Arbeitstitel 1969

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 10.08.2008, 21:22

Hallo,

bislang schreib ich keine Prosa. Taste mich ganz vorsichtig ran. Hier ist ein Fragment, ein Versuch an einer Idee. Vorne und hinten nicht fertig. Kann man das lesen? Wird die Situation klar? Schon zu viel?

Mit einem leisen Zischen fiel die Blechtür hinter ihm ins Schloss. Eine leichte Benommenheit, er konnte nicht genau erkennen, was vor ihm lag. Bläuliches, flackerndes Licht, ein Surren, wie von einem Motor. „Der Schlüssel!“ Er hatte ihn in der Tür stecken lassen. Rasch machte er zwei Schritte zurück, zerrte an dem Knauf, doch die Tür rührte sich nicht. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Etwas hatte ihn dazu gebracht, diese Tür zu öffnen und hindurch zu gehen.

Das Geräusch wurde lauter, gleichzeitig schien sich ein Nebel zu heben. In einiger Entfernung tauchten Konturen auf, Häuser, eine Kirche, ein kleines Dorf inmitten von hügeligen Weiden. Er stutzte, ein unbestimmte Erkennen. Er war schon einmal hier gewesen, doch wann? Vorsichtig machte er ein paar Schritte auf die Gebäude zu, sah weiß geputzte Wände, Holzschindeln auf den Dächern. Auf dem Zwiebelturm der Kirche ein Wetterhahn. Staub wirbelte durch die Gassen.

Mit einem deutlichen Klick endete das Surren. Es war totenstill. Er zögerte, wendete sich zurück, doch er konnte die Tür nicht mehr sehen, nur noch sanft wellige Wiesen, ein paar Zäune, der Weg, auf dem er stand, und ein paar Bäume am Horizont. „Aufwachen!“, dachte er, „Das ist mir zu real, zu...“ Nein, das war es nicht, das war es gerade nicht, real – und es war auch kein Traum. Er, da war er sich absolut sicher, er träumte immer in Farbe. Und das war, was hier fehlte – die Farbe. Der blaue Himmel war eben das nicht: blau. Die Geranien in den Balkonkästen hätten leuchtend rot sein müssen. Die Kastanie neben der Kirche dunkelgrün. Doch hier war alles grau.

Angespannt ging er weiter. Sand und Kies knirschten unter seinen Füßen – oder besser – hätten knirschen müssen, aber sie taten es nicht. Er spürte sie, aber es fehlte jeder Ton, ebenso wie von Vögeln, Hummeln, Grillen. Rasch bückte er sich zum Wegesrand, riss ein paar Grashalme ab, kein Geräusch. Er roch an ihnen – nichts. „Hallo! Hallo! Hört mich jemand?“ Hatte er gerufen, war tatsächlich ein Klang entstanden? Er klatschte in die Hände – nichts.

Sein linkes Augenlid begann zu zucken. Eilig schritt er weiter. Kuhfladen auf dem Weg. Er ging auf alle Viere und berührte sie fast mit der Nase – kein Geruch. Der Schwarm schwarzer Fliegen hatte sich völlig geräuschlos von dem grauen Fladen erhoben. Jetzt rannte er, rannte auf das Dorf zu. Erkannte die Scheune mit dem großen Heuwender, erkannte den alten Wagen seines Vaters, erkannte das Haus in dem sie in jenem Sommer gewohnt hatten. Nur für wenige Wochen, aber es waren entscheidende Wochen in seinem Leben gewesen. Urs, sein älterer Bruder, hatte seine nagelneue Super-8 Kamera ausprobiert. Ständig hatte er alles gefilmt. Ihm wurde kalt.


Danke
Henkki

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noel
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Beitragvon noel » 10.08.2008, 21:32

es sind mir zu viele wendungen drin
die ich schon erahnen kann
also ich lese ein wort & weiß... der satz muss so enden -->
Der Schlüssel!“ Er hatte ihn in der Tür stecken lassen. Rasch machte er zwei Schritte zurück, zerrte an dem Knauf, doch die Tür rührte sich nicht
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 10.08.2008, 21:34

puh, du bist aber schnell, noel

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 10.08.2008, 21:38

Danke, hatte ich schon vermutet. Daran kann ich arbeiten.

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noel
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Beitragvon noel » 10.08.2008, 21:43

man merkt eine spannug;
man merkt, dass du vor einem berg stehst,
den du nicht rEcht abzutragen weißt,
man merkt, dass dir der einstieg schwer fällt;
ABER vor allem merkt man,
dass ein wundervoille stoff in dieser schwarzweißen filmschnittstadt auf den leser wartet
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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 10.08.2008, 22:42

Nochmal danke. Jetzt habe ich Angst vor dem Ding ;)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.08.2008, 23:22

Hallo Henkki,

erster Eindruck von deinem Fragment (es gibt also mehr?):
Jemand erlebt einen schwarz/weißen Stumm-Film, ist sozusagen mittendrin. Dieser Film handelt von der Kindheit des Protagonisten. Da es aber ein s/w-Film ist, kann es keine Gerüche, Geräusche, Farben geben.
Ich fände es spannender, wenn du mehr auf die Details eingehst, dies aber sehr genau, und dafür nicht über das Denken und Fühlen des Protags schreibst. Dadurch verrätst du zu viel. Lass die Dinge einfach geschehen, sozusagen wie im Film ablaufen, aber ohne Emotionen des Protags. Ich glaube, das würde eine sehr reizvolle Geschichte werden!
Saludos
Mucki

