Prosalog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

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Foto A.P. Sandor et moi


Prosafluss - Geheime Nachrichten - Flüsterpost - Prosapool - ungebunden - verbunden - Prosadialog - Prosakette - Prosa rhei - ungebunden - verbunden - Prosa - Blitzlichter - Prosalog - Wort zu Wort Beatmung - Prosafolge - ungebunden - verbunden


Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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Zuletzt geändert von Nifl am 04.08.2007, 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Gast

Beitragvon Gast » 05.08.2007, 12:19

Schlagartig war ihr klar, warum sie sich beim Lesen bestimmter Texte unfrei fühlte, so als ob ihr jemand die die Interpretation ins Hirn hämmern wolle. Es waren jene Texte, die ihre keine Chance ließen sie für sich selbst zu entwickeln. Das machte ihr die Texte suspekt und wenig ansprechend, bis unerträglich. Die Texte hatten etwas Bestimmendes an sich, das keinerlei Widerspruch zu dulden schien. Sie ließen keinen Raum für die eigene Wahrnehmung, und Gedanken, die sie über das Lesen hätte weiter spinnen können blieben irgendwo im Kopf stecken. Die Texte bleiben fremd in ihrer Komplexität und mit der meist perfekten Form abweisend. Ihr Herz blieb kalt.
Das war es, nun hatte sie es endlich herausgefunden. Es gab Texte, die sie für sich einnahmen, Lyrik die zu ihr sprach und dann jene, die sie verabscheute, weil sie sie etwas Unerbittliches verbreiteten.

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eva
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Beitragvon eva » 05.08.2007, 15:21

Ich bin die einzige, die es kann. Ich meine, die anderen könnten es vermutlich, wenn sie es sähen, aber sie blicken wahrscheinlich genau in die andere Ecke des bescheidenen Raumes. Vielleicht halten sie dabei ja zumindest Ausschau. Möglicherweise ist es auch meine Größe, die mich dafür prädestiniert. Meine Augen sind nur unwesentlich höher als dieses Teil angesiedelt und so schmerzt mich die Leere vielleicht unmittelbarer als andere. Ich habe auch schon überlegt, ob es dafür einen andere genetische Disposition geben kann, aber außer diesem allseits bekannten doppelten X Chromosom ist mir dazu nichts Erhebliches eingefallen. Meine spontanen Feldforschungen ergeben jedoch keine eindeutige geschlechtliche Präferenz. Bleibt schließlich nur noch die These, dass es sich um eine nachhaltige frühkindliche Prägung handeln muss. Ich kann mich natürlich nicht daran erinnern. Aber das können Graugänse ja auch nicht. Und die lernen dadurch letztendlich fliegen, was ich entschieden vergnüglicher finde als Klorolle wechseln.
Zuletzt geändert von eva am 06.08.2007, 14:13, insgesamt 1-mal geändert.
Jetzter wird's nicht. D. Wittrock

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 05.08.2007, 17:22

Seine Gefühle formt der Setzer in Buchstaben. Ein sogesetztes buchstäbliches Ich trägt jene Gefühle zum Leser. Sodann schützt sich der Setzer indem er wiederholt betont, die seinigen Gefühle seien anders als jene des buchstäblichen Ichs; strikt trennen, strikt trennen! -- Ich lese ihn und denke: wahr sind entweder des Setzers Gefühle, oder dessen Selbstköpfung. Eins von beiden. Ich tippe meist auf ersteres. Zweiteres erscheint mir oftmals wie Wunschdenken. Daher bin ich mir ziemlich sicher: wenn ich sein buchstäbliches Ich beurteile, beurteile ich gleichfalls des Setzers Gefühle. Ihn persönlich. Er ist, was er fühlt. Denn er lebt. -- Objektivität? Frühestens wenn er sich wahrlich köpft, wenn er aufhört, Buchstaben zu setzen, erst dann herrscht Objektivität; und die bedeutet Vakuum. Objektiv ist nur das Vakuum.

