Venezianische Notizen

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
scarlett

Beitragvon scarlett » 20.07.2009, 00:38

...
Zuletzt geändert von scarlett am 27.10.2009, 20:36, insgesamt 3-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 20.07.2009, 10:16

Liebe Scarlett,

das erinnert mich in seinem wehmütigen romantisch beschreibend Ton an die Reisebeschreibungen Hesses (es gibt ein wunderbares Italienbuch von ihm).
Besonders gut aber gefällt es mir, wenn ein "Ich" mit ins Bild rückt, wenn klar wird, dass es einen guten Grund gibt, dass gerade Du gerade diese Stadt schilderst - das ist wirklich gut.

Kleinigkeiten:

Ich seufze an der falschen Stelle, die überall richtig erscheint.


Den zweiten Satz verstehe ich nicht ... außerdem schiene es mir vielleicht auch besser als ohne ihn. (Es soll sich doch darauf beziehen, dass es nicht die Seufzerbrücke ist und dass die Erzählerin trotzdem überall seufzen mag, oder?)

Dunkelschwüle.


finde ich für einen Prosatext schon sehr stark lyrisierend, aber das ist sicher Geschmacksache.

Hab ich sehr gerne und sehr interessiert gelesen
Max

scarlett

Beitragvon scarlett » 20.07.2009, 11:23

Lieber Max,

hab Dank für deinen Eindruck!

Das von dir erwähnte Hesse- Buch kenne ich leider nicht, werde mich aber sofort kundig machen ...
weil mich das sehr interessieren würde.

Der von dir angesprochene Satz mit dem "seufzen" - was ich damit ausdrücken wollte, ist zum einen das, was du herausgelesen hast (LI könnte überall seufzen ob der Erinnerungen) ABER auch noch was anderes, nämlich dass nicht nur der abscheulich eingekleidete Dogenpalast, die Seufzerbrücke ... sondern fast jedes Bauwerk sowie das Drumherum Grund zum Seufzen wäre;
egal wo man "seufzt", es passt halt immer ... der "Gutgeschmack" wurde ja angesprochen im Text, darauf soll sich dieser Relativsatz auch bezeihen.
Hmmm .... ich werde aber nochmal über diese Stelle nachdenken.

Und ja, die "Dunkelschwüle" ist schon sehr lyrisch, aber da gibt es ja noch weitere, ähnliche Stellen im Text, ich denke, das mag ich schon so haben ... *smile*

Freut mich jedenfalls, dass dir der Text im Großen und Ganzen zusagt!

LG,

scarlett

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 20.07.2009, 11:38

Eine wunderbare Impression zu einer meiner Lieblingsstädte, liebe Monika, und die internen Blicke und Gedanken im Text, ein Vergnügen für mich.

Hier:
Gewagte Shorts, gewiegtes das Haar, im Lachen ganz authentisch
Da stimmt was nicht?

Ciao, bella,
ELsa
Schreiben ist atmen

Herby

Beitragvon Herby » 20.07.2009, 12:45

Liebe scarlett,

du hast mir mit deinem Text einen schönen Tagesanfang beschert: ein spätes Terrassenfrühstück und dazu deine Venezianischen Impressionen - wunderbar! :engel:

Ich hatte das Glück, bisher oft in Venedig gewesen zu sein, und vieles von dem, was du schreibst, ruft Erinnerungen wieder wach. Du hast die Atmosphäre morbider Schönheit treffend eingefangen, besonders gut gefällt mir der folgende Satz:

Unter ihren grauverpflasterten Wunden weint steinern die Zeit.


Einzig das folgende verstehe ich im Moment noch nicht:

Kosmetik auch am Dogenpalast. Vor blauem Hintergrund erstrahlt das neue Auto. Überdimensional. Teuer. Quer zur Jahreszeit. Das muss wohl so sein.


Dogenpalast - Auto?? Vermutlich bin ich noch nicht richtig wach und der Groschen, der jetzt noch klemmt, rutscht nach einem weiteren Kaffee :12:

Übrigens: das Juni-Blatt meines Wandkalenders zeigt die Aufnahme einer historischen Regatta auf dem Canal Grande - ihretwegen habe ich beschlossen, den Monat Juni auf unbestimmte Zeit zu verlängern...

Liebe Monika, das habe ich mit viel Freude und Genuss gelesen. Ich wünsche mir, dieser venezianischen Notiz würden viele weitere folgen. Bitte mehr!!

