Poesie

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Erman

Beitragvon Erman » 11.12.2017, 22:33

Ich liebe das Glück, das nicht glücklich ist
das Lied, das Streitende durch Worte versöhnt,
Freiheit, die ihre Sklaven hat
und Lippen, die man mit Küssen nicht kauft.

Ich liebe alles, was sich bewegt
denn alles was sich bewegt,
bewegt sich nach den Gesetzen der Ruhe, des Todes.
Ich liebe alle Wahrheiten, die nicht verpflichtet sind.

Ich liebe das Wort, um das sich Bilder streiten
und das am Augenlid von innen tätowierte Bild.
Blumen, die sich über Zeiten auseinandersetzen
im Namen der zukünftigen Fruchtböden und Frühlings Erde.

Ich liebe gestrige Zärtlichkeiten
um meinem Körper ''Genug!'' zu sagen
und träume von Pflanzen, Fingern, Augen, Ohren,
die im Wald anders geformt sind als an meinem Körper.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 13.12.2017, 19:00

Schon bei der ersten Lektüre dieses Gedichts hatte ich ein Gefühl, das ich erst jetzt glaube in Worten fassen zu können.

So wie Rilke Musik mit seinen Versen schafft, wahre kleine Symphonien, wie, zum Beispiel Römische Fontäne, so scheint dieser Dichter in der Lage zu sein, Denkmäler mit Worten zu gestalten.

Wie ein Denkmal, so kommt mir dieses Gedicht vor.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.12.2017, 19:02

Hallo Erman,

hier steht mir die mittige Setzung im Weg, sie wirkt auf mich zu sehr Poesieseinwollend und zu wenig aus sich selbst heraus begründet. Was mich dann auch gleich zur Kritik am Titel führt. .-) Ist das Poesie und muss das als Titel, Behauptung darüber thronen? Würde es durch eine (lyrische) Prosa-Setzung verlieren? Für mich nicht. Durch das Zurücknehmen würde es für mich stärker wirken. Durch die Vermeidung mancher Wiederholung des "Ich liebe" ebenfalls, oder durch einen bewusstere Wiederholung z.B. als Rahmen.

Nur mal zum Anschauen:

Ich liebe

das Glück, das nicht glücklich ist. Das Lied, das Streitende durch Worte versöhnt, Freiheit, die ihre Sklaven hat und Lippen, die man mit Küssen nicht kauft.
alles, was sich bewegt, denn alles was sich bewegt, bewegt sich nach den Gesetzen der Ruhe, des Todes.
Ich liebe alle Wahrheiten, die nicht verpflichtet sind.

das Wort, um das sich Bilder streiten und das am Augenlid von innen tätowierte Bild. Blumen, die sich über Zeiten auseinandersetzen im Namen der zukünftigen Fruchtböden und Frühlings Erde.

gestrige Zärtlichkeiten um meinem Körper ''Genug!'' zu sagen und träume von Pflanzen, Fingern, Augen, Ohren, die im Wald anders geformt sind als an meinem Körper.

Ich liebe


Sehr schön finde ich das Überraschende darin, die Wendungen, die aufhorchen lassen. Dass es zum Beispiel "verpflichtet" und nicht "verpflichtend" heißt. Oder das Ende.
Die Liedzeile schrammt schon hart an der Kitschgrenze, aber das wird aufgefangen durch die folgenden Bilder.

Liebe Grüße
Ylvi
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Erman

Beitragvon Erman » 14.12.2017, 08:40

Lieber Klimperer,

vielen lieben Dank fürs Lesen und Kommentieren und Herzlichen Dank für deine Interpretationen!

Rilke? Das ist übertrieben, ich bin nur ein schlichter Hobbydichter.

Lieben Gruß
Erman

Erman

Beitragvon Erman » 14.12.2017, 08:43

Liebe Ylvi,

freut mich sehr, dass Dir mein Gedicht so gut gefällt.