Sam

Beitragvon Sam » 06.08.2007, 07:26

Er ist ein untersetzter Typ, breitschultrig, kurzhalsig. Kantiger Schädel, der auch einen keinen Hals braucht, der sein Kinn am Brustbein reibt. Wache Augen, graublau, die sich wenig Bewegung gönnen, die am liebsten fixieren. Die Zustimmung einfordern, wenn sie ihren Blick auf jemanden richten. Dazu eine feste Stimme, ein wenig zu hoch für den massigen Körper, aber durchtrainiert und in den für ihren Zweck brauchbaren Tonlagen grenzenlos sicher. Kurze kräftige Arme, an ihren Enden runde Hände, prall, wie aufgeblasene Gummihandschuhe. Der Unterkörper im stetigen Raubtiergang.
"Entscheidend ist nicht, was A sagt, sondern was bei B ankommt".
Er sagt den Satz hinein in sieben offene Münder. Neugier und Kaffeeduft im ganzen Raum. Einige sekunden Pause. Er schaut in die Runde, holt einen jeden ab mit seinem Blick, bündelt die Aufmerksamkeit auf der Bühne seines flachen Gesichts.
"Dazu erzähl ich Ihnen eine Geschichte."
Verkäuferschulung, erster Tag.

Stefan

Beitragvon Stefan » 07.08.2007, 06:30

Diese lästige Fliege hatte ihr Gatte herein gelassen, so viel war sicher, beim Hinausgehen. Immer hatte er ein Trara um seine Fliege gemacht, eine Klatsche hatte er ihr beim ersten und einzigen Versuch gegeben, seine Fliege zurecht zu rücken, und eine weitere landete auf ihrer gutgläubigen Backe, als sie ihn nur von fern dazu ermuntern wollte, die korrekte Haltung seiner Fliege noch einmal zu überdenken und gegebenen Falles neu zu justieren. Und nun schwirrte dieses Mistvieh knapp unter der Zimmerdecke im Kreis, immer in schwach auf- und absteigenden Spiralen um den Kegelschein der Stehlampe. Sie war eine schlaue Fliege und weigerte sich beharrlich, dem Licht so nahe zu kommen, dass es ihr Fliegendasein endlich beenden würde. Jedoch, die Lampe auszuschalten, kam nicht infrage, so würde sie nur zu aller Überdruss frei und ohne Bezug durchs Haus irren - lieber ließ man sie in anständiger, wenn auch lästiger Bindung an eine unschuldige, fast umsonst aktive Leuchtquelle für sich hin summen.
Zuletzt geändert von Stefan am 13.08.2007, 17:28, insgesamt 1-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 10.08.2007, 00:54

Erinnerst du dich an jenen Tag im August vor fünf Jahren, weißt du es noch? Dass ich damals darauf brannte dich zu lieben, mit Haut und Haaren und dich fortschickte, als die Lust Fleisch forderte ... Ich, ausgerechnet ich, behielt einen klaren Kopf. Ahntest du wie sehr ich litt? Deine Küsse nach der langen Dürre jagten mir Testosteron durch die Adern. Nein, du hattest keine Ahnung. Du nahmst die schwarze Rose zögernd (Später hätte mich interessiert ob du sie weggeworfen hast), stiegst in dein Auto und fuhrst zu deiner Frau. Dir war klar, du warst noch einmal davon gekommen. Ich hatte abgebremst, rannte 2 Stunden völlig aufgelöst durch den Wald und die Felder. Wie von Sinnen wünschte ich dich herbei und zum Teufel. „Ich bin ganz aufgewühlt“, rauntest du mir später am Telefon ins Ohr … Was dann folgte … oh mein Gott, wochenlange Marter und täglich mindestens ein Gedicht. Sie handelten alle vom Schmerz (trieften ein wenig) und von der Hoffnung auf Erfüllung dieser Liebe …
(Für I.)
Zuletzt geändert von Gast am 26.08.2007, 08:43, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.08.2007, 15:41