Herzliche Grüße in die neue Woche
Herby


edit: Max, das von dir erwähnte Hesse Buch interessiert mich auch sehr - verrätst du uns den Titel?

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 20.07.2009, 14:44

Hallo Monika,

wunderbar finde ich deine nostalgischen Notizen und die Verflechtungen zwischen Ich und den einzelnen Stätten in Venedig.
Über das Auto vorm Dogenpalast bin ich gestolpert. Und bei "gewiegtes das Haar", hat sich wohl ein Fehler eingeschlichen.

Ein feines Stück Prosa.

Saludos
Mucki

scarlett

Beitragvon scarlett » 20.07.2009, 14:59

Ja, aber hallo, da ist was los, geht ja beinah zu wie am Rialto ... :-)

Ihr Lieben,

vielen, vielen Dank für eure Rückmeldungen!

Ja, das "gewiegte das Haar" ist natürlich ein Fehler. Erst stand dort "wehend das Haar", aber wehendes Haar fand ich dann doch nicht so prickelnd, also hab ich gelöscht und dabei "das" übersehen. Wobei mir "gewiegtes" auch nicht gefällt ... für im Wind flatterndes Haar ... Ich probier gleich mal was anderes an dieser Stelle.

Das Auto am Dogenpalast - es ist doch von "Kosmetik" die Rede. Also Renovierungs, Restaurierungsarbeiten. (Davor ging es um Wunden, die verpflastert sind, auch nur ein Ausdruck für dieselben Tätigkeiten)

Dabei stelle man sich eine riesengroße Verkleidung des Gerüstes vor, auf dem vor blauem Hintergrund der neueste Lancia prangt, weil von irgendwoher muss ja das Geld für die Arbeiten herkommen ... Als Effekt ergibt sich dann "Werbung" für die Sponsoren und denen ist ja nichts heilig!

Wie kann ich das klarer formulieren, ohne direkt zu benennen???
Ich dachte über "Kosmetik" käme man drauf, dass da ein Plakat gemeint sein könnte ...

Hehe, Herby, du willst also den Juni verlängern? Kann ich glatt verstehen mit so einem Kalenderblatt.Auf meinem Schreibtisch steht ein Kalender, da hab ich jede Woche ein anderes Motiv aus Venedig drauf und manche Wochen dauern sehr, sehr lang ...
Allerdings würd ich mir viel lieber mal richtigen Sommer wünschen ...

Nochmals danke und ciao a tutti!

scarlett

Herby

Beitragvon Herby » 20.07.2009, 15:47

Hallo Monika,


Das Auto am Dogenpalast - es ist doch von "Kosmetik" die Rede. Also Renovierungs, Restaurierungsarbeiten. (Davor ging es um Wunden, die verpflastert sind, auch nur ein Ausdruck für dieselben Tätigkeiten)

Dabei stelle man sich eine riesengroße Verkleidung des Gerüstes vor, auf dem vor blauem Hintergrund der neueste Lancia prangt, weil von irgendwoher muss ja das Geld für die Arbeiten herkommen ... Als Effekt ergibt sich dann "Werbung" für die Sponsoren und denen ist ja nichts heilig!


achsooooo, jetzt kapiere ich, was du meinst. Also für mich klappt das über die "Kosmetik" nicht, doch das will nichts heißen - ich brauche manchmal länger. Vielleicht lässt sich ja aber doch noch was ändern oder einfügen, ohne es zu direkt zu formulieren.

Entschuldige, wenn ich jetzt insistiere, aber um eine Antwort, die mir sehr wichtig ist, hast du dich herum gedrückt ;-) : Kommt da noch mehr? Ich könnte mir sehr gut eine Reihe solcher Notizen vorstellen, vieleicht auch florentinische oder römische, die dann, um Zeichnungen oder Photos ergänzt, als Buch erscheinen. Hiermit bestelle ich schon mal ein Exemplar!!

Lieben Gruß
Herby

scarlett

Beitragvon scarlett » 20.07.2009, 16:46

Lieber Herby,

nun ja, mal sehen, ob ich da noch was Genaueres schreiben kann ... heißt: ob mir dazu noch was einfällt ...

Was das andere Thema anbelangt: ja, ich denke schon, dass es noch mehr solcher Notizen geben wird ... Hab schon einiges in Arbeit, aber das dauert sicherlich noch eine Zeit.
Aber was das Buch anbelangt: im Herbst wird es eines geben, mit meinen besten Texten (Lyrik und etwas Prosa), wenn auch ohne Venezianische oder sonstige Notizen ...

