Ein Rätsel

[Gast]

Oh du sonderbare Macht, schenkst mir Fülle, schenkst mir Kraft
Wie viel Tränen muss der Mensch noch vergießen
Möchte so gerne meine Augen schließen
Wie viel Wörter muss der Mensch noch schreiben
Um dies eine Wort zu begreifen
Oh du Tiefe dieser Welt, spielst dein Spiel über unser Himmelszelt
Welcher Würfel kennt dein Ziel, welche Wörter sind zuviel
Ein Zauber liegt in deinem Band, tiefe Kälte mich verband
Wer löste die Ketten, welch eine Kraft, dieses eine X nun hat
Kein Ziel und kein Entweichen, sind das die wahren Zeichen

[Louisa]

Oh-Gott !

Ich glaube Du bist der Freund von dem "Freude-Schöner-Götter-Funken-Fanatiker" ...

Ganz generell finde ich, dass ein heutiges Gedicht sehr lächerlich wirkt, wenn Worte wie:

"Oh, ..."

"Himmelszelt"

"Zauber in Deinem Band"

Hahaha...das kommt mir aber ganz schön bekannt vor !

"welch"

...darin vorkommen. Ich würde das vermeiden. Auch allzugroße Gefühlsbeschreibungen sind nicht so schön. Das Gedicht soll eine Stimmung beim Leser erzeugen und nicht die Gefühlslage auf die Stirn stempeln. Aber das war ja im Schiller-Text noch stärker als hier. Ich setze einfach mal voraus, dass es sich um denselben Dichter handelt .

Mir ist auch klar, dass es ein mann geschrieben hat, denn eine Frau würde sich nicht freuen, wenn eine

"sonderbare Macht ihr Fülle schenkt"

Fülle ?

Solche Worte wie "sonderbar" sind überflüssig. "Macht" ist auch ein sehr verschwommenes Wort, finde ich, aber das geht noch.

Jetzt folgen ganz furchtbare Reime, weil sie inhaltlich nur schwer nachzuvollziehen sind.

Die Frage, wieviele Tränen die Menschheit noch vergießen muss, ist ja ganz ok, aber dann folgt:

"Möchte so gern meine Augen schließen."

Das fände ich einfach nur dumm, wenn es um "Ignoranz der Außenwelt" geht.

Inhaltlich nicht korrekt wäre es, wenn es um den Wunsch nach dem Tod geht. Denn er hat ja in der ersten Zeile schon "Kraft" eingeflößt bekommen.

Um welches eine Wort geht es denn hier? Das ist das Rätsel, ja?

"Tiefe dieser Welt" halte ich für vollkommen schwammig. Was soll das denn bitte sein? Die "Unergründlichkeiten der Menschheit", der Erdkern? Wenn es um "Tiefe" geht, kann sie doch nicht auf dem Himmelszelt spielen! Dann wäre es doch Höhe? Wie kann "Tiefe" denn spielen?

Oder geht man hier von der kindlichen Vorstellung aus, da oben im Himmel wird schon einer sitzen, der alle Geheimnisse lüften kann?

Ich möchte wissen welche "Tiefe" hier gemeint sein soll.

"Welcher Würfel kennt SEIN Ziel" oder ? Das ist aber sehr gut! Eigentlich die einzige Stelle, die ich mag, weil es ein klares Bild ist.

"Welche Wörter sind zuviel" ist wieder so ein dämlicher Reim. Raus damit! SIe selbst sind zuviel!

Dasselbe gilt für die folgende Zeile. Der Autor scheint ja nichts aus der Kritik zu seinem letzten Werk mitgenommen zu haben.

Ich verstehe die letzten Beiden Zeilen gar nicht. Es soll wohl um diese "kuriose Macht" gehen, die einerseits Ketten löst und Kraft schenkt, aber andererseits den Wunsch belebt die Augen zu schließen und den Gedanken kein Ziel zu haben und es kein Entrinnen gibt.

"wahre Zeichen" ??? - Schwachsinn!

Das regt mich richtig auf, wenn einfach so ein Reim "drauf geklatscht" wird nach dem Motto: "Ach, wird schon irgendeinen Sinn ergeben!"

Ich habe nicht das Gefühl, dass die Worte hier mit Sorgfalt ausgewählt wurden.

Im Endeffekt kann die beschriebene Macht alles sein.

Ich tippe auf

1. Liebe

2. Gott

3. Tod

Was anderes gibt´s ja nicht.

Oh, welch zauberhaftes Band der Nacht hält uns beisammen!

(Wie hört sich das denn bitte an? Gehst Du auch in den Supermarkt und sagst zur Verkäuferin: "Welch Zauber, dass sie mich empfangen! Oh, ich halte Ausschau nach dem holden Käse, er hat gestern bei Ihnen gehangen!")

Verzeih, aber die Sprache klingt wirklich albern für mich.

Gute Nacht!
l