Wie Geschmäcker verschieden sein können ...
Na ja, wenn der Titel stört, dann sollte man sich ihn wegdenken. Natürlich ist für mich alles in der Natur Poesie, der größte Poet ist eben die Natur und nicht der Mensch, der Mensch kopiert nur die Natur und lernt von ihr. Mittig setzen, das mache ich bei manchen Texten sehr oft, es hat für mich eine besondere Bedeutung.
Lyrische Prosa Setzung? Ich würde niemals meine Texte in Prosaform schreiben, ich würde dann gleich eine Prosa schreiben und kein Gedicht. Da habe ich eine andere Vorstellung wie ein Gedicht und wie eine Prosa aussehen soll. Die Wiederholungen sind gewollt, ähnlich wie bei einem Gedicht. Für mich ist ein Gedicht auch ein Lied, da mache ich keine Unterschiede.

Hab vielen Dank nochmal fürs Beschäftigen.

Viele liebe Grüße
Erman

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 14.12.2017, 10:50

Was ist denn ein Hobbydichter?
Die wenigsten Lyriker können von ihrer Kunst leben. Das galt auch für viele Klassiker!
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Erman

Beitragvon Erman » 14.12.2017, 11:29

Ein Hobbydichter ist jemand, der die Dichtkunst für sich als eine Art Hobby sieht.
Ich kann nur für mich sprechen, früher (vor 20 Jahren) waren meine Hobbys unter anderem auch das Zeichnen, dann verging meine Lust für diese Hobbys. Vor 5 Jahren kam ich auf die Idee, nur für mich Gedichte zu schreiben. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis mir auch für die Lyrik die Lust vergeht, doch bis dahin schreibe ich in meiner Freizeit weiter.

Von Kunst leben? Es wäre sehr risikoreich. Heutzutage Interessieren sich die wenigsten Menschen für Lyrik, man hat wirklich andere und vorrangige sorgen, als sich ein Gedichtband zu kaufen. Es kommt hinzu, dass nur eine immer kleiner werdende Gruppe für Lyrik ein Ohr hat. Denke ich Mal.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 14.12.2017, 14:05

Hallo Erman,

Na ja, wenn der Titel stört, dann sollte man sich ihn wegdenken.
Hm, ja, das kann man natürlich immer, auch mit Worten, ganzen Zeilen. Aber das ist ja nicht so wirklich Sinn der Sache oder ein Grund. .-)

Natürlich ist für mich alles in der Natur Poesie, der größte Poet ist eben die Natur und nicht der Mensch, der Mensch kopiert nur die Natur und lernt von ihr.
Das klingt erst mal schön, aber letztlich doch leer. Was soll "Poesie" und "Poet" hier bedeuten? Die Natur ist. Sie braucht keine Worte. Ich frage mich aber vor allem, was das mit diesem Gedicht zu tun hat?

Mittig setzen, das mache ich bei manchen Texten sehr oft, es hat für mich eine besondere Bedeutung.
Eine Bedeutung, die auch dem Leser ersichtlich, nachvollziehbar sein sollte, die im Text selbst begründet ist und sich auf die Rezeption auswirken soll? Oder nur für dich selbst als Schreibender?

Lyrische Prosa Setzung? Ich würde niemals meine Texte in Prosaform schreiben, ich würde dann gleich eine Prosa schreiben und kein Gedicht. Da habe ich eine andere Vorstellung wie ein Gedicht und wie eine Prosa aussehen soll.
"Niemals" ist ein großes Wort. .-)
Gerade im anderen Faden gelesen:
Erman hat geschrieben:Umbrüche sind nur ein Indiz , dass es sich bei einem Text mit Umbrüchen um ein Gedicht handelt, wohlgemerkt nur ein Indiz.
Was wäre hier denn noch ein Indiz? Du schreibst hier eine Aufzählung in ganzen Sätzen. Was hättest du da in Prosa anders geschrieben? Und warum ist dir die Unterscheidung, die Begrifflichkeit so wichtig? Und bezieht sich das "aussehen" nur auf die Optik, oder meinst du das umfassender.

Die Wiederholungen sind gewollt, ähnlich wie bei einem Gedicht. Für mich ist ein Gedicht auch ein Lied, da mache ich keine Unterschiede.
Du wolltest schreiben ähnlich wie bei einem Lied? Es gibt natürlich Gedichte, die ihre eigene Melodie in sich tragen und klanglich durch Wiederholungen, Lautmalereien, Auslassungen, besonders gesetzte Zeilenumbrüche, Zeichensetzung etc. wirken, in denen bewusst mit diesen Elementen gearbeitet wird. Hier sehe und höre ich das allerdings nicht. Für mich unterstreichen die Wiederholungen, wie auch die Umbrüche hier nur den Aufzählungscharakter, das Prosaische. ;):

Liebe Grüße
Ylvi
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Beitragvon ZaunköniG » 14.12.2017, 16:07

Erman hat geschrieben:Ein Hobbydichter ist jemand, der die Dichtkunst für sich als eine Art Hobby sieht.
Ach! Und was ist ein Hobby?


