Selma oh Selma

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Anonymus
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Beitragvon Anonymus » 05.08.2009, 15:20

Selma oh Selma

Ich habe dich bewundert,
so dreißig Jahre ist es her.
Warst meine Alpha-Wölfin,
ich folgte Schritt auf Tritt
in deine Wildheit dir.

Hoch den Kopf zu tragen
lehrtest du mich und ungestüm
das Lachen rauszulassen,
sich nicht zu scheren,
was die anderen dran finden.

Wenn du in Nächte mich entführtest,
voller Trunkenheit am Leben,
als brächen die letzten Stunden an,
dann flogen deine roten Locken,
das Zwinkern dieser Kajalaugen
warf mich um, bis unsre Wege
sich irgendwo verloren.

Als ich dich wiedersah,
fast räudig war dein Haar,
der Blick verblasst, ganz
ohne Flammen, anstatt
des Lachens tiefe Runen,
die mir erzählten vom

unstillbaren Brennen,
an dem du kranktest,
an dem du schließlich starbst
– du Heldin meiner Jugend –
ich pflanze dir aufs Grab:
Zypressenwolfsmilchbüschel.


.

Louisa

Beitragvon Louisa » 05.08.2009, 15:46

Hallöchen!

Mmm... also ich finde das eigentlich ganz schön, obgleich mir manche Bilder doch allzu geläufig vorkommen (Wildheit, Trunkenheit am Leben, Blick mit Flammen, Falten statt Lachen (zu letzterem möchte ich einmal anmerken, dass das so wohl der Lauf der Dinge ist, dass man sich mit der Zeit faltig und schließlich tot lacht).

Ich will auch nicht wieder böse werden, aber ich glaube das könnte man noch besser beschreiben. Anstatt dieser Begriffe wünschte ich mir klarere Metaphern, die genau diese Begriffe des Wilden, des Feuers, des Lebens veranschaulichen. So ist es ja erst einmal eine ziemlich gute, aber noch etwas oberflächliche Personenbeschreibung. Deshalb nimmt mich wohl auch das Ende gar nicht so sehr mit, weil ich nicht das Gefühl hatte jemand Wirkliches vor Augen zu haben. Obgleich ich schon die Konturen einer Person erkennen kann.

Ich hoffe das verwirrt jetzt nicht alles zu sehr.

An einigen Stellen holpert es ein bisschen, nicht wahr? Zum Beispiel ganz eindeutig hier:

"das Zwinkern dieser Kajalaugen
warf mich um, ...."

"lehrtest du mich und ungestüm"

Das wort "Kajalaugen" haut einen etwas heraus, findest du nicht? Vielleicht fällt dir da noch etwas Passenderes ein.

Ich würde den Text also noch einmal genau auf eventuell zu allgemeine Formulierungen und Rhythmus-Holperer untersuchen und versuchen diese angemessen zu kurieren.

Ansonsten mochte ich den Gedanken einer Wölfin und das Brennen in einem Menschen, dass etwas "zu viel" an Leben ausdrücken soll, scheint mir... Vielleicht könnte man mit diesen zwei Dingen noch etwas verdichteter und konkreter umgehen. (Was macht ein Wolf zum Beispiel so? Wie sieht er denn aus? Wie sieht denn dieses Brennen aus? Wo kommt es denn her? Ist das Lachen, dass man da so frei herauslässt eigentlich nicht ein bisschen erzwungen? Das sind solche Fragen, die mir beim Text aufkamen.)

Trotzdem mochte ich diese kleine Geschichte ganz gern. Bitte mehr dazu.

Guten Tag.
l

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.08.2009, 01:07

Wilde Hommage an ein Idol

Liebevoll und wild zugleich wird hier einer Freundin aus der Jugend gedacht. Wilde Erinnerungen werden in bildhaften Worten lebendig. Es gab kein Nein, keine Grenzen. Selma war für das LI ein Art Idol, dem sie viel verdankte, vor allem Selbstbewusstsein und die Erfahrung, ohne nachzudenken den Moment zu leben. Doch auch ein Idol stürzt irgendwann, so auch hier. LI trifft ihre Freundin wieder, erkennt, dass sie ihrer immensen Lebenslust zum Opfer fiel. Dies wird jedoch nicht larmoyant beschrieben, sondern realistisch-neutral, indem LI das verblasste Äußere und Innere von Selma beschreibt, welches im totalen Kontrast zu der damaligen Selma steht.
Sehr passend die Zypressenwolfsmilchbüschel, die LI der alten Freundin auf Grab pflanzt, wächst doch gerade diese Pflanze dort, wo die beiden ihre wilde Zeit miteinander erlebten. Die Hochblätter dieser Pflanze sind rot, wie die "roten Locken" von Selma.
Eine Besonderheit dieses Gewächses ist, dass es oft von einer Art Pilz befallen wird, der die Blätter mit Pusteln bedeckt. Dadurch verändert die Pflanze stark ihr Aussehen. Die Stängel werden schwach, die Pflanze kann nicht mehr blühen.
Eine Analogie zu Selma. Sie erkrankte ebenfalls. Sie erkrankte an ihrem "unstillbaren Brennen" und konnte nicht mehr blühen.
Und ein Hinweis, dass ein "Leben auf Teufel komm raus" nicht gut ausgehen kann, sondern eben "oft" erkrankt, wie die Pflanze oft erkrankt.
Noch ein zusätzliche Note steckt in diesem Zypressenwolfsmilchbüschel, das LI auf das Grab von Selma legt. Erkrankt die Pflanze einmal an diesem Pilz, ändert sich der Stoffwechsel des Gewächses, so dass die Pflanze Nektar und einen fruchtigen Duftstoff ausscheidet, welche als Lockstoffe dienen.
So "lebt" Selma quasi weiter.

