Harz auf Kirschbaum

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Erman

Beitragvon Erman » 10.12.2017, 00:40

Der Dich zu sich nahm,
wird Honig am Körper haben,
warm wie Balsam,
das langsam abfließt.
Und ich, baumelnde Kirsche,
soll harzen
um zu vergessen;
das Lied vom Heranreifen des Weizens,
und den Sand der Zeit
im Hals kleiner Vögel.
Das, wie der Mond auf dich scheint,
erhebt mich von Augenblick zu Augenblick.

Mit der Stirn den Schatten dahinter aufbrechen,
wenn auch all meine Blätter
ihre Gesichter von mir abwenden.

Um dich zu suchen?

Im Dämmerlicht von den letzten
Sonnenstrahlen durchschossener, tropfender Harz
hat Deine Augenfarbe.
Ein Flüsterer in der Landschaft sagte zu mir:
Zu viel suchend bekommst du
immer weniger, du Luzider.

Die Kirsche verharzte
mit der Farbe Deiner Augen,
hinterließ eine tiefe Wurzel,
wo ich nie zuvor war....

Nifl
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Beitragvon Nifl » 10.12.2017, 08:35

Willkommen Erman,

einen spannenden Text hast du da mitgebracht. Keiner, der sich liest wie eine tausendfache Neuauflage, sondern ausgedrückt in einer kreativen Originalität, die Beziehungsnot figurativ anhand eines Kirschbaumes. Vielleicht erreicht mich der Text so, weil ich Kirschbäume mit ihren Verknüpfungen (Stichwort Reflektionsinstanz) auch ganz besonders finde. Schön auch, dass du stringent im Bild bleibst.


Der Dich zu sich nahm,
wird Honig am Körper haben,
warm wie Balsam,
das langsam abfließt.

klasse! aber: der langsam


Und ich, baumelnde Kirsche,
soll harzen

großartig


um zu vergessen;

das ist mir ein bisschen zu banal, habe da sofort "ich trinke um zu vergessen" im Ohr


das Lied vom Heranreifen des Weizens,
Weizen ist für mich ein "Bilderbruch", würde ich streichen


und den Sand der Zeit
im Hals kleiner Vögel.

stark


Das, wie der Mond auf dich scheint,
erhebt mich von Augenblick zu Augenblick.

statt "das" "so"?


Die Kirsche verharzte
mit der Farbe Deiner Augen,
hinterließ eine tiefe Wurzel,
wo ich nie zuvor war....


schön schön (drei Punkte/ das dritte Mal Harz ist "grenzlagig")

Toller Einstand im Blauen, sehr gerne gelesen.

Grüße
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Erman

Beitragvon Erman » 10.12.2017, 10:16

Hallo Nifl

vielen Dank fürs Willkommen heißen, Lesen und Kommentieren.

Was meine Texte anbelangt, da bin ich furchtbar stur. Aber Vorschläge und Verfeinerungen nehme ich, soweit sie mir gefallen, sehr gern und mit Freude an. (In diesem Fall aber manche nur).

LG Erman


Der Dich zu sich nahm,
wird Honig am Körper haben,
warm wie Balsam,
der langsam abfließt.
Und ich, baumelnde Kirsche,
soll harzen
um zu vergessen;
das Lied vom Heranreifen des Weizens,
und den Sand der Zeit
im Hals kleiner Vögel.
So, wie der Mond auf dich scheint,
erhebt mich von Augenblick zu Augenblick.

Mit der Stirn den Schatten dahinter aufbrechen,
wenn auch all meine Blätter
ihre Gesichter von mir abwenden.

Um dich zu suchen?

Im Dämmerlicht von den letzten
Sonnenstrahlen durchschossener, tropfender Harz
hat Deine Augenfarbe.
Ein Flüsterer in der Landschaft sagte zu mir:
Zu viel suchend bekommst du
immer weniger, du Luzider.

Die Kirsche verharzte
mit der Farbe Deiner Augen,
hinterließ eine tiefe Wurzel,
wo ich nie zuvor war....

Nifl
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Beitragvon Nifl » 10.12.2017, 10:35

Meine Vorschläge stehen immer im Konjunktiv und nicht im Imperativ. Sie dienen auch nur zur Verdeutlichung meiner Perspektive. Und gut, dass du nicht so leichtgläubig deinen Text in allen Punkten verrätst. Mir gefällt er mit den Änderungen noch besser :ff: .

Grüße
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 10.12.2017, 10:38

Hallo Erman,

und willkommen im Salon!"

Erman hat geschrieben:Was meine Texte anbelangt, da bin ich furchtbar stur.


Tjaha, das ist die Crux mit uns Schriftstellern. Nicht, dass mir das unsympathisch wäre, und du legst hier auch einen sehr kraftvollen Text hin.

Trotzdem mal der Hinweis: Hier hast du ihn in den Bereich "Textarbeit" eingestellt, was bedeutet, dass du neben reinen Leseeindrücken auch immer mal Korrketurvorschläge bekommen wirst. Manchmal sind die besser als die Sturheit zugeben will ... spreche da aus Erfahrung ... :D:

Aber es ist natürlich legitim, diese nicht anzunehmen, so man felsenfest dahintersteht.

Wenn es dir um das reine Präsentieren - deiner Meinung nach - "fertiger" Texte geht, wäre der Bereich "Publicus" vielleicht eine Alternative.

Zum Text: Nifl hat das schon treffend gesagt. Ich finde hier auch eher ungewöhnliche (insofern gute) Bilder, die schon sehr stark und kreativ gesetzt sind. Da freut man sich auf weitere Beiträge.

Cheers,

Tom.

Nachtrag zu deiner Signatur: Ich kenne mindestens noch eine ungerade Linie, die etwas geradebiegen kann: Das Meer.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 10.12.2017, 11:01

Hallo Erman,

auch hier noch mal Willkommen im Salon. Auch für mich ein starker Einstandstext.

So, wie der Mond auf dich scheint,
erhebt mich von Augenblick zu Augenblick.
Da hätte ich auf ein bisschen mehr Sturheit von dir gehofft. ;): Das "Das" war für mich genau richtig gesetzt. Das "so" verstehe ich im Hinblick auf die nächste Zeile nicht?

Was für mich aus dem Gedicht fällt, ist diese Zeile:
"Um dich zu suchen?"
Auch schade, dass durch sie das "Zu viel suchend" so eingeschränkt wird. Vielleicht würde ein "Zu dir?" ohne Leerzeile davor mehr Raum geben und trotzdem die gleiche Frage beinhalten?

Die Punkte am Ende, auch wenn es vier sind, würde ich weglassen. Das hat Nifl ja auch schon angesprochen. Diesen Trommelwirbel braucht das Gedicht für mich nicht, im Gegenteil, es verschiebt es für mich am Ende ins Banale, und gerade ohne Punkt würde das Offene stärker spürbar.

Freue mich auf mehr von dir.

Liebe Grüße
Ylvi

Edit: Ach, und es wäre gut, wenn du neue Fassungen, wenn du dich dafür entschieden hast, ins Kopfposting zum Ursprungstext stellen würdest. Dann ist die Entwicklung und der aktuelle Stand auch für nachfolgende Kommentatoren und Leser nachvollziehbar und sichtbar. Im Faden geht das leicht unter.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Erman

Beitragvon Erman » 10.12.2017, 11:22

Hallo Tom,

auch dir; hab vielen Dank fürs Willkommensgrüßen Lesen und Kommentieren.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Mir sind Vorschläge zu meinen Texten sehr willkommen.
Ich habe nichts dagegen wenn jemand, wie Nifl mir seine gut gemeinte Meinung unter meinem Text hinterlässt. Man lernt ja nie aus. Manchmal aber, bin ich eben nicht der gleichen (100%) Meinung wie der Leser, das ist alles. Manchmal bin ich auch sehr exzentrisch und mag nach einiger Zeit selbst meine Gedichte nicht.


Ansonsten alles klar - ich beginne langsam das Forum zu mögen. :daumen:

Freut mich, dass Euch beiden mein Text gefallen hat.

Liebe Grüße
Erman

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 10.12.2017, 11:32

Erman hat geschrieben:Manchmal aber, bin ich eben nicht der gleichen (100%) Meinung wie der Leser, das ist alles.


