Don Quichotte

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
pompeius

Beitragvon pompeius » 14.03.2006, 19:38

Stunde Null,
Vertrauen zerstört,
Zwillinge geboren,
Eineiigkeit verwehrt.

Ein unüberwindbarer Steinwurf, ein Gefühl von ganz weit weg und anderswo.

Jahrzehnte später in Einklang gesungen,
Des Volkes Wille erhört,
Der steinerne Faden ist gezogen,
Ein jeder feiert betört.

Gelacht wird zusammen, allein wird geweint,
Eine Narbe des Zeitanspruchs der verrostenden Sichel,
Nur eines der Windmühlenblätter aneinandergereiht.
Leitkultur, ruhige Hand, Stagnation, Verdrossenheit ... Schlagworte verursachen Veilchen,
... immer druff! Meckernde Muhs, Mähs der Schwarzseher! Detailverliebtes Auge erkrankt am Grauen Star!

Und keiner sieht!
Blühende Landschaften, deren knospentreibende Sporenspur,
Im Großen und Ganzen drei Farben, drei Lanzen:
Verantwortung, Geist, Kultur!

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 15.03.2006, 02:32

Hallo Pompeius

Tja, Dein Gedicht überzeugt mich in keinster Weise...

Don Quichotte, der Ritter von der traurigen Gestalt, reitet gegen das Neue (Windmühlen) an, die er schlicht und einfach nicht verstand. Meintest Du wirklich den wirklichkeitsfremden ewiggestrigen Träumer aus Cervantes Roman, als Du diesen Titel gewählt hast?

Du beschreibst also die deutsche Geschichte nach 1945.

Dein Gedicht kommt meinen Ohren derart idyllisierend daher, zum einen überzogen verklärend im Schlussatz "Verantwortung, Geist, Kultur!" (diese Attribute siehst du also hierzulande so prägend, wie Du sie beschreibst???), zum anderen fehlen die Ereignisse, die mit Verantwortung, Geist, Kultur überhaupt nichts zu tun haben (z. B. Rostock, Solingen oder Schwarze-Koffer-Skandale diverser Politiker), dass ich eine Marschkapelle vorbeitröten höre.

Das dritte Reich, immerhin der Wegbereiter der Stunde Null, wird von Dir kaum behandelt. Lediglich die zwei Worte "Vertrauen zerstört" verlierst du darüber. Wessen Vertrauen zu wem wurde eigentlich zerstört? Solltest Du nicht den Nationalsozialismus in zwei, drei weiteren Versen erörtern? Er ist der Wegbereiter der Stunde Null, mit der du dein Gedicht einläutest.

Zu den knospentreibenden Sporenspuren...
Haben Blütenpflanzen Sporen, ich dachte, die hätten nur Pilze und Rittherren?
Mir zu tümelnd...eine inhaltliche Kritik, aber nicht nur.

Gurke

Gast

Beitragvon Gast » 15.03.2006, 08:07

erst mal Willkommen,
auch wenn dich das nicht gerade ermutigt, ich glaube du bist neu hier, aber Jürgen (Gurke) hat recht mit dem was er sagt.
Allerdings gehe ich noch einen Schritt weiter, weil ich denke, dass die Themen, die du in ein einziges Gedicht packen willst, anderenorts Wälzer füllen, womit ich dannn zur Form komme.
Gedichte, Lyrik lebt von Verknappung, einer bildhaften Sprache ohne anzuprangern sollte sie dem Lesenden die Möglichkeit des Spiegelns geben, oder Zustände, Begebenheiten bewusst machen, wenn sie denn gesellschaftskritisch rüber kommen soll.
Vielleicht kannst du unteer diesem Aspekt dein Gedicht einmal überdenken und Jürgens Gedanken einbeziehen.
Einen schönen Tag - hoffentlich ohne Marschmusik ;-)
Gruß
Gerda

pompeius

Beitragvon pompeius » 16.03.2006, 12:38

hallo zusammen,

meine intention war nicht einen historischen gedichteband über unser vaterland zu schreiben, sozusagen mein „wintermärchen“, vielleicht später... :grin: heine hätte es bestimmt geschafft die prügeldeppen aus rostock, spendenaffäre und sonstiges pointiert darzubieten.