Eichengasse 7

Chris wird in der Eichengasse 7 taubstumm geboren.
Seine Eltern haben Schwierigkeiten, damit umzugehen.
Widerwillig lernen sie die Gebärdensprache.
In seiner stillen Welt sind die Eltern sein einziger Kontakt.
In einer Schule lernt Chris, von den Lippen abzulesen.
Dort trifft er die taubstumme Lisa.
Beide verlieben sich ineinander.
Seine Eltern betrachten dies mit Argwohn.
Chris und Lisa lassen sich nicht beirren.
Die Ehe der Eltern bricht auseinander.
Der Vater zieht aus.
Chris lebt mit der Mutter weiter in der Eichengasse 7.
Er versinkt in die Magie der Bücher und liest mit Begeisterung Lyrikbände.
Chris beginnt zu dichten, erschafft einen bildhaften, von Tönen umrahmten Spiegel zu seiner Welt der Stille.
Lisa ist begeistert und entwirft Zeichnungen zu seinen Werken.
Bald werden die Gedichte veröffentlicht.
Der Verlag möchte Lesungen veranstalten.
Die Mutter ist skeptisch. Wie soll das gehen?
Es sind besondere Lesungen, die von leisem Harfenspiel begleitet werden.
Das Publikum besteht nicht nur aus Taubstummen.
Ein junger Mann spricht für sie die Gedichte laut aus.
Chris und Lisa freuen sich über die sich heftig bewegenden, lautlosen Hände der Zuhörer.
Eine Lesung folgt der anderen.
Chris wird bekannt im ganzen Land.
Lisa begleitet ihn bei jedem Vortrag.
Seine Mutter grenzt sich zunehmend aus, sie erträgt diese bizarre Welt nicht mehr.
Chris ist traurig darüber, nimmt es jedoch hin.
Seine Lesungen führen ihn und Lisa auf viele Reisen.
Die Entfremdung zur Mutter wird größer.
Schließlich hat Chris keinen Kontakt mehr zu ihr.
Nach jahrelanger Reise kehrt Chris zurück in die Eichengasse 7. Seine Mutter ist alt geworden. Er zieht wieder ein.
Die Mutter wird sehr krank. Fünf Wochen später entschläft sie friedlich.
Lisa bleibt bei Chris in der Eichengasse 7.
Beide leben zufrieden in ihrer stillen Welt.
Chris schreibt weiterhin Gedichte.
Ein Jahr später heiraten sie.
Lisa wird schwanger.
In der Eichengasse 7 bringt sie einen Jungen zur Welt.
Die Ärzte teilen ihnen betrübt mit, das Kind sei taubstumm.
Glücklich fallen sich beide in die Arme.

Stefan

Beitragvon Stefan » 13.08.2007, 17:25

Im Elbtal lebte eine Frau, die wohl zufrieden war, denn die Zeitungen hatten nie etwas Gegenteiliges berichtet. Die Zeitungen hatten überhaupt nie etwas über sie gebracht, also musste sie außergewöhnlich glücklich sein, und ich nahm mir vor sie aufzusuchen.
Im Zug schaute ich die ganze Zeit aus dem Fenster, auf die sich zunehmend verflachende, harmonisierende Landschaft. Einmal blickte ich aus Versehen einen der Abteilgäste an, er hielt Presse in den Händen, durch die gerade irgendeine Katastrophe geisterte, was ich von den Interjektionen und Ausrufungszeichen her verstand.
Mitnichten hielt die Natur hinter dem Plexiglas derartige Ausrufe bereit, das war das Schöne an ihr.
An einem Bahnhof war Endstation, von da an musste ich laufen, denn die Busse konnten heute nicht.
Eine Brücke, über die ich wollte, war ganz schön fehlkonstruiert, denn sie begann erst mitten im Fluss. Aber immerhin ersparte sie mir etwa die halbe Schwimmerei.
Nah am Ufer stand ein Haus, ich vermutete, da hatte sich der Bauplaner vertan, oder der Besitzer war Rettungsschwimmer, der sich im Training halten wollte. Ich stieg durch ein Fenster ein, kraulte durch den Flur, bis ich ein loses Treppengeländer erfasste. Ich stieg die vollgesogenen Stufen hoch, hörte oben eine Frauenstimme. Öffnete die Tür und erblickte die Frau auf dem Bett. Ein schweres Buch lag aufgeschlagen in ihrem Schoß, sie las daraus. Ihr ruhiger, doch kräftiger Ton ergriff mich tief, ich setzte mich neben sie und las mit ihr aus dem Buch. Die Worte drangen in mich, nahmen mich in Besitz, und bald konnte ich sogar mit geschlossenen Augen mitlesen. So wie sie es die ganze Zeit schon tat, diese gelassene, selbstversunkene Frau.
"Geh in die Arche, du und dein ganzes Haus ..."
Zuletzt geändert von Stefan am 28.08.2007, 00:51, insgesamt 1-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 15.08.2007, 00:02

