein seufzer
im kern blüht eine aussicht
und du hälst dich fest
an den rissen in der tapete
und an zu viel wolkenbildung

ich versuche überbrücken
eine halbe steht in avignon
sie ist eine prachtvolle schwester
wir sind endlos
es wird hell
Ich habe die fackeln vergessen


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