Seite 1 von 2

von tag zu tag

Verfasst: 08.12.2017, 01:18
von Niko
.

Verfasst: 08.12.2017, 09:08
von Klimperer
Sieben Strophen, jede für einen Tag stehend.

Ich habe, bewusst, nur den ersten Tag und den Anfang des zweiten gelesen, den ersten Vers, der eine Verknüpfung zum letzten der ersten Strophe darstellt.

Es fängt so großartig an, dass ich Angst habe, enttäuscht zu werden, wenn ich bis zum Ende lese.

Verfasst: 08.12.2017, 09:29
von Niko
Danke, klimperer!

"Es fängt so großartig an, dass ich Angst habe, enttäuscht zu werden, wenn ich bis zum Ende lese."
Das kannst du nur herausfinden, indem du weiterliest.....

Herzlichst - Niko

Verfasst: 08.12.2017, 13:00
von Klimperer
Hi, Niko,

natürlich werde ich weiter lesen, und zwar jeden Tag nur eine Strophe, langsam wie die Schildkröte im Momo, dem Roman von Michael Ende.

Verfasst: 08.12.2017, 19:08
von Werner
sehr schön, gefällt mir sehr gut! starkes gedicht. nur ein paar kleine details könnte man, lektorisch gesehen, ändern?

Verfasst: 09.12.2017, 10:21
von Klimperer
Heute bin ich am zweiten Tag, bei der zweiten Strophe angelangt.

Der erste Tag ist offensichtlich einer, an dem der Dichter er selbst ist. Auf jeden Fall, oder oder besser gesagt, ein Tag, an dem er nicht arbeiten muss, an dem er sich frei entfalten kann, seine Umwelt in aller Ruhe beobachten und auf sich wirken lassen.

Oder vielleicht handelt es sich um die Uhrzeit, vielleicht ist der Dichter morgens frei. Auf jeden Fall, die letzten vier Verse der ersten Strophe sagen es ziemlich ausdrücklich:

"morgens brenne ich
über grenzen und dächern
haltlos entfesselt".

Der Tag, (die Wirklichkeit also) "schiebt sich zwischen Auge un Tür".

Ein klares Wort.

Die zweite Strophe des zweiten Tags ist sehr aufschlussreich über das innerlische, subjektive Geschehen des Dichters.

Die Rede ist von "Etwas", das jedes Fürwort mit einem Lied über Einsicht beengt."

Fürworte sind ja Pronomen: Du, ich. In ersten Linie ich.

Ich glaube, der Dichter sieht hier sein Innerstes durch den Alltag bedroht, durch die Konventionen, etc.

Noch mehr, er sieht sich gezwungen, auf sich selbst zu verzichten zugunsten eines "Lieds über Einsicht".

Kompromisse zu machen.

"nur inmitten
spreizt sich der gedanke
an geburt
die bedeutung des feuers"

Mit diesen Versen endet der zweite Tag.

Verfasst: 10.12.2017, 09:14
von Klimperer
III

Dritter Tag. Dritte Strophe.
Hier reflektiert der Dichter über die Situation der vorangegangenen Tage, über das Problem, das existenzielle Problem, über das Dilemma, sein Dilemma.
Als Lösung, als vorübergehende Lösung findet er, sich "an die Wange der gestrigen Pläne anzulehnen." Und die Augen vor dem hereinbrechenden Alltag zu schließen, was bald sich als eine "Spur aus Schnee" herausstellt. Weder Halt noch die Möglichkeit anzuhalten findet er.
Dann kommt eine Reflexion über die Sprache, über ihre Beschränktheit. Die Worte: Gefangene ohne Hofgang.
"Es bleibt nur die Hoffnung auf Laute", sagt er dann, womit er wahrscheinlich auf die Musik anspielt.

Die letzten drei Verse:

"und am ende dachte ich
lehne dich an
die taten von morgen"

stehen im Gegensatz zu der eingangs vorgeschlagene, fehlgeschlagene Lösung.

Verfasst: 11.12.2017, 10:18
von Klimperer
IV

Trotz der Kürze scheinen mir hier zwei kleine Gedichte vorhanden zu sein, am diesem vierten Tag, der eher als ein Appendix des dritten wirkt.
Wenn man es doch als ein Ganzes betrachtet, erscheint das "abends" des sechsten Verses im Widerspruch zum "abend" im zweiten Vers.

Verfasst: 11.12.2017, 13:19
von Niko
Ich warte noch mit antworten.... (bis zum Schluss?)
Nur soviel :
Ich bin extrem erfreut über dein intensives eintauchen in mein Gedicht! Danke erstmal!!!!!!!

Verfasst: 11.12.2017, 15:18
von Klimperer
Das tue ich ja gerne.

Verfasst: 12.12.2017, 08:17
von Klimperer
V

Vielleicht habe ich mich geirrt, als ich dachte, es handelt sich um eine sukzessive Aufzeichnung der sieben Tage der Woche. Vielleicht handelt es sich nur um ein Gedicht, das die seelische Entwicklung des Dichters an einem Tag schildert, und zwar in Bezug auf seine lyrische Tätigkeit, was sein lyrisches Ich empfindet, also.
Im fünften Gedicht dieses Zyklus ist das ziemlich deutlich zu lesen.

Verfasst: 13.12.2017, 09:10
von Klimperer
VI


In Erwartung der Finsternis bekümmert, den Tag entkleiden. In verbundbarer Blöße eilig verbliebene Reste verstauen, vor Einbruch, vor der Dunkelheit.
Dann auf die abgekühlten verkrusteten Narben des Tages gestreckt bereit sein, wie in Erwartung der Liebsten, die zwischen Licht und Dunkel dich nimmt und entfesselt bevor du alleine bleibst und zurück, zwischen allen Trümmern und Seligkeiten, mit dir und der Nacht.
................................................................................................................................................

Ich habe das Gedicht des sechsten Tags in Prosa umwandelt.
An diesem Beispiel kann man sehen, wie echte Lyrik, auch in einem anderen Gewand, Lyrik bleibt.

Verfasst: 14.12.2017, 07:51
von Klimperer
VII
Wir sind zum letzten Gedicht dieses Zyklus angelangt.
Ich finde, wenn man die ersten vier Verse weglässt, gewinnt dieses Gedicht an Kraft:
"an seidenem faden
senkt sich der tag..."

Es klingt flüssiger.

Verfasst: 17.12.2017, 18:03
von Niko
Lieber klimperer,
Vielen Dank für Deine intensiven und interessanten Kommentare.

Das Gedicht ist für mich ein ganz besonderes Gedicht. Es ist das längste Gedicht, das ich je schrieb und für mich ist es auch das beste und dichteste Gedicht (in guter Dosierung), das ich je schrieb. Das Gedicht ist an einem Tag entstanden. Die sieben Abschnitte sind so passiert, aber natürlich bilden sie einen Kreislauf. Wie du es auch schriebst. Die Woche hat sieben Tage. Und sie Teilung in sieben Abschnitte deutet genau darauf hin. Zudem ist die sieben eine heilige Zahl. Alles passt somit.

Ich habe mich gefreut, dass du pro Tag einen Abschnitt kommentiert hast. Auch das manifestiert meine Intention!

Vielen Dank, klimperer!
Herzlichst - Niko