Mit wem du auch sprichst, heutzutage, jeder möchte sich gesund und geschmackvoll ernähren. Ganz im Trend der Zeit, der da heißt:
Arme sind dick.
Reiche sind schlank.
Dazu gehören mindestens ein gutes Olivenöl, erste Kaltpressung = extra virgine, und ein guter (trockener) Tropfen aus dem Weinberg. Beides sollte unbedingt aus einem genau bezeichneten Anbaugebiet stammen. Selbstverständlich sollte das Öl aus einer Region sein und der Wein nicht zusammengepanscht aus verschiedenen Anbaugebieten, sondern von ein und derselben Lage.
Jeder Verbraucher, der auf Esskultur hält, hat da so seine Geheimtipps. Von Aldi über Feinkostläden bis hin zu Privatlieferungen direkt aus dem Erzeugerland.
Manchmal nur frag ich mich, wo kommen diese Mengen Öl und Wein denn her? Wo wird das alles angebaut ohne den Einsatz von Pestiziden und künstlichen Düngemitteln, natürlich alles ganz naturbelassen ...
(Ich könnte kotzen)

Jetzt fällt mir merkwürdigerweise ein, dass in den USA mehr Erdbeerjoghurt gegessen wird, als überhaupt Erdbeeren angebaut werden ...
(Schon wieder könnt ich k.....)

Gast

Beitragvon Gast » 15.08.2007, 18:50

Lange hatte ich ihn nicht gesehen. Meist beobachtete ich ihn in Bahnhofsnähe an der Busendstation. Dort wühlte er die Müllbehälter nach Pfandflaschen durch, seine abgewetzte Einkaufskarre zog er dabei hinter sich her. Er ging immer flott und zielstrebig. Auf dem Kopf trug er eine Art Matrosenmütze in dunkelblau, dicke Brillengläser auf der Nase durch er kurzsichtig schaute, eine alte Armeejacke, mit zu kurzen Ärmeln, offen zu Shorts. Der Riemen seiner Schultertasche verlief diagonal über seinen Brustkorb. Es sah er aus, als sei er aus seinen Kleidern herausgewachsen, müsse diese jedoch auftragen. Entfernt erinnerte er mich an jemanden, der immer noch "Mamas kleiner Junge" sein wollte, irgendwie unfertig, wie im Auftrag unterwegs. Auf die Fünfzig mochte er wohl zugehen.
Seinen dicken Bauch sah man nur im Profil. Denn eigentlich war er schmal von Statur, nur eben dieser dicke Bauch, dessen Haut sich unter dem Hemd, dessen Knöpfe abzuplatzen drohten, wie um einen Medizinball zu spannen schien.

Aber wie gesagt, das alles fiel mir heute erst wieder ein, als ich ihn an einer Stelle antraf, wo ich ihn nie vermutet, und auch beinahe übersehen hätte, wenn die Mütze und das typische in seiner Haltung nicht gewesen wären. Sein Bauch hatte nicht mehr den Umfang, den ich in Erinnerung hatte. Er trug ein T-Shirt und eine lange Arbeitshose und lehnte an dem Fahrzeug eines ortansässigen Gärtnereibetriebes, das in einer parkähnlichen Wohngegend mit gepflegten Mehrfamilienhäusern stand. Von der „Schießbudenfigur“, die er abgegeben hatte, war nichts mehr zu sehen.
Mir kam es so vor, als ob er hinter seiner Brille mit blanken Augen hervorschaute. Ich hörte einen Klingelton und sah, dass er in seine rechte Hosentasche griff – links trug er einen Eimer mit Grünzeug– sein Handy herauszog und sich meldete.
„Er scheint es geschafft zu haben“, dachte ich voller Verwunderung und Achtung.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.08.2007, 14:35

Man sagt ja: "Er hat sich die Finger verbrannt". Vielleicht auch. Das hätte gepasst. Aber ich habe mir die Füße verbrannt. Ausgerechnet beim Eisholen. Am liebsten hätte ich das Nucki-Nuss auf meinen Ballen verrieben. Gezischt hätte es. Bei jedem Schritt spannte sich die Brandblase zwischen den Fußballen. Das kommt davon. Urlaubsindianer. Ganzjährig besohlt stapfen, aber in den Ferien einen auf Hippie machen wollen. Früher wäre mir das nicht passiert. In der siebten Klasse bin ich den Wettkampfwaldlauf um den See barfüßig gelaufen. Die Lehrerin war ganz aus dem Häuschen. Naturbursche! Vielleicht wollte ich auffallen oder ich bildete mir ein, schneller zu sein. Ich weiß es nicht mehr. Heute können die Nikis gar nicht genug Gelpolster haben. Aber selbst die hülfen nun nicht mehr. Laufpause. "Er hat sich die Füße verbrannt". Was bedeutet der Spruch?
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Gast

