lass mich

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
danielson

Beitragvon danielson » 12.01.2006, 14:43

dann lasse
ich mich fallen
denk an regen
im november
ohne schnee.

dann gebe
ich mein atmen
meinen sinnen
und ich denke
gott wird’s wissen
denn ich weiß
er schafft mich nie.

dann lege
ich mein herz
in deine wunden
drücke zu
und die pupillen
wachen auf.

dann hasse
ich dich dafür
dass ich hasse,
wie ich dich trotz deiner
längst verlassen hab.

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 13.01.2006, 09:06

Hallo danielson,

ich muss gestehen, dass mich deine Zeilen ziemlich verwirren. Hadert da jemand mit Gott, weil er glaubt, ohne an ihn glauben zu wollen??

Ratlose Grüße
Marlene

claire.delalune

Beitragvon claire.delalune » 13.01.2006, 14:46

hallo danielson,
hm, ich spüre was zwischen deinen zeilen - aber ob das stimmt und deiner intention gerecht wird, weiß ich nicht.
du hast interessante wortfolgen in deinem gedicht, die mich herausfordern und das mag ich eigentlich. dennoch bleibt einiges offen und an manchen stellen bleibt verwirrung.

ich möchte dein gedicht hier mal hinstellen, so wie ich es gelesen habe, ok?

dann lasse
ich mich fallen
denk an regen
im november
ohne schnee.

(alles grau und trübe - ohne das strahlende, reine weiß des schnees - das lyr. ich läßt sich in die traurigkeit/melancholie fallen - diese strophe gefällt mir)

dann gebe
ich mein atmen
meinen sinnen
und ich denke
gott wird’s wissen
denn ich weiß
er läßt mich nie.

(hier hab ich ein wort ausgetauscht, weil es für mich so verständlicher wird, ich mir was drunter vorstellen kann. mag sein, daß das für dich gar nicht paßt. doch wie gesagt - es ist meine lesart.
das lyr. ich findet einen gewissen trost darin, daß es um das dasein gottes weiß, eine gewisse ruhe kehrt ein, frieden, eine rückkehr zum leben wird spürbar)

dann lege
ich mein herz
in deine wunden
drücke zu
und die pupillen
wachen auf.

(erneute wendung: erinnerung an schmerz - anscheinend gegenseitig zugefügt - herz als sitz des lebens, der liebe wird in wunden gedrückt - man hat sich gegenseitig weh getan und plötzlich steht dem lyr. ich das alles wieder schmerzhaft vor augen)

dann hasse
ich dich dafür
dass ich hasse,
wie ich dich trotz deiner
längst verlassen hab.

(kleine wendung: das lyr. ich liebt das lyr. du wohl immer noch "wie ich dich trotz deiner" - lese ich als: obwohl du bist wie du bist habe ich dich verlassen - und ich hasse dich dafür, daß ich mir das nicht verzeihen kann.)


wie gesagt - ich hab keine ahnung, ob meine interpretation auch nur ansatzweise richtig ist.
wenn das nicht stimmen sollte, was ich so rausgelesen habe, solltest du noch mal überlegen, wie du deine gedanken besser rüberbringen kannst.

bin sehr gespannt auf deine antwort.

lieben gruß,
kathrin

Max

Beitragvon Max » 13.01.2006, 15:13

Liebe Kathrin,

lieber Danielson,


danke für das Gedicht und Deine Interpretatioon dazu, Kathrin, die mir vielleicht, das Gedicht mehr erschließt. Wenn die Interpretation aber wahr ist oder der Wahrheit nahe kommt, dann finde ich, dass das Gedicht zeimelich viele Themen bzw, Wendungen hat. Ich kann mich also auch Marlenes Verwirrung anschließen

Lieben gruß
max

hwg

Beitragvon hwg » 13.01.2006, 17:02

--- die Wendung "wie ich mich trotz deiner" widerspricht meinem Sprachempfinden. Ansonsten, denke ich, kann ich den Sinn des sehr poetischen Textes nachemfpinden. Für mich ein gelungenes Gedicht, das Interpretationen viel Raum lässt. Gratulation!

danielson

Beitragvon danielson » 14.01.2006, 12:43

Hallo und erstmals danke für's Lesen und für's über's Lesen Schreiben!

Um es kurz zu machen: Beim Schreiben dieser Zeilen war ich ein wenig depressiv. Das ganze hatte private Gründe und gewisse Dinge hingen mir durch die ewige Wiederholung des Gleichen buchstäblich zum Hals raus. Da musste ich Word starten und schreiben. Was heraus kam, war eine Mischung aus Wut, Trotz, Melancholie, Aggression und sogar Gleichgültigkeit. Soviel zur "Genese".
Was die Interpretation betrifft, stimmt wohl alles mehr oder weniger, was ihr herausgelesen habt. Bin begeistert, welchen Nachhall mein Trübsal blasen da gefunden hat! Besonderen Dank an Kathrin, die das Gedicht ausführlich zu analysieren versucht hat (was ihr ja auch bestens gelungen ist.)! Möchte dazu auf ein paar Details eingehen:

1. Str. habe ich nichts hinzuzufügen.

2. Str. "Lässt" wäre auch aus meiner Sicht denkbar, "schafft" deshalb, weil die Semantik des Wortes sowohl "erschaffen" als auch "unterkriegen" zulässt. "Lässt" hingegen ließe ebenso "verlassen" und "erlauben" zu, allerdings gefällt mir "schafft" doch besser, da hier mehr Kampf und Unwillen zu spüren ist (für mich zumindest).

3. Str. ebenfalls nichts hinzuzufügen

4. Str. einzig: "obwohl du bist, WER du bist, habe ich dich verlassen" - und WEIL du bist, wie du bist. --> Diskrepanz zwischen tiefen Gefühlen für den Menschen und oberflächlicher Abneigung gewisser Wesenszüge dessen.

Aber auch Marlenes Interpretation hat durchaus ihre Berechtigung und trifft zu, wenngleich das Motiv des Haderns mit Gott nicht so stark ist.

Man kann auch eine Kokain-Sucht herauslesen, finde ich (bitte nicht auf mich beziehen!). Insgesamt vielleicht der Versuch, sich zu emanzipieren --> "Lass mich"

Vielen Dank für die vielen Antworten auf das Gedicht und liebe Grüße!!!

Daniel


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