Weisheit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 08.10.2016, 09:15

Wer
Heidegger liest
liest Aristoteles
Augustinus
Husserl
Hegel
Kant
all die Philosophen
die er internalisiert

Wer gar nichts liest
stirbt auch

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 08.10.2016, 09:39

Wer schreibt bleibt. Oder :-) ?

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 08.10.2016, 16:10

Ich bin etwas ratlos, was der Text mir sagen soll. Eine Anspielung auf Platons "Philosophieren heißt sterben lernen"?

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Werner
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Beitragvon Werner » 08.10.2016, 20:03

heidegger gehört als alter nazi endlich aus der öffentlichkeit getilgt, finde ich. ansonsten kann ich mit dem text, rein sprachlich, wenig anfangen.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 09.10.2016, 01:02

Heidegger tilgen... Wie? Seine Bücher verbrennen?

Niko

Beitragvon Niko » 09.10.2016, 02:36

Es ist zu einfach, Nazis verbannen zu wollen....würdest du, Werner, Günther Grass aus der Öffentlichkeit "tilgen" wollen? Was ist der Maßstab?

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 09.10.2016, 03:34

Man könnte Heideggers Forenbeiträge löschen ...

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 09.10.2016, 15:53

Heideggers Schriften gehören zum Bedenkenswertesten, worauf ich bisher gestoßen bin. Sie haben meine ganze Denkweise grundlegend erschüttert und verändert, was bis heute anhält. Einen Nazi haben sie dabei sicherlich nicht aus mir gemacht. Aber sie zeigen ein Denken für einsame Feldwege. Aus der Öffentlichkeit braucht man sie nicht zu "tilgen", dort sind sie ohnehin kaum in Erscheinung getreten - dafür sind sie eben auch nicht gedacht.

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Beitragvon Lisa » 09.10.2016, 18:31

Hallo werner,

heidegger gehört als alter nazi endlich aus der öffentlichkeit getilgt, finde ich. ansonsten kann ich mit dem text, rein sprachlich, wenig anfangen.


Welche Texte von Heidegger hast du gelesen, dass du zu dieser Auffassung gelangt bist?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 09.10.2016, 23:49

Mnemosyne hat geschrieben:Heideggers Schriften gehören zum Bedenkenswertesten, worauf ich bisher gestoßen bin. Sie haben meine ganze Denkweise grundlegend erschüttert und verändert, was bis heute anhält.

Ich frage aus ehrlichem Interesse, weil ich den Wandel verstehen möchte: Wie war Deine Denkweise vor dieser Erschütterung?

(Meine Frage passt außerdem zum Fadenthema; bitte nicht ins Café verschieben.)

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 10.10.2016, 18:26

Puh, eine Denkweise zu beschreiben ist schon eine Herausforderung, und eine, der man sich üblicherweise eher mit einigen Büchern als mit einem Post stellt. Aber ich versuche mal, wenigstens einige Punkte anzugeben.

-Das Primat der Erkenntnissituation: Wesen wie Menschen stehen als Erkenntnissubjekte in der Welt gewissen Erkenntnisobjekten gegenüber, an denen sie Eigenschaften ausmachen und zwischen denen sie Zusammenhänge herstellen; ist ein Objekt einigermaßen verstanden, kann es aufgrund der erkannten Eigenschaften gebraucht werden.

H. zeigt einen fundamental anderen Weltzugang auf, nämlich das handelnde Sichbewegen in Sinnzusammenhängen, in der die klassische Erkenntnissituation (Subjekt betrachtet Objekt), wie sie die Erkenntnistheorie gewöhnlich betrachtet, nur als ein seltener, abgeleiteter Spezialfall auftaucht, und zwar vor allem dann, wenn der Sinnzusammenhang irgendwie zusammenbricht oder gestört ist.

