hoch – zeit

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Anonymus
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Beitragvon Anonymus » 14.11.2009, 09:48

hoch – zeit

jungvermählt
im weißen blütenkranze
liebesträume endlich
wahr und das glockenläuten
wie ein lachen
das die ganze welt erfüllt

honigmond
in lustgetragnen nächten
schwüre für die ewigkeit geflüstert
mit kussgeschwollnen lippen

was daraus wird:
sich erst im alltag zeigt


.

aram
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Beitragvon aram » 14.11.2009, 12:24

ein kussgeschwollnes gedicht voller neuartiger bilder, subtiler unterscheidungen, animalischem sex und tiefsinnig abschließendem gedankengang in poetischer wortstellung.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 14.11.2009, 12:49

War das ein Lob? :12:

Das Gedicht ist nicht von mir ... ich frag nur so allgemein ...

Grinsgruß von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.11.2009, 13:29

Kitsch as Kitsch can

Trivialer geht's nimmer. Hier fehlen nur noch die flammenden Herzen und die Reime. Poesiealben von Teenagern würde es freuen, falls es sowas heute überhaupt noch gibt.
Einzig zugutehalten kann ich dem Autor hier den letzten Absatz, der in Frage stellt, ob die heile Welt halten wird.
M.E. wird hier jedoch vergeblich versucht, dem "Gartenzwerg" die Zipfelmütze abzuschneiden.

aram, deinen Kommentar kann ich nur als ironisch lesen. ,-)

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leonie
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Beitragvon leonie » 14.11.2009, 15:59

Ganz in Weiß mit einem Blumenstrauß

so sang sich Roy Black in die Herzen der romantischen Damenwelt. Das ist lange her. Ich erinnerte mich daran, als ich den Text las. Ich empfinde ihn im Sprachduktus als ähnlich und auch, was den Kitschfaktor betrifft, kann er mit dem Lied mithalten.

Mein Tipp: mit Melodie unterlegen und es in der Schlagerbranche versuchen.

leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 14.11.2009, 18:43

Ein Hoch und Prosit auf die jungverliebte Blindheit

Aber natürlich ist das überzeichnet! Und ja, natürlich wollen abgeklärte Literaten so etwas nicht lesen. So wenig „gebrochen“, verfremdet und so lapidar – in nur zwei Verszeilen – hinterfragt. Aber ist es nicht genau so? Heiratet der Großteil nicht heute noch „kitschig“? Mit Blütenkranz und Liebesläuten und anschließenden Photos vor dem Nymphenburger Schloss? Abgesehen von den völlig überhöhten Ansprüchen, die man ans Leben zu zweit hat. Wäre dem nicht so, hätten wir vielleicht eine deutlich geringere Scheidungsrate ...

Der Text führt dem Leser genau diese Situation vor Augen. Und ich meine – durchaus mit ironischem Unterton. Weil er eben so dick aufgetragen daherkommt. Die zwei Strophen können nicht eins zu eins gelesen werden, wenn man das Ende in Betracht nimmt. Und dazu noch den Titel. Hoch – zeit suggeriert bereits eine Tief – oder Nieder – Zeit und die Tatsache, dass zwei Verszeilen am Schluss ausreichen, wirkt zusätzlich wie ein Schlag. So kommt es ja auch meistens ... mit einem Schlag, das Erwachen. Sprichwörtlich und tatsächlich.
Ich finde, die gesamte Anlage des Textes, die zwei üppigen Strophen und der knappe Schluss, ist auf diese Konfrontation aus: der tiefe Fall aus höchsten Höhen ... (oh, ein Pleonasmus). Und er nimmt den Leser, der das nicht durchschaut, irgendwie auch auf die Schippe.

Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Text, wenn er gelesen würde, diese Ironie noch deutlicher zeigen könnte.

Hach ja, schrecklich dieser Text, muss er einem auch so deutlich vor Augen führen, was man vielleicht jungverliebt so alles gedacht oder geglaubt hat. Es sei denn ... man war schon immer abgebrüht und voller Lebensweisheit.

scarlett

Und noch was: OT
es ist schon bewundernswert, dass sich überhaupt noch jemand traut, in dieser Kategorie einen Text zu posten, kommt es doch beinah einem dichterischen Selbstmord gleich.
Ich bin nämlich sicher, dass - stünde dieser Text in einer anderen Sparte - er anders wahrgenommen würde.
So "unverblümt" würde sich keiner trauen, seine Meinung kundzutun! Er würde zumindest auf die Verpackungseinheit achten ... und vielleicht auch ein bissi mehr auf den Text!

Und bevor jetzt die Spekulationen losgehen: nein, der Text ist nicht von mir. Aber er könnte es!

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.11.2009, 19:23

Hallo Monika,
Ich bin nämlich sicher, dass - stünde dieser Text in einer anderen Sparte - er anders wahrgenommen würde.
So "unverblümt" würde sich keiner trauen, seine Meinung kundzutun!

Einspruch, euer Ehren,
ich habe bereits beim ersten Lesen sofort erkannt, wer der Autor/die Autorin ist (anhand von 3 "Punkten"). Hätte der Text in einer anderen Rubrik gestanden, hätte ich das Gleiche geschrieben, nur mit Anrede und Gruß darunter. Und du weißt, wie sehr ich diesen Autor/diese Autorin schätze!

