cats
Verfasst: 10.11.2007, 10:07
La Reine
Die weiße Katze La Reine im schmutzig-grauen Schnee. In trostlosen Gassen mit drohend geduckten Häusern. Russkrusten. Hinterhöfe voll sperrigem Gerümpel. La Reine, die Einzelgängerin, die Streunerin, niemand zugehörig, keinem Menschen, keinem Tier.
Rauschende Kanäle, schaumiges Wasser. Nur das schäbige Licht in vereinzelten Fenstern honigfarben.
La Reine kriecht unter einen Stapel ausgemusterter Möbel. Rollt sich zusammen, um zu schlafen. Die Weite suchen in den Träumen von Zeitlosigkeit. Glockenblumenblau, dünnhäutig. Sie holt den Sommerduft zurück. Der alte Bücherladen im Schatten der Kastanienallee, dort wo der Alte manchmal Gaben für sie auslegt hinter dem Wagen mit den verbilligten Büchern. Fleisch, Milch und dicke Sahne. Seit vielen Monden und ihren Wechseln ist er verschwunden. Die Bilder wehen schneller vorbei, beschleunigen sich. La Reine fällt und fällt in den Schacht der dunklen Bilder. Der Lähmungen.
Fünf weiße Junge – erschlagen im Nebel des Morgens, unten am Fluss.
Eiswogen. Grünliches, schäumendes Wasser bricht sich im milchigen Licht. La Reine läuft federnd zurück zu ihrem Versteck, wittert misstrauisch in die verhangene Luft. Auf dem Weg spiegeln sich Regenlachen. Im dichten Ufergehölz ihr Wurf. Aufgerissenes, klaffendes Gebüsch. Der Wind treibt ihr Fell auf. Sahnefarben und dick der Pelz. Sie stockt. Leblos, noch weich die Kleinen, dünne Blutfäden über rosigen Schnäuzchen. Stiefelspuren. Sie horcht auf Tritte, Schwingungen. Unten gurgelt nur der Fluss. Ein kreischender Schrei schraubt sich in die Luft. Ihr Schrei sticht durch ihren Körper.
Den Kopf in den Nacken gelegt, das Fell gesträubt, in den saphirblauen Augen spiegelt sich der Himmel. Wolken fliegen vorbei über verkrüppelte Uferweiden.
La Reine sinkt tiefer in den Schlaf, sucht unberührte Schichten. Der uralte Faden zieht sie zurück über die Säume der Zeit. Würziger Kräuterduft weht um goldene Pagoden. Sie gleitet über Spiegelböden, Marmor kühlt ihre Pfoten. Dunkles Balsaholz riecht frisch nach Lack.
Mönche in roten Gewändern und in allen Nischen weiße Katzen. Die Katzen weben Geheimnisse zwischen die Mauern. Knüpfen einen unsichtbaren Teppich, der den dumpfen Gesang der Mönche über Grenzlinien trägt. Kauernd durchmisst La Reine Jahrhunderte. Kein Lid flackert. Tiefe Trance. Archaische Töne.
Später, nahe am Aufwachen sieht sie für einen flüchtigen Augenblick wieder die Straße nach Rom, die vom Regen glänzende Straße um Mitternacht. Endlos der Weg, die Luft riecht nach Kupfer. Blitze im Hirn, Fragmente. Zuckende Ohren. Sie sucht ihn wieder, Tassilo, ihren ersten Prinz.
Sie öffnet ein Auge und starrt aus der Höhlung, es roch unten im Hof nach fremdem Kater.
Auf dem Pflaster bei der alten Laterne saß ein silbergrauer Perser und musterte sie unverwandt aus glasblauen Augen. Er war kein Bettler, das drahtige Fell glänzte. Eine verblühte Rose lag hinter ihm. Warum störte er sie auf? Ein Puppenkater, wie lächerlich zu dieser Zeit, an diesem Ort. Keine Gefahr lag in der Luft. Sie peitschte lustlos mit dem Schwanz. Er sprang auf und raste zweimal durch den Hof, spielte Verstecken wie ein Katzenkind. Sie rührte sich noch immer nicht. Doch sie wusste, dass sie in seine Sinne getreten war. Er setzte einen Fuß vor den anderen, um sich zu nähern, hielt dann wieder inne und lief in Vierkantschritten an ihr vorbei. Einladend sah er sich um. Stand da in seinem üppigen Silberpelz umzittert von den Reflexen des einfallenden Lichts. Sie sprang aus ihrer Nische und streckte sich, buckelte. Dann folgte sie ihm unauffällig.
Ein schüchterner Kater presste sich kurz an sie, mager unter dem dicken Fell. Er führte sie durch mehrere kleine Gässchen. Die Sonne hing noch am blassvioletten Himmel, wirkte aber ermattet. Einzelne kantige lange Strahlen fielen zwischen die Häuser. Sie spürte seine Freundlichkeit, die nichts forderte. Und plötzlich ahnte sie, dass er sie vielleicht nach Rom begleiten würde. Sie betrachtete ihn genauer. Seinen stämmigen Körper mit den dicken Pfoten und den runden Kopf. Sie dagegen zartgliedrig mit dem weißen Fell. Sie fragte ihn nach seinem Namen. Seine Augen wanderten über ihre Gestalt, als wollte er sich vorstellen und dann doch lieber im leeren Raum verschwinden. Unverbindlich sagte er nichts.
Die weiße Katze La Reine im schmutzig-grauen Schnee. In trostlosen Gassen mit drohend geduckten Häusern. Russkrusten. Hinterhöfe voll sperrigem Gerümpel. La Reine, die Einzelgängerin, die Streunerin, niemand zugehörig, keinem Menschen, keinem Tier.
Rauschende Kanäle, schaumiges Wasser. Nur das schäbige Licht in vereinzelten Fenstern honigfarben.
La Reine kriecht unter einen Stapel ausgemusterter Möbel. Rollt sich zusammen, um zu schlafen. Die Weite suchen in den Träumen von Zeitlosigkeit. Glockenblumenblau, dünnhäutig. Sie holt den Sommerduft zurück. Der alte Bücherladen im Schatten der Kastanienallee, dort wo der Alte manchmal Gaben für sie auslegt hinter dem Wagen mit den verbilligten Büchern. Fleisch, Milch und dicke Sahne. Seit vielen Monden und ihren Wechseln ist er verschwunden. Die Bilder wehen schneller vorbei, beschleunigen sich. La Reine fällt und fällt in den Schacht der dunklen Bilder. Der Lähmungen.
Fünf weiße Junge – erschlagen im Nebel des Morgens, unten am Fluss.
Eiswogen. Grünliches, schäumendes Wasser bricht sich im milchigen Licht. La Reine läuft federnd zurück zu ihrem Versteck, wittert misstrauisch in die verhangene Luft. Auf dem Weg spiegeln sich Regenlachen. Im dichten Ufergehölz ihr Wurf. Aufgerissenes, klaffendes Gebüsch. Der Wind treibt ihr Fell auf. Sahnefarben und dick der Pelz. Sie stockt. Leblos, noch weich die Kleinen, dünne Blutfäden über rosigen Schnäuzchen. Stiefelspuren. Sie horcht auf Tritte, Schwingungen. Unten gurgelt nur der Fluss. Ein kreischender Schrei schraubt sich in die Luft. Ihr Schrei sticht durch ihren Körper.
Den Kopf in den Nacken gelegt, das Fell gesträubt, in den saphirblauen Augen spiegelt sich der Himmel. Wolken fliegen vorbei über verkrüppelte Uferweiden.
La Reine sinkt tiefer in den Schlaf, sucht unberührte Schichten. Der uralte Faden zieht sie zurück über die Säume der Zeit. Würziger Kräuterduft weht um goldene Pagoden. Sie gleitet über Spiegelböden, Marmor kühlt ihre Pfoten. Dunkles Balsaholz riecht frisch nach Lack.
Mönche in roten Gewändern und in allen Nischen weiße Katzen. Die Katzen weben Geheimnisse zwischen die Mauern. Knüpfen einen unsichtbaren Teppich, der den dumpfen Gesang der Mönche über Grenzlinien trägt. Kauernd durchmisst La Reine Jahrhunderte. Kein Lid flackert. Tiefe Trance. Archaische Töne.
Später, nahe am Aufwachen sieht sie für einen flüchtigen Augenblick wieder die Straße nach Rom, die vom Regen glänzende Straße um Mitternacht. Endlos der Weg, die Luft riecht nach Kupfer. Blitze im Hirn, Fragmente. Zuckende Ohren. Sie sucht ihn wieder, Tassilo, ihren ersten Prinz.
Sie öffnet ein Auge und starrt aus der Höhlung, es roch unten im Hof nach fremdem Kater.
Auf dem Pflaster bei der alten Laterne saß ein silbergrauer Perser und musterte sie unverwandt aus glasblauen Augen. Er war kein Bettler, das drahtige Fell glänzte. Eine verblühte Rose lag hinter ihm. Warum störte er sie auf? Ein Puppenkater, wie lächerlich zu dieser Zeit, an diesem Ort. Keine Gefahr lag in der Luft. Sie peitschte lustlos mit dem Schwanz. Er sprang auf und raste zweimal durch den Hof, spielte Verstecken wie ein Katzenkind. Sie rührte sich noch immer nicht. Doch sie wusste, dass sie in seine Sinne getreten war. Er setzte einen Fuß vor den anderen, um sich zu nähern, hielt dann wieder inne und lief in Vierkantschritten an ihr vorbei. Einladend sah er sich um. Stand da in seinem üppigen Silberpelz umzittert von den Reflexen des einfallenden Lichts. Sie sprang aus ihrer Nische und streckte sich, buckelte. Dann folgte sie ihm unauffällig.
Ein schüchterner Kater presste sich kurz an sie, mager unter dem dicken Fell. Er führte sie durch mehrere kleine Gässchen. Die Sonne hing noch am blassvioletten Himmel, wirkte aber ermattet. Einzelne kantige lange Strahlen fielen zwischen die Häuser. Sie spürte seine Freundlichkeit, die nichts forderte. Und plötzlich ahnte sie, dass er sie vielleicht nach Rom begleiten würde. Sie betrachtete ihn genauer. Seinen stämmigen Körper mit den dicken Pfoten und den runden Kopf. Sie dagegen zartgliedrig mit dem weißen Fell. Sie fragte ihn nach seinem Namen. Seine Augen wanderten über ihre Gestalt, als wollte er sich vorstellen und dann doch lieber im leeren Raum verschwinden. Unverbindlich sagte er nichts.