-Subjekt/Objekt-Dualismus: Damit im engen Zusammenhang, bzw. ein Aspekt davon. Die Vorstellung eines zunächst weltlosen, für sich bestehenden Subjekts, das dann auf eine Umwelt trifft, aber als von Umwelt und Gegenstand getrennt gedacht werden kann. Als Paradigma liegt diese Vorstellung vielen Denkansätzen zugrunde; aber sie zeigt eine Aussenperspektive, was man sieht, wenn man in einer gewissen Einstellung auf andere schaut. In der "Innenperspektive" des alltäglichen Umgangs entspricht diesen Polen (Subjekt vs. Umwelt) nichts. H. versucht, eine dieser "Innenperspektive" angemessene Beschreibungsform zu finden, die es vermeidet, den Subjekt-Objekt-Dualismus auf grammatischer Ebene ständig wieder herein zu bringen, was in weiten Teilen seinen etwas merkwürdigen Duktus erklärt. Aber diese Sprechweise ist eben auch eine Denkweise, mit der man auf Handlungszusammenhänge, auch die eigenen schauen kann - und sie entpuppt sich als äußerst fruchtbar. (Selbst in technischen Anwendungen: Terry Winograd, ein führender KI-Forscher, hat in seinem Buch "Erkenntnis Maschinen Verstehen" Heideggers Ansatz zur Kritik an Forschungsansätzen in der KI benutzt; auch im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion wird z.T. mit Heidegger gearbeitet, um IT-Systeme möglichst passend in die alltägliche "Werkwelt" einzubetten.)

-Der Tod ist akzidentiell: Der Tod ist etwas für den Menschen "zufälliges", eine Art biologischer Barriere oder ein "Implementierungsfehler"; der Mensch könnte ebenso gut unsterblich sein und weiterhin Mensch sein.
H. entwickelt ein Bild vom Menschsein (bzw. Dasein), in der die Endlichkeit ein durchgreifend prägendes Wesensmerkmal ist. Diese Haltung zur Endlichkeit im allgemeinen nicht als Fehler oder Krankheit, sondern als ein das menschliche Wesen erst ermöglichendes hat mich an "Sein und Zeit" vielleicht am stärksten beeindruckt (ohne dass ich sie unbedingt übernommen hätte).

Das sind nur einige Punkte und ich könnte mehr nennen. Aber sie zeigen vielleicht am Besten in Richtung einer geänderten "Denkweise" im Gegensatz zu einer bloß veränderten Überzeugung in Bezug auf diese oder jene Behauptung.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 11.10.2016, 00:44

Danke für die Beispiele, Mnemosyne. Ich glaube, die haben mir ein bisschen weitergeholfen, Deinen Hintergrund besser zu verstehen.

Ahoy

Pjotr

Klara
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Beitragvon Klara » 12.10.2016, 09:20

... da kann ich nicht anders als aus dem 90. Psalm zitieren:

"Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen,

auf dass wir klug werden."

herzlich
klara

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 12.10.2016, 11:17

Ich wollte vorhin, mit Hilfe eines Staubwedels, eine Wespe aus dem Wohnzimmer zum offenen Fesnter hin sanft zu bewegen. Dabei gab mir meine Freundin immer lauter Anweisungen, die ich für unnötig hielt und die mich in meiner Handlung verunsicherten. Es gelang mir trotzdem, übringens zum dritten Mal, ich glaube es ist immer dieselbe Wespe die, wenn ich kurz das Wohnzimmer lüfte, sich hinein schlüpft.

Trotzdem hatte meine Freundin und ich anschließend eine Diskussion, sie behauptete, ich hätte die falsche Methode verwendet, um die Wespe hinaus zu befördern, ich bestand darauf, ich hätte das Richtige getan, konnte sie aber doch nicht überzeugen, es sah so aus, dass, von ihrer Perspektive aus, ich meine, von der Couch aus, sie das Ganze anders sah als ich am Stehen direkt vor dem Fenster.

Ich bin angenehm überrascht, dass Mnemosyne so gut über Heidegger Bescheid weißt. Das bringt mich ein Stück weiter in meinem Versuch, diesen Philosoph, vielleicht der wichtigste des 20. Jahrhunderts, zu verstehen.

Und ja, wenn ich ihn lese und ich ihn verstehe, kann ich mir alle Anderen, Aristoteles, Kant, etc. schenken.


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