Du schreibst, es wäre ein ironischer Unterton dabei und überzeichnet. Diese Überzeichnung kommt mir jedoch viel zu wenig heraus. Da müsste sehr viel mehr her. (Halt zweifach in die Kitschkiste greifen, greller, rosiger ausmalen, etc.). Auch der letzte Passus wirkt auf mich nicht wie ein "Schlag". Stünde da z.B.
... bis zur Scheidung,
dann wäre diese Rechnung für mich aufgegangen.

Saludos
Mucki

aram
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Beitragvon aram » 14.11.2009, 20:25

liebe scarlett,

ich gebe dir recht, dass texte in unterschiedlichen kontexten und manchmal mit rücksicht auf den autor mal mehr und mal weniger verhalten besprochen werden.

ebeno zustimmung, dass die zuschreibung von ironie zumindest ihrem maß nach oft ansichtssache ist.

ich glaube aber auch, dass sich jeder beliebige text schönreden lässt und alles mögliche tolle in texte hineininterpretieren, ist man nur 'gute willens' dazu (wobei je nach bedarf beigestreute, in der literaturszene geläufige begriffe zusätzlich seriosität und überzeugungskraft nähren können)

ironie bedürfte einer gewissen 'geschliffenheit', um als solche anerkennbar zu sein - ich kenne keine 'unbeholfene ironie'

in diesem text finde ich jedoch in jeder strophe unbeholfenheiten, die mir den eindruck vermitteln, dass autorenseitig keine ironische distanz anzunehmen ist.

s1: glockenläuten und lachen sind beliebig montiert und gegeneinander austauschbar
s2: kussgeschwollne lippen - sollte das ironisch wirken, würde es nicht so 'klangbildend' eingesetzt sein
s3: zwei zeilen tiefsinn, incl. doppelpunkt und pseudo-poetischer wortverdrehung

liebe grüße
Zuletzt geändert von aram am 14.11.2009, 20:28, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon leonie » 14.11.2009, 20:26

Liebe scarlett,

Du hast recht, wenn ich wüsste, wer den Text geschrieben hat, wäre ich vielleicht in meiner Kritik in der Wortwahl etwas behutsamer vorgegangen.
Aber ist das nicht auch gerade der Sinn des Anonymus: Dass diese Mechanismen wegfallen und man sich ungeschützt aussetzt?

Wenn dem nicht so ist, muss ich doch mal überlegen, ob ich hier kommentieren kann....

Liebe Grüße

leonie

Lydie

Beitragvon Lydie » 15.11.2009, 12:06

Tja also, ich seh wohl wieder einmal das Problem nicht. Klanglich, bildlich, schön zu lesen und stimmig, existenziell eher ziemlich wahr, so scheint mir. Auch moderne Hochzeiten sind mit Idealen und an Kitsch grenzenden Bildern von Liebe und Glück hoch aufgeladen: Traumbilder. Ein Traum in Weiss, hier sehr schön ausgeführt. Die lapidaren letzten beiden Verse hätten für mich noch etwas ausgeschliffener sein können, im Bild bleibend sozusagen, aber ich weiss nicht so genau, wie das hätte aussehen können. Es ist ein Gedicht wie eine Hochzeitstorte. Andere Gedichte arbeiten mit Gletschern in Reihenhaussiedlungen, wie das von Lisa. Wichtig ist für mich, glaube ich, ob das in sich stilistisch und stimmungsmässig stimmig ist. Ist es für mich jedenfalls. Jeweils.

Lydie

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 15.11.2009, 14:22

Hallo :-)

Also wenn ich den Text lese als zweigeteilt in "sprachlich aufgedonnert" (die ersten beiden Abschnitte) und "sprachlich alltäglich-unbeholfen" (die letzten beiden Zeilen), dann komme ich damit schon klar... Nur ein besseres Verhätlnis würde ich mir wünschen, sprich: der erste Teil scheint mir zu lang, so als müsse man ein Kilo Pudding auf einmal essen ;-) Ich persönlich könnte daher zum Beispiel auf den zweiten Abschnitt vollständig verzichten.

Ferdigruß!

PS: Mucki, solche "Reimabwertungen durch die Hintertür" wie in Hier fehlen nur noch die flammenden Herzen und die Reime lese ich aber gar nicht gerne ;-) -F.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 15.11.2009, 14:32

aram hat geschrieben:ein kussgeschwollnes gedicht voller neuartiger bilder, subtiler unterscheidungen, animalischem sex und tiefsinnig abschließendem gedankengang in poetischer wortstellung.


:mrgreen:
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.11.2009, 14:39

Hallo Lydie,
Tja also, ich seh wohl wieder einmal das Problem nicht.

Das "Problem" ist hier, dass der Text oben, wie du ja selbst schreibt, sich wie eine Hochzeitstorte liest. Friede, Freude, Eierkuchen. Und hier eben kritische Stimmen, wie meine, kamen, dass es eben Kitsch ist. Und dann kam von scarlett die Behauptung, der Autor/die Autorin hätte hier absichtlich überzeichnet, es wäre ironisch gemeint und man könne die Zeilen nicht 1:1 lesen, da man die letzten beiden Zeilen im Zusammenhang dazu lesen muss, sie wie ein Schlag wirken sollten. Mir aber reicht dies nicht aus. Ich lese keine Ironie und auch keinen "Schlag", da es mir zu wenig herausgearbeitet ist.

Ferdi,
mein von dir zitierter Satz bezieht sich auf die Poesiealben. Da geht doch nichts ohne Reime. ,-)

Saludos
Mucki

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.11.2009, 14:42

Das erste posting von aram ist herrlich ironisch, nicht wahr, liebe Elsie?
Vor allem der "animalische Sex", ha, ha.

Zwinkernde Grüße
Mucki


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