Beitragvon Gast » 20.08.2007, 14:25

Aktuelles - leider

Was geht in dem Kopf eines Bürgermeisters vor, der nach der Hetzjagd auf ausländische Mitbürger bestreitet, dass es rechtsradikale Gruppen in seiner Stadt gebe, gleichzeitig aber einräumt, dass die Polizei im Vorfeld des Festes Warnungen erhalten habe, dass ein „Anschlag“ rechtsradikaler Gruppen geplant gewesen sei.
Man fragt sich, wem will er Sand in die Augen streuen, oder für wie blöde hält er die Bürger in seiner Stadt?
Wo bitte sonst soll denn das, herkommen, was in Mügeln geschah, wenn nicht Nazis am Werk waren?
Wieso waren gleich 50! Personen zur Stelle um 8! Inder zu jagen?

Hört sich das nach einer zufälligen Krawallnummer an? Weil vielleicht Jugendliche einen über den Durst getrunken hatten, der „Zwischenfall“ größere Ausmaße angenommen hatte und über das bei Volksfesten tolerierte Maß hinausging?

Mir wird speiübel bei solchen Äußerungen, insbesondere wenn sie von Menschen zitiert werden, die öffentliche Ämter bekleiden.

Wo sind die Politiker, die der "Rechten" Gefahr ins Auge sehen und nicht immer nur vertuschen und von sich weisen?


Kein literarischer Beitrag, sondern Meinugsäußerung, aber ich musste das irgendwo hinknallen.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.08.2007, 17:01

Perlen

Sie fügt sich Schmerz zu, wie jeden Tag. Warten auf die Botschaft. Wünsche sind Verschwendung, eine absurde Illusion, Hirngespinste. Die Nachricht wird nicht eintreffen. Und doch tut sie sich weh, immer wieder. Sie kann nicht anders, nicht vergessen, sich verleugnen noch weniger. Zwiespältig streifen ihre Gedanken über die Wunden. Ein Lächeln zieht ihr die Mundwinkel nach oben. Sie stellt sich vor, genau wie Crododile Dundee, über die Alligatoren zu hüpfen. Narbensteine als Brücke zum anderen Ufer? Welches Ufer überhaupt. Ist doch nur ein Film. Doch ist das Leben selbst nicht auch nur ein Film, ein sehr schlechter noch dazu. Ihre Miene verfinstert sich. Schmerz ist ihr das einzig Reale. Nichts verblasst, Erinnerung ist lebendig. Sie lässt sich wütend beißen, spürt die Widerhaken, aber sie spürt. Kantige Perlen, raue Meilensteine pflastern ihre Lebensstraße, eine Splitterkette, an der sie sich entlang hangelt. Keine Perle kann sie herausreißen, Bandscheiben ihrer Wirbelsäule, die sie aufrecht hält, irgendwie. Sie führt weiter, die bucklige Straße, Perle für Perle, Schmerz für Schmerz. Eine Botschaft erreicht sie, Perle. Müde fädelt sie diese in ihre Kette ein, geht trotzig weiter, bis zum Ende. Oder soll sie hüpfen? Wie auch immer, show must go on.
20.08.07

Max

Beitragvon Max » 21.08.2007, 21:40

Das hatte er oft schon erfahren. Niemand - auch sie nicht - konnte ihn so verletzen wie er selbst.

Er kannte seine weichen Flanken, in die es sich zu treten lohnte am besten, die Stellen, die noch wund waren von den letzten Tritten. Manchmal konnte er der Versuchung widerstehen, an anderes denken, sich in ein Kaffee setzen und die aufkommende Wut dämmen. Manchmal aber genügte es beispielsweise, eine gelungene Zeile in einem Buch zu finden. Dann keimte der Gedanke in ihm: So wirst Du niemals schreiben, die Zeit wurde ihm gallig und der tag war nur durch eine gute Flasche Medoc zu retten.


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