Und außerdem: kann man nun langsam auch mal eine geschichte über deutschland nach dem zweiten weltkrieg beginnen?
das gedicht ist in einer zeit entstanden, in der es mir ziemlich auf den sack ging, dass in diesem lande nur gejammert wird. wollte kurz und prägnant darauf hinweisen was das deutsche volk geschafft hat, dass es aus eigener kraft (mehr oder weniger, nicht gleich zubeißen,bitte...) heraus eine mauer überwunden hat. dass verantwortung, geist und kultur, nennt mich altmodisch, für mich werte sind, besser gesagt, von wert sind, schon immer da waren und nicht vernachlässigt werden sollten, gepflegt werden sollten. sozusagen eine „besinnt euch“-message.
Und ist da don quichotte nicht ein guter ansatz?
Don quichotte, das muss ich noch hinterherlegen, ist eine skuptur eines von mir sehr geschätzten künstlers, zu der ich mir dieses gedicht einfallen ließ, dort sind drei lanzen in den farben schwarz, rot, gold integriert. Fragt mich jetzt bitte nicht welche farbe zu verantwortung, geist, kultur zugeordnet wird.
Gebe gurke recht, wenn es zu idyllisierend daherkommt.
Stimme euch zu, dass zu viele bilder aneinandergereiht wurden in dem gedicht. Holpert doch ziemlich.
„Gedichte, Lyrik lebt von Verknappung, einer bildhaften Sprache ohne anzuprangern sollte sie dem Lesenden die Möglichkeit des Spiegelns geben, oder Zustände, Begebenheiten bewusst machen, wenn sie denn gesellschaftskritisch rüber kommen soll.“ - gefällt mir. Danke, Gerda. Werde ich mir zu herzen nehmen.

Danke euch,

träumer pompeius

p.s.: sporen, ja die sporen...

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 18.03.2006, 00:11

Hallo Pompeius

Deine Antwort manifestiert meine Bedenken an Deinem Gedicht.

Du schreibst;
"Und außerdem: kann man nun langsam auch mal eine geschichte über deutschland nach dem zweiten weltkrieg beginnen?"

Geschichte kann man nicht beginnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Geschichte stattgefunden. Und sie wurde auch akribisch niedergeschrieben und festgehalten. Wenn Du mit deinem Antrag auf Neubeginn wünschst (und das kannst Du nur wünschen) eine Geschichte vor 45 sollte als abgeschlossen gelten, quasi nicht gewesen sein, würdest du die Geschichte ad absurdum führen. Das dritte Reich ist gewesen, die DDR ist gewesen, all das kann man nicht wegstreichen, weil es einem so in die Befindlichkeiten passt. Geschichte läuft fort, sie wird be- aber nicht geschrieben.

Ich habe den Eindruck, dass es Deinem Gedicht gut tun würde, eine Meinung zu analysieren, die du nicht teilst. Warum wurde so gemeckert, dass es Dir auf den Sack ging? Ich nenne dich nicht altmodisch, habe ich nicht geschrieben, aber sind die Attribute "Verantwortung, Geist, Kultur" wirklich kennzeichnend? Haben andere Völker weder Verantwortung noch Geist noch Kultur??? Oder weniger? Oder die Deutschen besonders? Sind diese Attribute kennzeichnend???

Vielleicht könntest Du Dein Gedicht erweitern.

Gurke

cyberpoet

Beitragvon cyberpoet » 18.03.2006, 00:54

hallo gurke,

ungeachtet des textes von pompeius würde ich auch gerne dazu etwas feststellen. wenn es um diesen teil der europäischen geschichte geht, dann ist österreich sicherlich ein teil davon. wenn es nun im spezifischen um verantwortung, geist und kultur geht, dann meine ich, dass es die deutschen deutlich besser verstanden haben, diesen dunklen fleck der geschichte aufzuarbeiten, als wir österreicher.
abgesehen von einem schuldbekenntnis, welches die deutschen in dieser sache sehr früh eingestanden haben, wurde in österreich noch mit vorliebe die rolle des ersten opfers des naziregimes gepflegt. und das ist bis zum heutigen tage noch so bei manchen teilen der bevölkerung.
ich will damit keineswegs behaupten, dass der deutsche umgang mit der jüngeren geschichte durchwegs astrein über die bühne gegangen ist, jedoch in jedem falle bewusster, als es meine landsleute in dieser situation gehandhabt haben.

grüsse aus wien

sendet

cyberpoet

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 13.11.2017, 09:08

Ahnungslos habe ich dieses Gedicht geöffnet, angezogen von dem Titel und von dem Pseudonym des Verfassers.

Pompeius war der größte Widersacher Julius Cesars. In dem Bürgerkrieg, der um den Machtkampf zwischen den beiden entstand, ging der Letzte als Sieger heraus. Was das geschichtlich wirklich bedeutete war, nachträglich, das Ende der Republik
und der Beginn der Kaiserzeit, angefangen bei Augustus. Er war noch recht gut. Danach kamen Andere: Caligula, Nero ...


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