Kein Ersatz

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 14.05.2006, 14:37

28/02/2005

Kein Ersatz


Und am Abend fliehen wir vor den grimmigen Winterstürmen,
schließen die Eisblumentüren hinter uns,
und als das Feuer im Ofen langsam erlischt,
ziehen wir uns ganz nackt aus
und schlüpfen unter die warmen Lammfelldecken,
bis nur noch das gelblichweiche Licht der Salzkristallleuchte
unsere Körperfarben in Aquarell zeichnet,
und du liegst mit deinem Rücken an mich geschmiegt,
ganz nah und fest, wie eine kleine Katze,
mein Gesicht streichelt dein langes Haar,
es riecht so gut nach deinen Träumen,
und während mein Atem sacht den Flaum deiner Schulter streichelt ,
meine Hand im feuchten Warm Deiner Achsel versinkt,
mein Schwanz sich zärtlich an deinen Po drückt ,
nicht fordernd, nur verspielt,
und unsere Füße sich gegenseitig beschützen,

schlafen wir selig ein,

die zusammengerollte Bettdecke
und ich.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 14.05.2006, 15:47

Hallo Thomas Milser,

ein weiterer Freund des Ruhrgebiets in diesem Forum. Hallo. So ähnlich wie Du das beschreibst, habe ich mir die Liebe in Duisburg immer vorgestellt. Spaß beiseite. Beim ersten Lesen dachte ich zunächst an Kitsch und dann, als ich die schöne Pointe entdeckte, an Humor.

Eine sprachliche Anmerkung habe ich aber doch. Reicht es nicht, wenn man sich auszieht? Muss das "ganz nackt" dazu?

Grüße

Paul Ost

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 14.05.2006, 16:01

Hallo Paul.

Schönen Dank für deinen Kommentar. Naja, man kann sich ja auch nur bis auf's Hemd ausziehen, oder die Socken anlassen (wie es manche Menschen ja bekanntlich in der Badewanne tun), gell?
Klar wäre der Text ohne den Schlusssatz Vollkitsch, aber so wahrlich humorvoll ist das jedoch auch nicht gemeint. Eine gewisse Einsamkeit und Entbehrung der Liebsten mag hier einst Schreibfeder gewesen sein.
Jedenfalls danke fürs 'Willkommen'. Ich dachte mir, nachdem ich wie durch ein Wunder zu den Preisträgern des neuerlichen Wettbewerbs gekürt worden bin, könnte ich ja mal hier ein bisschen mitmachen.

Gruß, Thomas.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 14.05.2006, 23:47

Hallo Thomas,

ich habe Dein Gedicht eher als einen Duisburger Blues gelesen. Man lacht, weil man sonst so viel weinen muss.

Was die Grade der Nacktheit angeht, von denen Du sprichst, dachte ich eben, wenn man schreibt, dass man sich auszieht, ist eine vollständige Nacktheit gemeint. Sollten dagegen noch Socken oder andere Kleidungsstücke am Körper verbleiben, können diese ja extra erwähnt werden. Aber es lohnt wohl kaum, darüber lange zu diskutieren, zumal die Pointe Deines Textes ja in jedem Falle sitzt.

Grüße

Paul Ost

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 14.05.2006, 23:53

Hallo Paul.

Also Duisburger Blues trifft es wirklich super. Zumal, wenn du einen Winter lang in einem nur notdürftig beheizten Haus lebst und kein lieb' Mädchen zum Wärmen da ist.

Gruß an den Mann aus OWL (hab fast 7 Jahre in Detmold verbracht :grin: )

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.05.2006, 11:13

Hallo Thomas,

na, Du legst ja ein Tempo vor mit dem Posten Deiner Gedichte. Ich habe mir alle durchgelesen und möchte zu diesem hier Stellung nehmen. Ich finde Deine Sprache sehr kraftvoll und anschaulich. Das gefällt mir. Ich finde, bei den Adjektiven könntest Du noch mal schauen, welche wirklich nötig sind, sonst verliert der Text an Wirkung. Hier zum Beispiel ist mir „warme Lammfelldecken“ und das „gelblichweiße Licht“ der Salzkristallleuchte“ aufgefallen. Und ich denke auch, dass Du es der Phantasie des Lesers überlassen kannst, wie weit sich ausgezogen wird. Ich fand den Schluss überraschend, aber durchaus ernst. Ein gelungenes Gedicht!
Bin gespannt auf mehr, aber vielleicht etwas langsamer, sonst kommt man gar nicht hinterher.

Liebe Grüße

leonie

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 15.05.2006, 12:15

Hallo Ieonie,
der werte Last hat mich schon drauf hingewiesen, nicht so viel auf einmal zu posten. Verzeiht, kleiner Anfall von Übermotivation und wiedererlangter Schreibfreude. Gelobe Besserung :grin:

Tja, das mit den Adjektiven ist immer so eine Sache: Manchmal blümelt es mächtig aus einem heraus, ein anderes Mal bleibts knochentrocken. Ich halte meine lyrische Texte für Momentaufnahmen, und im Nachhinein da etwas zu ändern, macht die Sache zwar vermutlich publikumsgeschmeidiger, aber dennoch wird der damaligen Stimmung etwas beraubt. Was soll man da machen?

Schön, dass Du Interesse an meinen weiteren Texten hast, und Du wirst auch noch solche in ganz anderen Stilen finden. Maso maso.

Vielen Dank für Deine/Eure wirklich sachlichen Kommentare, dieses Forum unterscheidet sich jetzt schon deutlich von Anderen, die ich kenne. Sehr angenehm...

Thomas

Max

Beitragvon Max » 15.05.2006, 13:24

Lieber Thomas,

das finde ich groß, diesen Übergang vom Kitsch zum Lachen ... mehr davon!

Liebe Grüße
Max


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