LG,

Monika

Benutzeravatar
noel
Beiträge: 2666
Registriert: 04.08.2006

Beitragvon noel » 20.07.2009, 17:16

ich mag den text, weil er wunderbar selbstironisch mir erscheint, weil er das lyrI im gestern (in venedig), mit dem Lyri heute (in venedig) vergleicht.

heute hat das lyrI mehr mammon, könnte sich viel leisten, aber die desillusionierung hat raum ergriffen.

besonders feine formulierungen
Heut hätte ich das Geld dafür, doch wer will schon durch abgestandene Gewässer rudern?


Der einzige Beweis dafür, dass ich hier schon einmal war. Als wenn es für das Glück Beweise bräuchte.


diesen satz hast du umgeschrieben, mir fiel die staccatoform vorher besser

Zumindest ging ich damals nicht ungeküsst ins Bett.

Zumindest ging ich nicht ungeküsst ins Bett. Damals.

alles in allem chapeau
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

jondoy
Beiträge: 1660
Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 21.07.2009, 00:01

Hallo scarlett,

ich hab die vorigen Kommentare nicht gelesen!

mein Leseeindruck.

Ich lese den Beginn. Er erzählt mir in malerischer Sprache, dass die Serenissima wieder mal gealtert ist. Dies wurde schon viel besungen, geht mir durch den Kopf.
Ich setze beim Lesen des Textes nicht die Sonnenbrille auf.
Ich suche, und finde in den ersten Zeilen ein Herz für Venedig, und endlich beginnt der Text, mir etwas zu erzählen. Er spricht darüber.... ich wage es, den Weg rückwärts zu gehen.


Alla ferovia...Alla ferovia....
Ich frage mich, was diese Worte bedeuten und ´gugel´ danach, fassungslos zeigt mir der erste Treffer ganz unerwartet den Blauen Salon an und Deinen Text. Ich lese ganz unten die vermeintliche Erklärung: Moderner Spießrutenlauf. Kein Durchkommen im Ausverkauf des Gutgeschmacks.

Zurück im Text merke ich erst, dass dies genau die weiteren Worte des Textes sind.

Der Fortgang der Geschichte erzählt mir kurz und prägnant Realität. Ich ´bete´ jetzt allmählich schon darum, dass das Lyrische Ich einmal um die Ecke abbiegt und einen unbeachteten Kieselstein aufhebt oder eine Taubenscheise betrachtet, um ein wenig aus dem auszubrechen, was ein Mensch weiss, der dem Wort Werbung nicht ewige Treue schwört.

Vor blauem Hintergrund am Dogenpalast erstrahlt das neue Auto. Überdimensional. Was mag das sein, frag ich mich.
Quer zur Jahreszeit. Eine ausgefallene Beschreibung.

Jetzt erhasche ich wieder die Spur, den Fortgang der Geschichte, die zwischen Stadtbeschreibungen verwoben ist. Ich lese darin Authentizität, wie ich sie mir vorstelle. Endlich.

Santa Maria Gloriosa dei Frari. und obgleich mir der Name der Kirche nichts sagt, sagt mir das mehr als alles andere in dem Text, als junger Mensch dort zu sein und die dei Frari zu bewundern und auch noch in Erinnerung zu behalten, dies sagt mir einen ganzen Kosmos voll, mehr als alles andere, was in der Geschichte zu mir spricht, denn der Unterschied ist so gewaltig zwischen diesen und meinem Erleben als junger Mensch in vau, dass ich mich an dieser Textstelle erst mal auf den Boden setze und mir eine Zigarette anzünde, ......nach dem ersten Zug les ich weiter unten...
wir feierten den Glanz im Untergang. Ich kann es kaum glauben, dass Schneeweißchen und Brombeerrot doch auch junge Menschen waren, wie wir, ich hatte den Glauben daran für einen kurzen Moment schon verloren, es sind doch Menschen aus Fleisch und Blut gewesen,

......dass La Fenice im nächsten Satz lässt mich schon wieder daran zweifeln, wie würde mich Leser der Text doch zurücklassen, wenn ich kein virtuelles `Wörterbuch` bei mir hätte,
so begeb ich mich also wieder weiter auf diese literarische Stadtrundfahrt mit dem in Erinnerungen schwelgenden Lyrischen Ich als Reiseführer....wo steigen wir jetzt aus, frag ich mich...ein Nachklang - unterwegs - führt mich zurück an jene Stelle...ich wage es, den Weg rückwärts zu gehen und ich beginne zu verstehen, was das Lyrische Ich damit sagen wollte,