Erman hat geschrieben: Vor 5 Jahren kam ich auf die Idee, nur für mich Gedichte zu schreiben. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis mir auch für die Lyrik die Lust vergeht, doch bis dahin schreibe ich in meiner Freizeit weiter.

Von Kunst leben? Es wäre sehr risikoreich. Heutzutage Interessieren sich die wenigsten Menschen für Lyrik, man hat wirklich andere und vorrangige sorgen, als sich ein Gedichtband zu kaufen. Es kommt hinzu, dass nur eine immer kleiner werdende Gruppe für Lyrik ein Ohr hat. Denke ich Mal.



Natürlich ist der Gelderwerb ein schlechter Maßstab um Hobbydichter von "richtigen" Dichtern zu unterscheiden, aber es gibt auch Menschen, die im Leben öfter mal Jobs und Branchen wechseln. Es soll auch Menschen geben, die alle halbe Jahr eine neue Große Liebe finden. Die Zeit kann den Hobbydichter also auch nicht definieren. Also was ist ein Hobby?

Selbst Modellbau oder Briefmarkensammeln kann man ernsthaft betreiben, und es gibt auch dort nur wenige, die davon Leben können.

Die Frage ist ist wohl eher: Ist es ein Zeitvertreib oder ist es eine Passion? Das hat weder mit Geld zu tun, noch damit wie lange du es schon machst, und auch nicht wie gut oder schlecht du bist. Wenn du dir natürlich selbst die Ernsthaftigkeit absprichst, entwertest du schon allein dadurch deine Texte - und auch jede Diskussion.

Selbst wenn du keine Zeile niederschreiben würdest:
Seine Gefühle, Visionen und Überzeugungen auszudrücken oder ihnen auch nur nachzuspüren ist doch kein Hobby!

ernsthaft
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Erman

Beitragvon Erman » 14.12.2017, 16:08

Liebe Ylvi!

Deine Worte haben in mir diese Gedankenwolke erzeugt:
Ich denke, man müsste wieder alles von Neuem und anders sagen. Worte sind nicht Merkmale von Gegenständen, sondern bereits selbst Gegenstände - in ihrer Aktualität. Die Welt stirbt langsam.
Alle Menschen starren in die verlogene Zeit auf der Wand. Grenzen in denen wir leben, sind nicht die grenzen, in denen wir sterben.


Ich weiß meine Poesie ist für dich sehr interessant und du willst alles in kurzer Zeit erfahren, das wäre aber nicht fair von dir. Du stellst mir zwar die richtigen Fragen, doch wenn ich sie dir so schnell beantworten würde, hätten wir dann fast nichts mehr zu besprechen.
Ich schlage vor, warte noch eine weile, bis ich mindestens noch zehn Texte eingestellt habe, dann
wirst du meine Poesie, bzw. Das, was ich darunter verstehe, anders Auffassen.


LG Erman

Erman

Beitragvon Erman » 14.12.2017, 16:53

Zaunkönig!

Deine feine Frage ''Was ist ein Hobby'' werde ich dir gerne beantworten. Hobby ist eine Freizeitbeschäftigung, die dem eigenen Vergnügen dient.

Richtige Dichter gibt es die? Alle Dichter, die ich namentlich kenne, sind tot. Zeitvertreib oder Passion? Ich würde sagen es hat etwas mit der Befindlichkeit Zutun.

Zitat:''Wenn du dir natürlich selbst die Ernsthaftigkeit absprichst, entwertest du schon allein dadurch deine Texte - und auch jede Diskussion.''

Ich habe mich als Hobbydichter bezeichnet und dadurch hätte ich meine Ernsthaftigkeit verloren?
Wie das? Warum kommst du nicht auf die Idee, dass ich vielleicht sehr bescheiden bin und nur meine Texte für mich sprechen lasse?

