Der Kuss am Strand

Hier ist Raum für Werke, die das Zusammenspiel zwischen Literatur & anderen Künsten betonen, etwa Inspirationsfotos, fiktive Postkarten
Jelena

Beitragvon Jelena » 11.03.2012, 09:33

Der Kuss am Strand

bei Vollmond
sammeln wir die weißen Tropfen
in unserem Herzgefäß
verlassen die Nacht
nicht vor Tagesanbruch
auf den Lippen
die Farben des Sommers

Quoth
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Beitragvon Quoth » 14.03.2012, 10:59

Hallo Jelena, Du hast ein nicht besonders aufregendes Bild von Munch zum Aufhänger Deines Textes gemacht. Oder war der Text fertig, und dann fandest Du dies Bild und hast ihn gleichsam damit illustriert? Es ist sicherlich nicht verwunderlich, dass Munch, der als junger Künstler mit sehr expressiven Bildern auf sich aufmerksam machte, später die Harmonie zwischen den Geschlechtern darzustellen suchte. In "wir verlassen die Nacht nicht vor Tagesanbruch" steckt hier wohl der expliziteste Teil, denn die Nacht wird gleichgesetzt mit der Liebe, andernfalls wäre die Aussage banal (man kann die Nacht ja vor Tagesanbruch gar nicht verlassen). Das "Herzgefäß" gefällt mir weniger - na klar, es ist von Liebe die Rede, da ist das Herz nicht weit. Aber gerade deshalb!
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.03.2012, 09:02

Hallo Jelena,

spannend finde ich hier vor allem, dass das Bild auf mich völlig anders wirkt, ganz andere Assoziationen weckt, als der Text. Ich kann sie gar nicht "zusammenbringen". Würde mich auch interessieren, ob erst das Bild oder der Text da war.

Quoth hat geschrieben:In "wir verlassen die Nacht nicht vor Tagesanbruch" steckt hier wohl der expliziteste Teil, denn die Nacht wird gleichgesetzt mit der Liebe, andernfalls wäre die Aussage banal (man kann die Nacht ja vor Tagesanbruch gar nicht verlassen).
Diese beiden Zeilen scheinen mir auch der Angelpunkt des Gedichtes. Ich glaube genau dieses irritiert sein, weil es ja anders gar nicht möglich ist, gefällt mir. Man kann die Nacht weder halten noch vorzeitig verlassen. Es liegt nicht in der eigenen "Macht".

"Vollmond" und "Herzgefäß" sind mir zusammen zu "dick" aufgetragen. Und der Sprung zu den Farben des Sommers ist gewagt und groß. Ich weiß noch nicht, ob das für mich stimmig gelingt. Vielleicht steht mir da aber auch das Bild im Weg.

(Es hat mich wieder an dieses Gedicht von Peter erinnert. viewtopic.php?f=43&t=8475)

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Jelena

Beitragvon Jelena » 15.03.2012, 09:59

Hallo,

ich hatte das Bild zuerst gesehen, derzeit in Frankfurt ausgestellt, und dann geschrieben. Im Museum war ich mir sicher, dass es auf dem Bild Nacht wäre. Den Titel hatte ich gar nicht mehr im Kopf beim Rückbesinnen und Verinnerlichen und Verdichten. War dann überrascht, dass der Strand vordergründig im Titel benannt wurde, nicht die Nacht. Deshalb wurde ich unsicher, ob mein Vollmond nicht eine Sonne darstellen sollte. So kam der Sommer in die letzte Zeile.

Der genannte Angelpunktsatz drückt die Ruhe und den Stillstand von Zeit aus, den das Bild mir vermittelt. Bildnerisches hat ja keine Sequenzen und meine eigentlich überflüssige Schlussfolgerung stellt ebenso die Schlussfolgerung in Frage, auch ein Art Stillstand, Aufhebung von Sequenz. Ich hatte damit gerechnet, dass mir das hier eher verissen werden würde, aber war von dieser Aussage dann sehr vereinnahmt, sie gefiel mir immer besser und ich wollte sie nicht missen.
Ich finde das Paar hier sehr innig. Belegt man Nacht und Tagesanbruch metaphorisch, wird der Zeitraum, wann denn Tagesanbruch überhaupt ist, tatsächlich unklar.

Der Link zu dem anderen Werk ist ja toll, Flora. Danke dafür. Auch dort tropft der Mond, klasse. Gefällt mir gut.

Das Herzgefäß entstand aus dem auf dem Bild sichtbaren Gefäß, weiß unter dem Mond, als Licht des Mondes oder der Sonne. Es ist auf Höhe der Herzen der Figuren, als wäre das Licht eine dritte Figur. So kam es zu dem etwas kitschigen Wort.

Schöne Grüße, Jelka.


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