...natürlich nehm ich dazu das Vaporetto, mit dem fuhren wir damals stundenlang ohne Fahrschein, ließen uns auf ihm treiben, wussten nicht, wo es uns hinbrachte, auf umliegende kleine Inseln und um die Stadt, Hauptsache, weg von den Strömen.
Unsere Fahrkarten-Gondolero drückte beim Anblick von denen da hinten draußen auf der schmalen Sitzbank am Heck mehr als einmal die Augen zu, vielleicht, weil ihm San Marco dafür die Flügel lieh.

Kunstkenner erteilen dem Text bestimmt die Note eins. Ich klammere mich an das Brombeerhaar.

Ich weiss nicht, was die anderen über den Text geschrieben haben. Meines Erachtens erzählt er in `fach`kundiger und verwebter Sprache von drei Dingen, von Stadtimpressionen, von Vergänglichkeit und vom Leben.

Es ist in meinen Augen ein unverschämt schöner Schatz drin.

„Und sehe mich am Canal Grande. Gewagte Shorts, verwirbeltes Haar, im Lachen ganz authentisch.“

Dieser Satz strahlt :nicken: für mich aus der ganzen Geschichte.

Als wenn es für das Glück Beweise bräuchte.
Ich seh dieses Foto lebhaft vor mir.

Gruß,
Stefan

scarlett

Beitragvon scarlett » 21.07.2009, 14:22

liebe noel,

hui ... dass du dir diesen einen satz gemerkt hast ... chapeau und ja, ich schreib ihn wieder um -
danke für dein riesenlob!

hallo stefan,

dass du dich überhaupt mit diesem text beschäftigt hast - danke dafür.
so ganz peile ich deinen kommentar zwar nicht, er erscheint mir etwas seltsam, stellenweise auch ironisch zu sein - aber na gut, wenn du wenigstens einen satz (oder zwei sätze) darin gefunden hast, die dir die lektüre "versüßt" hat (haben), dann ist das ja schon immerhin mehr als nichts.
sollte es an meiner unfähigkeit liegen, deinen kommentar zu verstehen und du ihn ganz anders gemeint haben, dann bitte ich um nachsicht und entschuldigung.

grüße in den nachmittag,

scarlett

jondoy
Beiträge: 1660
Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 22.07.2009, 18:41

Liebe scarlett,

natürlich hat es mir Freude gemacht, und wenn auch ein Stück Ironie drin gewesen sein sollte, dann war sie sanftmütig gemeint, nur einmal, an einer Stelle, da hat es mir wirklich den Hut hoch gehoben, die hieß, "nur Dummköpfe und die Jugend", da hab ich mich innerlich sofort mit den Dummköpfen und der Jugend solidarisiert : - ), wollte eben schnell nochmals nachgucken, wo das steht, aber ich find die Stelle jetzt nicht mehr.

Scarlett (Monika), ich schätze deine Texte, red dir bitte nichts ein, was nicht stimmt, ich würde mich mit ihnen gar nicht beschäftigen, wenn es anderes wäre.
Natürlich können wir nicht immer einer Meinung sein.

ps: und wenn du mich mal kritisieren möchtest, könntest du mir jederzeit als Argumente entgegenhalten....

erstens schreibst du selbst ja keine eigenen Texte, als mach es doch mal besser,
und zweitens kommen von dir fast so gut wie nie konstruktive Änderungsvorschläge....


Ich schreib hier im Forum, weil es mir oft Freude macht, nicht, weil ich groß was einbringen könnte.

oT. Eines möchte ich schnell noch an dieser Stelle dir erzählen.
Wie du in publicus Elsies Text verteidigt hast, leidenschaftlich, wie ein Löwe, das hat mir imponiert. : - )


grüße in den feierabend,
stefan

scarlett

Beitragvon scarlett » 22.07.2009, 21:41

Ok, lieber Stefan, dann ist ja alles geklärt und ich sag nochmal herzlich dankeschön!

Und zu Elsas Text im Publicus, jo mei, des musst einfach sein, nicht wegen Elsa sondern wegen des Textes!

Liebe Grüße in die Nacht,

scarlett


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste