Blues

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Anonymus
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Beitragvon Anonymus » 28.11.2009, 15:42

Blues

Im November denke ich Mai, da lebte es sich so
leicht; im Bauch ein Kribbeln und bei jedem Schwung
deine Gedanken zwischen den Schenkeln.
Da rupfte ich Federn aus feinen Worten,
tunkte sie ins Abendlicht und wob ein Nest
für unsere Phantasie(n). Das kleidete ich aus
mit Tönen, die schwangen sanft und verlässlich
wie das Brett unter mir. Hmhmmmhmmhmhm...
Und mein Herz schlug Rad, schwang sich auf,
turnte seine leichtesten Übungen an Seilen,
von denen ich dachte, wir bräuchten sie nicht.

Im November seh ich November, und eine Spinne
über der Schaukel, die hat ein versponnenes Netz gewebt
und fängt jetzt umherfliegende Träume ein,
wickelt sie zu klebrigen Päckchen, ach ja,
bald ist ja - wer will denn so was zum Fest der Liebe?-,
ich wende mich, gehe, sehe am Straßenrand einen letzten
Papaver, rot winkt er mir zu, ich will sein Palaver
nicht hören, denn in mir - - -
in mir klingt, singt, schrillt und schreit
noch immer, immer und immer, noch immer
der Oxy-Toxi-Blues.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.11.2009, 20:10

Love Is like Oxygen/I’ve got the blues

Die Handlung spielt im November, doch im ersten Part wird die Handlung gedanklich in den Frühling verlagert, das Lebensgefühl des LIs ausgedrückt. "Love ist like Oxygen". Frühling, Leichtigkeit, Sex, unbekümmerte Wildheit und Blues als Musik per se integriert (Töne, die, schwangen sanft, das "Hmhmmhmmhmhm"), also das positive Erleben.

Im 2. Part schwenkt der Autor zum "I've got the blues" über. Hier ist der Musik-Blues zuerst draußen. Wir sehen, was das LI sieht. Den Blues, das "I feel blue", nicht einmal den Mohn (Papaver) will es wahrnehmen, von Weihnachten nichts hören, wendet sich ab.

Doch in den letzten vier Zeilen begehrt das LI auf trotzige Art und Weise gegen das Blues-Gefühl auf, indem es beide Empfindungen, das wilde Sauerstoff-Leben und das Gift des Blues-feelings kombiniert zum Oxy-Toxy-Blues, es herausschreit, singt, immer und immer und noch immer. Das LI zelebriert hier geradezu dieses Aufbegehren, um das Gift des I feel blue aus sich herauszubrüllen.

Teilweise hat der Text Züge von einem Blues-Rhythmus, die Wortwiederholungen, wie "Hmhmmmhmmhmhm...", das ich wie das Boom Boom Boom Boom eines John Lee Hooker lesen kann und auch die Worte wie "Schwung", "Töne", doch insgesamt zieht sich dieser Rhythmus nicht durch, was nur konsequent ist, da sich hier beide Blues-Empfindungen verweben.

Yorick

Beitragvon Yorick » 04.12.2009, 13:59

Rotblauverschiebung a la Turrell

Dieser Text wirkt auf mich wie eine Installation. Aus Licht. Oder Wolken. Oder Aromen. Flüchtige Gase. So habe ich Angst, dass allein das Ansehen dieser Installation sie zerstören könnte.
Und ist doch so handfest. So sinnlich. Berührungen von rotem Licht. Mit Tönen, die ein Herz zum Beben bringen können. Ein Strom von Wärme vom Geschlecht durch den Bauch zum Herz.

Und doch schon eine leichte Irritation.

Das Fest der Liebe. Auch Weihnachten (es ist ja November). Das Fest der Liebe ist Sex. War es im Mai. Nun Spinnenweben an der einst hochfliegenden Schaukel. Sex matters. November. Abendblau. Kalte Nächte.
Papaver, Palaver, Rhabarber, blablaver. Ist aus diesem Summen geworden. Klatschmohn ist enthusiastisch bis zur Nötigung.

Gehen. Abwenden. Hier gibt es keine Zukunft.

Es ist ein langsames Gift. Es schleicht sich ein mit jedem Atemzug. Eine Frage der Dosierung? Lebenswichtig und tödlich zugleich? Kann das sein? Woher kommt dieses Gift? Wird es eingeatmet? Oder strömt es aus? Woher stammt es dann?

Blues. Ist Traurigkeit überhaupt ein Gift? Ein Gefühl der Schwere? Die das allzu flüchtige binden kann? Oder fesselt?

Diese Worte fühlen sich lebendig an. Da kann ich sogar (fast) den Titel annehmen und die letzte Zeile. Wirken diese für mich doch wie ein Fremdkörper, dazu oft genutzt, oft gehört. Und schon ist die nächste Frage da: sollen sie ein Fremdkörper sein? Fremd der Erzählstimme? Sozialisierte Bilder?

Sehr feiner Text!


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