Eine für mich sehr gelungene, zärtliche und bildhafte Hommage an eine geliebte Freundin.

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.08.2009, 09:51

Ja, diese Blume mit dem komischen Namen hat mir auch gefallen! Mm... aber allein schon solche kleinen Dinge wie im Titel dieses "Oh" haben mich dann eher abgeschreckt. Meine Gefühle dazu sind immer noch gemischt...

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.08.2009, 13:19

Hallo Louisa,

diese Zypressenwolfsmilchbüschel am Schluss sind m.E. ausgesprochen wichtig in diesem Gedicht. Sie sind nicht nur irgendein Gewächs, sondern sind vom Autor m.E. ganz bewusst gewählt. Siehe die Analogie, die ich in dieser Pflanze zur Figur Selma sehe.
Zum "Oh" im Titel, das dich abgeschreckt hat. Ich lese es nicht "theatralisch" im Sinne von "Oh mein Gott" oder so, sondern eher mit der Stimme tiefer gehend (also ohne Ausführungszeichen dahinter gesprochen), eine Art von ernüchternder Traurigkeit, im Sinne von Selma, oh Selma, was hat dieses/dein Leben aus dir gemacht, was hast du dir angetan und gleichzeitig halt auch eine Art Huldigung, weil Selma für das LI so viel bedeutet hat. LI hat den Absprung rechtzeitig geschafft, Selma nicht.

Saludos
Mucki

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.08.2009, 13:52

Ich kenne kein "oh", was geschrieben nicht theatralisch wirkt. Das ich die Pflanze gut finde habe ich doch eben gesagt! Das ist ja auch einmal etwas Konkretes. Alles Konkrete und Indiviuelle an diesem Gedicht/dieser Geschichte finde ich gut.

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.08.2009, 22:02

PS: Ich möchte der Allgemeinheit mitteilen, dass ich gerne wüsste wer das Gedicht geschrieben hat.

Vielen Dank :smile:

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.08.2009, 23:08

Hallo Louisa,

ich weiß zwar nicht, warum du das wissen willst, da es nicht Sinn des Anonymus ist, den Autor zu erfahren, doch sei versichert, dass ich ihn nicht geschrieben habe.

Saludos
Mucki

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.08.2009, 23:23

Ich weiß, dass es nicht Sinn der Anonymität ist sie aufzuheben ;-) !

Sei versichert, dass auch ich es nicht geschrieben habe. Ich wollte nur meinen Bedürfnissen freien Lauf lassen und sie hier sozusagen sinnlos bekunden.

Einen schönen Abend noch!
l

Rosebud

Beitragvon Rosebud » 04.09.2009, 22:11

.
Zuletzt geändert von Rosebud am 26.06.2015, 19:00, insgesamt 1-mal geändert.

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leonie
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Beitragvon leonie » 06.09.2009, 21:34

In der Tat scheint es so, als könne die aufs Grab gepflanzte Blume einem das ganze Gedicht erzählen. Von der Wildheit über die Haarfarbe bis hin zur traurigen Geschichte von Selma.
Sprachlich scheint das Gedicht nicht ausgefeilt, manche Bilder und Wendungen sind im Vergleich zu den originellen (Alpha-Wölfin, Runen, Zypressenwolfsmilchbüschel) zum Teil recht geläufig, manches ist sehr auserzählt.
Im Gegensatz zu Gabriella denke ich, dass hier eine Liebesbeziehung erzählt wird. Eine Alpha-Wölfin duldet keine anderen geschlechtsreifen Weibchen neben sich. So könnte das Gedicht vom „Alpha-Wolf“ erzählt sein, dem die Frau neue Wege (in die Welt und zu sich selbst) aufzeigt.
Mir gefallen die Beziehungen der Bilder untereinander, das Lachen, als brächen die letzten Stunden an - die Krankheit, die Trunkenheit und das unstillbare Brennen, die roten Locken, die Kajalaugen – der Blick ohne Flammen. Die Verkehrung ins Gegenteil von der überaus Lebendigen zur Todgeweihten betreffen die ganze Person, das macht das Gedicht wehmütig.
Trotzdem ist der Erzähler in einer inneren Distanz, er hat den Abschied vollzogen, so scheint mir, der Schmerz der Erinnerung hält sich in Grenzen. Dass er als Grabgabe eine Blume wählt, die der Persönlichkeit der ehemaligen Freundin entspricht (und nicht das gängige Pflanzenklischee erfüllt), ist wie das Gedicht selbst eine Würdigung an einen Menschen, den er einmal geliebt hat.

Insgesamt ein inhaltlich gelungenes Gedicht, dass durch sprachliche Überarbeitung noch gewinnen könnte.


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