Das wäre ja auch furchtbar ... dann könnte der Leser ja direkt dein Gedicht selbst schreiben ...



Erman hat geschrieben:Manchmal bin ich auch sehr exzentrisch und mag nach einiger Zeit selbst meine Gedichte nicht.


Sind halt Zeitdokumente, Momentaufnahmen. Die Gültigkeit besteht nur im Moment der Entstehung.
Kein Grund zur Sorge ...
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Erman

Beitragvon Erman » 10.12.2017, 11:49

Liebe Ylvi

vielen Dank fürs Willkommen heißen und Kommentieren.

Ich werde über deine Vorschläge nachdenken, ich muss wieder einen Anlauf nehmen um mich in meinem Text wieder hinein zu versetzen. Es ist für mich nicht leicht Gefühle, Gedanken und manchmal auch Erinnerungen neu zu sortieren. So ticke ich nun mal – manchmal gegen den Uhrzeigersinn. Ja, man kann es auch so sagen ''Es ist nur ein Text aus Buchstaben'', manchmal aber nicht nur.

Dir einen Lieben Gruß

Erman

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Werner
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Beitragvon Werner » 10.12.2017, 13:47

wie schon von meinen vorkommentatoren gesagt: ein sehr starker Text!

Und Nifl hat ja schon ...

mir gefällt das Gedicht sehr gut. Kommt gut rüber und an. sowas mag ich.

nur die drei punkte am ende könnten m.E. entfallen, da sie nicht nötig sind. ein guter text geht im leser automatisch immer weiter.

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birke
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Beitragvon birke » 10.12.2017, 16:54

was für starke einzelne bilder, die sich zu einem großen ganzen fügen - gefällt mir sehr!
toller einstand.
(aber auch ich würde, wäre es meins, auf die punkte am ende verzichten, sie schwächen eher - weil sie ins nichts verlaufen, während ohne sie eine andere tiefe und offenheit nachhallen würde. ich denke, ich würde hier sogar ganz ohne ein (satz-)zeichen enden. aber - das ist selbstverständlich deine entscheidung :))

auch von mir ein herzliches willkommen im salon!

birke
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Erman

Beitragvon Erman » 11.12.2017, 05:49

Hallo Werner,

vielen Dank fürs Lesen. Es freut mich, dass dir mein Text gefällt. Die 3 punkte werde ich löschen.

LG Erman

Erman

Beitragvon Erman » 11.12.2017, 05:51

Hallo Birke,

vielen Dank fürs Willkommensgrüßen Lesen und Kommentieren.
Dir gefällt mein Text, das freut mich - was will man mehr als Autor?

Ja, die drei punkte sind unnötig.

LG Erman

Kurt
Beiträge: 1270
Registriert: 30.09.2011

Beitragvon Kurt » 15.12.2017, 20:36

Enthält ja immerhin einige lyrische Zeilen, interessante Bilder. Und wie man so schön sagt, Potenzial ist da. Aber auch genug Material. Manches ist mir zu allgemein formuliert. Hochtrabend klingend, aber dem Kontext nicht dienlich. Naja, als Anfänger bringt man halt noch nicht alle Elemente unter Kontrolle. Vielleicht hält man mir entgegen, gerade Lyrik dürfe ja ausufern. Gerade das unterscheidet sie u. a. vom sachlichen Text. Okay.

Ich habe mir gerade mal einige Gedichte im Net von Jan Wagner angeschaut. Sehr angenehm für mich die Lektüre, da gut nachvollziehbar die tollen Bilder, überraschenden Assoziationen, und vor allem die Einheitlichkeit. Könnte man von lernen. Also ich nicht. Ich möchte kein Lyriker werden. Es gibt so tolle junge SchreiberInnen. Zwar kann ich mit ihren Texten oft nichts anfangen. Sie werden gelobt, auch von unserem erfolgreichen Werner, kommen sogar in Literaturzeitschriften. Wenn ich mir vorstelle, so ein Text wäre von mir, und alle Welt würde ihn loben, so könnte es mich nicht glücklich machen, hätte ich doch das Gefühl, ein Täuscher zu sein.

LG Kurt
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)


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