Alliterierende Bedeutungsfelder nach Tammet

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Quoth
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Beitragvon Quoth » 14.06.2010, 10:37

Alliterierende Bedeutungsfelder nach Tammet

Ich habe mich schon immer für Alliterationen interessiert, habe ihre Kombination (Haus und Hof, Geld und Gut, "Winterstürme wichen dem Wonnemond") aber als ebenso zufällig angesehen wie die der Endreime. Jetzt fand ich in einem Interview des englischen Sprach- und Zahlengenies Daniel Hammet (der außerdem Träger des Asperger-Syndroms ist) einen Hinweis, mit dem er erklärt, wie er so verblüffend schnell Fremdsprachen erlernt (das Isländische in einer Woche):
Ich lerne eine fremde Sprache intuitiv, so ähnlich wie es Kinder tun. Ich versuche, ein Gefühl für die jeweilige Sprache zu entwickeln und Muster zu erkennen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Kleine runde Dinge fangen in Deutsch häufig mit "Kn" an, Knoblauch, Knopf, Knospe. "Str" wiederum beschreibt lange, dünne Dinge, Strand, Strumpf, Strahlen. Diese Muster gibt es in allen Sprachen. Wenn man sie erkennt, bekommt man ein Gefühl dafür, wie eine Sprache funktioniert, und kann sie leichter lernen.


Ich habe das Bedeutungsfeld „klein rund, mit kn anlautend“ mal durchstreift und erweitert:

Knoblauch, Knopf, Knospe, Knirps, knüllen, Knödel, Knoten, Knäuel, Knauf, Knebel, Knete, Knallerbse, Knie, Knust, Knolle, Knopper, Knorpel, Knöchel, Knobel.

Dasselbe habe ich für „lang dünn, mit str anlautend“ getan:

Strand, Strumpf, Strahlen, Straße, Strähne, Strang, Strapaze, Straps, Strebe, Strecke, Streifen, Stremel, Strich, Strick, Strieme, Strippe, Stroh, Strom

Als weiteres gleich anlautendes Bedeutungsfeld ist mir aufgefallen „leidend, mit tr anlautend“:

Trauer, Trost, trübe, Tränen, Tragik, Trägheit, tragen, trist, Trug, Trümmer, Trotz, Trunk

Natürlich gibt es zu jedem Bedeutungsfeld nicht hineinpassende Gegenbeispiele!

Ich würde mich freuen, wenn hier weitere alliterierende Bedeutungsfelder hinzugefügt würden. Auch für die poetische Sprache, die bekanntlich sprudeln und sprühen muss, sind sie ja von nicht unerheblicher Bedeutung!
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.06.2010, 12:04

Hallo Quoth,

faszinierend finde ich das.

mit "fr" fällt mir ein weiteres Bedeutungsfeld ein: überwiegend positiv besetzt, fast als Gegenpart zur Trauer:

frei, Freiheit, froh, fröhlich, Frieden, friedlich, frech, frisch, Frühling, Frucht, fruchtig, Freundschaft, freundlich, Freund, Freude

Saludos
Gabriella

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 14.06.2010, 12:19

Ich habe mal von jemanden gehört, dass es kaum ein positiv besetztes Wort gibt, das mit "Schw" beginnt, wenige neutraleneutrale (Schwester, schwenken, schweigen bzw. je nachdem .-) ), aber die meisten sind negativ bzw. mit negativen Potential versehen (Schwein, Schwert, schwitzen,):

schwül, schwülstig, schwach, schwatzen, Schwall,

Positive: schwelgen vielleicht...aber sonst?

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 14.06.2010, 15:10

Schwippschwager ist gleich doppelt negativ besetzt - jedenfalls bei mir :verwirrt:

Schöne Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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(Ikkyu Sojun)

Niko

Beitragvon Niko » 14.06.2010, 16:09

schwalbe, schwank, schwein, schweigen, schweben........ da gibts doch einiges, denk ich mal, lisa°!

ich persönlich fände es schön, wenn wir gedichte (reimform?) schreiben würden, in denen alliterationen vorkommen. eigene und berühmte. oder nur berühmte oder nur eigene?------

grüßles: Niko

aram
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Beitragvon aram » 14.06.2010, 17:49

schönes sprachmythisches themenfeld -

gabriella hat geschrieben:mit "fr" fällt mir ein weiteres Bedeutungsfeld ein: überwiegend positiv besetzt, fast als Gegenpart zur Trauer:

frei, Freiheit, froh, fröhlich, Frieden, friedlich, frech, frisch, Frühling, Frucht, fruchtig, Freundschaft, freundlich, Freund, Freude
frieren, frösteln, frost, frostbeule, fratze, frechheit, friedhof, fragwürdig, fraß, frömmler, fremd, fremde, fremdgehen, fremdeln, frondieren, fron, frondienst, froschgesicht, fraktur, freitod, frauenmord, frontgewitter, frontalzusammenstoß, frühgeburt, freiwillige feuerwehr und fritzl nicht zu vergessen .-)

zefira hat geschrieben:Schwippschwager ist gleich doppelt negativ besetzt
zefi, deine kommentare sind regelmäßig wundervoll. - patient zum analytiker: gestern ist mir ein freudscher versprecher unterlaufen. meine schwiegermutter reichte mir beim nachmittagskaffee die butterdose, ich wollte "danke für die butter" sagen und sagte "du ekel hast mein leben zerstört"

lisa hat geschrieben:dass es kaum ein positiv besetztes Wort gibt, das mit "Schw" beginnt, (...) die meisten sind negativ bzw. mit negativen Potential versehen
ja, "schwanentreu" ist auch so eins .-)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.06.2010, 18:13

du hast "Frust" vergessen, aram

aram
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Beitragvon aram » 14.06.2010, 19:07

stimmt gabriella, wie konnte ich nur .-)

_____________________
du kannst nicht loslassen, was du nicht festhältst. (aramsche ergänzung)

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 14.06.2010, 21:25

Hallo Quoth,

solche Regeln zur Alliteration - die sehr hilfreich sind, weil sie Gedächtnispakete schaffen, sollten nicht ernst genommen werden als linguistisch von Belang. Sie sind von ähnlicher Natur wie folgende Gedächtnisstütze zum Artikel, fem / mask, den frz. Schüler sich ausgedacht haben:

positive Bedeutung, feminin: die Liebe, die Zukunft, die Anmut, die Poesie, die Schönheit, die Sehnsucht (und wir vergessen zahllose Negativbedeutungen)
negative Bedeutung, maskulin: der Krieg, der Hass, der Neid, der Streit, der Biss, der Stich, der Soldat, der Fanatiker, der Führer, der Idiot ...
Mit diesem Unsinn kann man einige Artikel lernen, das tun die meisten Schüler auch. Anschließend, um das zu entschärfen, kann man prägnante Gegenbeispiele geben;

die Konkurrenz, die Eifersucht, die Bosheit

der Friede, der Mut, der Freund

....... solche Gruppierungen, die von Lehrer zu Lehrer, von Schüler zu Schüler unterschiedlich sind, bilden häufig eine gute Memorisierungsmethode und sind als solche praktiziert worden von allen, die sich um Erweiterung ihres Wortschatzes bemüht haben ...

Deshalb meine ich, dass du keine neue linguistische Ordnung bei Mr. Tammet entdeckt hast

liebe Grüße
Renée

Quoth
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Beitragvon Quoth » 15.06.2010, 10:35

Sprache muss sprudeln, spritzen und sprühen, muss springen, sprinten, sprayen und spratzen, muss sich spreiten und spreizen, muss spengen mit Dynamit oder mit Wasser, muss sprenkeln und sprießen ...

Hallo, Niko, ja, klar - Gedichte! Aber nicht hier, dies ist die Materialsammlung!

Hallo, Renée, Tammet ist kein Linguist, ich bin auch keiner, und wir wollen hier Deutsch weder lehren noch lernen, aber die Perspektive eines pragmatischen Engländers, der erfolgreich im Netz Sprachen unterrichtet, ist doch interessant! Es geht hier nicht um Gedächtnispakete, sondern um die sprachlich inspirierende Seite der Alliteration inspirierend vor allem für Lyriker, bei denen der Klang, die Lautlichkeit des Gesagten von so enormer Bedeutung ist.

Hallo, Gabriella, in der so erfreulichen fr-Gruppe hast Du das erfreulichste Wort vergessen. Es endet auf -au!

Hallo Zefira, ja der Schwindler, dies Schwein von einem schwurbelnden Schwippschwager!

Hallo Lisa, schw- gibt in der Tat eine Sammlung von Negativem, die durch Schwan und Schwalbe effektvoll kontrastiert wird.

Hallo, Aram, "sprachmythisches Themenfeld" - das hast du diesem Faden wie ein Orden umgehängt!

Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.


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