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 11.08.2008, 08:14

Danke,

nein, es gibt nicht mehr. Zumindest nicht ausformuliert. Ich muss erst mal ertasten, ob das überhaupt geht, Neuland muss man vorsichtig erforschen (zumindest, wenn man ich ist:))

Grüße
Henkki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 11.08.2008, 13:23

Hallo Henkki,

Das ist ein schöner Einstieg! Nun lehne ich mich zurück und warte, wie der Film weitergeht.

Gern gelesen.

LG
ELsa
Schreiben ist atmen

Trixie

Beitragvon Trixie » 11.08.2008, 15:52

Hallo Henkki,

ich musste ehrlich gesagt zwei,dreimal ansetzen, bis ich den Text tatsächlich fertig gelesen habe. Woran das liegt, kann ich dir allerdings nicht genau sagen. Am besten haben mir die Beschreibungen des Dorfes gefallen und den Schluss fand ich überraschend und positiv schaurig. Vielleicht war es das, was Mucki schon ansprach - zu viel "er tut dies und er tut jenes". Zb. die Benommenheit - da musst du nicht noch extra erklären, dass er nicht erkennen konnte, was vor ihm lag. Oder das unbestimmte Erkennen - da ist mir auch das "er stutzte" zu unwichtig, er nimmt dem Rest des Satzes Kraft weg.

Was mich irritiert hat, war, dass er ein Dorf in einiger Entfernung sieht, das inmitten von grünen Wiesen liegt. Und dann, nach ein paar vorsichtiges Schritten, steht er plötzlich in staubigen Gassen in genau dem Dorf?
Und beim Einstieg weiß ich jetzt gar nicht, ist die Tür hinter ihm, vor ihm, geht er rückwärts oder was? Es ist schon irgendwie klar, einfach von der Logik her, aber um das zu erleichtern, kannst du das vielleicht noch deutlicher verarbeiten.
Noch eine Sache: "totenstill" - ein Wort, das man nicht braucht."still" oder eine andere, individuellere Vergleichsweise wäre besser.
Dann "Sand und Kies knirschten unter seinen Füßen – oder besser – hätten knirschen müssen, aber sie taten es nicht." das ist doch total umständlich. Wenn er doch schon anfängt, darauf zu achten, was Geräusche macht und nicht, wieso schreibst du dann überhaupt"knirscht - hätte knirschen sollen - tat es nicht". Ist für mich Verschwendung.

Ja, das war jetzt vllt. viel Kritik, aber dennoch hat mir der Text sehr gut gefallen!

Liebe Grüße
Trixie

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 11.08.2008, 21:08

Auch Dir vielen Dank. Das mit der Tür ist nicht zu verstehen, dazu fehlt halt noch was. Die Geschichte hatte mal einen Anfang, der mir aber überhaupt nicht mehr gefällt.
Ich werde den Text noch mal überarbeiten, versuchen, den Überfluss zu reduzieren, die Details zu verdichten und die Geschichte auch noch ein wenig weiterzutreiben. Kann etwas dauern.

Lieben Gruß
Henkki

Nifl
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Beitragvon Nifl » 12.08.2008, 17:09

Hi Zakki.

(keine Kommentare gelesen)

Der Arbeitstitel gefällt mir sehr! Ein hervorragender Jahrgang!

Mir gefällt das kleine Textlein. Der Protag sieht einen Super 8 Film und plötzlich verschwimmen die Grenzen, er taucht in den Film ein, reist zurück in die Kindheit. Allerdings ausschließlich visuell, verlässt nie "das Transport-Medium" und trotzdem verliert er sich, "Wirklichkeiten" beginnen zu konkurrieren und spinnen sich eigenständig weiter zurück… Sehr schön.
Wie es dazu kommt, dass er quasi gezwungen wird, den Film zu sehen, finde ich etwas verwirrend. Wieso schließt sich die Tür, wieso läuft der Film etc. …

Eine leichte Benommenheit,

So isoliert ohne Verb, sicher ein Stilmittel… aber…

Er hatte ihn in der Tür stecken lassen.

War da nicht beim ersten Mal Lesen noch Schloss gestanden? Egal, Tür würde ich auch streichen.
"Er hatte ihn stecken lassen"

Ein mulmiges Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit

Weil du zuvor schon "machte" verwendet hast… würde ich: "breitete sich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend aus"

gleichzeitig schien sich ein Nebel zu heben

Was für ein Nebel? aufzulösen?

Er stutzte, ein unbestimmte Erkennen.

unbestimmtes

Er spürte sie, aber es fehlte jeder Ton, ebenso wie von Vögeln, Hummeln, Grillen.

bitte anders formulieren

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 12.08.2008, 17:21

Danke, Nifl, für die detaillierten Hinweise. Sobald ich dazu komme, wird der Text überarbeitet, versprochen.

H


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