Ich selbst nenne meine Gedichte fast abwertend Texte, obwohl sie natürlich Gedichte sind und keine Zeitungsanzeigen. Meine wirklichen Gefühle, Visionen und Überzeugungen gehen nur mich etwas an, ich zeige sie nur dem, der sie auch zu schätzen weiß, oder denen die davon keine Ahnung haben. Ich kenne mich selbst sehr gut, dafür brauche ich nicht zu philosophieren.
Ich hatte Mal einen Taubstummen Freund, der in der schlimmsten Winterkälte im Park sein Hemd auszog und vorbeigehende bat ihnen sein Herz zu zeigen, nur, dass ihn niemand verstand und nicht wieder anzog. Damit wollte er nur sagen, dass er niemanden hat, dem er sein Herz geben könnte. Jetzt hat er jemanden.

Verstehst du das? Das glaube ich nicht. :cool:

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Beitragvon ZaunköniG » 14.12.2017, 19:45

Hallo Erman,

Sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, oder das was man tut, sind mitunter zwei Seiten der selben Medaille. Und du kennst Dichter, die noch nicht tot sind! Dieses Forum z.B. ist voll von ihnen, auch wenn nicht jeder eigene Veröffentlichungen vorzuweisen hat.

Deine Gefühle sind deine Sache, ok. Aber auch erfundene Figuren und deren Gefühle sind ein Ausdruck wie du die Welt siehst oder wünscht und befürchtest, oder? Warum macht man sich Gedanken über fremde Schicksale oder denkt sich welche aus? Nur aus Zeitvertreib? Und warum präsentiert man seine Texte? Um zu unterhalten? Aus Eitelkeit? Vielleicht auch das, aber wir wissen beide, dass das nicht alles ist.

Ich wollte nicht sagen, dass Du deine Ernsthaftigkeit verloren hast, nur, dass "Hobbydichter" ein heikler Begriff ist.

Wie gut du dich selbst kennst, maße ich mir nicht an zu beurteilen. Dafür kennen wir uns nun wirklich zu wenig, aber wird man je fertig damit, sich und andere kennen zu lernen? Wenn dir "philosophieren" als Begriff zu hochtrabend ist, nenne es einfach nachdenken, nachspüren....


Gruß
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Erman

Beitragvon Erman » 14.12.2017, 21:28

Lieber ZaunköniG

ich weiß nicht warum, aber mir gefällt dein Kommentar sehr, wahrscheinlich, weil ich dir in vielen dingen, die du jetzt erwähnt hast zustimmen werde. Ich bin ein sehr offener Mensch und ziehe es vor, die Dinge beim Namen zu nennen. Was mir aber oft nachtragende Zeitgenossen eingebracht hat. Obwohl ich Naturgemäßes nie nachtragend bin. (Du bist aber nicht gemeint).

Es fällt mir sehr schwer heutzutage jemanden als Dichter oder Poet anzuerkennen, mich nehme ich dabei n i c h t aus. Ich müsste aber dafür ihre Werke lesen, um mir eine Meinung zu bilden. Eine Veröffentlichung sagt mir wenig.

Zitat:''Aber auch erfundene Figuren und deren Gefühle sind ein Ausdruck, wie du die Welt siehst oder wünscht und befürchtest, oder?''
Ich gebe dir recht, doch ich bin in einer Phase geraten, wo ich fast alle meine Werke hinterfrage. Vielleicht ist ''hinterfragen'' ein falsches Wort dafür, doch mir fällt im Moment kein Adäquates ein. Ich weiß, nicht ob du es verstehst.

Zitat:''warum präsentiert man seine Texte?'' Das ist eine wirkliche Frage. Ich denke unter anderem auch, weil man sich mitteilen will.

Zitat:''nur, dass "Hobbydichter" ein heikler Begriff ist.'' Ich verstehe, aber es gibt den Gelegenheitsdichter auch.

Zitat:''wird man je fertig damit, sich und andere kennenzulernen?'' Nein. Es gibt sogar Menschen, dafür reicht ein Leben nicht.

Philosophieren? Wer philosophiert denn nicht, das tun alle Menschen, jeden Tag sogar.

Dieser Austausch hat mir gefallen.
LG Erman

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 16.12.2017, 15:55

Ja, "Gelegenheitsdichter" klingt schon viel besser.
Je nach schwere der Schübe könnte man auch Quartalslyriker sagen ;)
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck


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