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Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 08.08.2011, 17:40

[tabs][tabs: 3. Version]Der staubige Acker erstreckt sich bis an den Horizont. Darüber hinaus, vielleicht. Stumpfes Braun so weit ich sehen kann, nichts, was mir zur Orientierung taugt. Ich wundere mich, warum man hier in konzentrischen Kreisen pflügt, das macht es schwer, geradeaus zu gehen. Da sehe ich in einiger Entfernung einen Menschen. Einen Mann, weder jung, noch alt wie mir scheint, etwa in meinem Alter. Steht einfach nur so da, blickt in die Ferne, dreht sich gelegentlich ein wenig, als wisse er nicht wohin.
Eintönig grau liegt der Himmel über uns, ein Windstoß wirbelt Dreck auf. Sicher wird es bald regnen. Mich dauert der Mann mit seinen hängenden Schultern. Leicht gebeugt steht er da und wirkt kleiner, als er wahrscheinlich ist. Vielleicht hat er sich verirrt, den Weg verloren? Vielleicht braucht er Hilfe? Ich stapfe eine gerade Linie durch den zerfurchten Grund, hin zu ihm. Er erblickt mich, schaut böse und schreit mich an: „Geh fort! Geh endlich fort! DU stehst mir im Weg!“[tabs: 2. Version]Der staubige Acker erstreckt sich graubraun so weit ich sehen kann, bis an den Horizont. Darüber hinaus, vielleicht. Wenige Bäume und gedrungene Büsche taugen nicht zur Orientierung. Ich wundere mich, warum man hier in konzentrischen Kreisen pflügt, das macht es schwer, geradeaus zu gehen. Da sehe ich in einiger Entfernung einen Menschen. Ein Mann, nicht jung, nicht alt wie mir scheint. Er mag, wenn ich richtig erkenne, etwa in meinem Alter sein. Steht einfach nur so da, blickt in die Ferne, dreht sich gelegentlich ein wenig, als wisse er nicht wohin.
Eintönig grau liegt der Himmel über uns, ein Windstoß wirbelt Dreck auf. Sicher wird es bald regnen. Mich dauert der Mann mit seinen hängenden Schultern. Leicht gebeugt steht er da und wirkt kleiner, als er wahrscheinlich ist. Vielleicht hat er sich verirrt, den Weg verloren? Vielleicht braucht er Hilfe? Ich stapfe eine gerade Linie durch den weichen Grund, hin zu ihm. Er erblickt mich, schaut böse und schreit mich an: „Geh fort! Geh endlich fort! DU stehst mir im Weg!“[tabs: 1. Version]Der staubige Acker erstreckt sich graubraun so weit ich sehen kann, weit weit hinaus bis an den Horizont. Wenige Bäume und gedrungene Büsche taugen nicht zur Orientierung. Ich wundere mich, warum man hier in konzentrischen Kreisen pflügt, das macht es schwer, geradeaus zu gehen, da sehe ich in in einiger Entfernung einen Menschen. Ein Mann, nicht jung, nicht alt wie mir scheint. Er mag, wenn ich richtig erkenne, in etwa in meinem Alter sein. Steht einfach nur so da, blickt in die Ferne, dreht sich gelegentlich ein wenig, als wisse er nicht wohin.
Eintönig grau liegt der Himmel über uns, ein Windstoß wirbelt Dreck auf. Sicher wird es bald regnen. Mich dauert der Mann mit seinen hängenden Schultern. Leicht gebeugt steht er da und wirkt kleiner als er wahrscheinlich ist. Vielleicht hat er sich verirrt, den Weg verloren? Vielleicht braucht er Hilfe? Ich stapfe eine gerade Linie durch den weichen Grund hin zu ihm. Er erblickt mich, schaut böse und scheit mich an: „Geh fort! Geh endlich fort! DU stehst mir im Weg!“[/tabs]
Zuletzt geändert von Zakkinen am 14.08.2011, 21:21, insgesamt 3-mal geändert.

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 08.08.2011, 20:54

Nette Geschichte, ziemlich perfekt in ihrer Art, für meinen Geschmack.
So, und jetzt werde ich bei Wiki nachschauen, warum in meinem Kopf das Wort Ellipse aufgetaucht ist, obwohl du explizit von Kreisen redest ...
Grüße
Franz

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 08.08.2011, 20:57

Vielleicht habe ich etwas ausgelassen ;o)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 10.08.2011, 09:57

Hallo Henkki,

noch so eine feine Geschichte. Gefällt mir wieder sehr gut. Gerne mehr davon! :-)
Ein bisschen irritiert bin ich von "weit weit hinaus bis an den Horizont", da es mir fast parodistisch lyrisiert übertrieben erscheint und darin gar nicht zum natürlichen Klang des restlichen Textes passt? Braucht es das für dich?
Nach "geradeaus zu gehen" würde ich einen Punkt setzen.
da sehe ich in in einiger Entfernung einen Menschen.
Ein "in" zu viel?
in etwa in meinem Alter sein.
Ginge es nicht auch ohne das erste "in"? ... erkenne, etwa (oder ungefähr) in meinem Alter sein.
Eintönig grau liegt der Himmel über uns
Hier würde ich das "grau" einsparen. Das ergibt sich auch aus der "Regenvermutung". Das "liegt" gefällt mir gut.
Ich stapfe eine gerade Linie durch den weichen Grund hin zu ihm.
Nach "Grund" würde ich klanglich auch wieder einen Punkt erwarten. Das "gerade" ist mir fast ein wenig zu betont, aber das erzeugt eine schöne Reibung, die gut im Text verankert ist.
scheit mich an
schreit?

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 10.08.2011, 10:18

Danke, Flora,
die Korrekturen baue ich gleich mal ein.
Gruß
Henkki

Nifl
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Beitragvon Nifl » 10.08.2011, 20:04

Hallo Hekki,
finde den Text großartig! Für mich trifft sich da einer selbst. Berührend.

Details:
Der staubige Acker erstreckt sich graubraun so weit ich sehen kann, bis an den Horizont.

Klingt irgendwie ungelenk. Will dauernd „soweit das Auge reicht“ lesen.
Und ist bei „staubiger Acker“ die Farbe nicht schon implizit?
Wie wäre das abgeschmirgelte: Der staubige Acker erstreckt sich bis an den Horizont.
Wenige Bäume und gedrungene Büsche taugen nicht zur Orientierung.

Ä? Was ist denn dass für eine komische Ackerbepflanzung? Die würde ich irgendwie noch verorten. Und warum taugen die nicht zur Orientierung?

Ein Mann, nicht jung, nicht alt wie mir scheint.

Im Anschluss des vorausgehenden Satzes müsste es: „Einen Mann“ heißen.
Ein Mann, nicht jung, nicht alt wie mir scheint. Er mag, wenn ich richtig erkenne, etwa in meinem Alter sein.

So ein alterloses Alter würde ich auch gerne haben.
Mich dauert der Mann mit seinen hängenden Schultern.

Ihn dauert? Hä. Habe ich noch nie gehört. Was meint das? Sollte es eine geflügelte Formulierung sein, so passte sie für mich stilistisch auch nicht recht zum Rest.
durch den weichen Grund

Einen trockenen staubigen Acker stelle ich mir „Hartschollig“ vor.
LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 10.08.2011, 21:21

Huhu Nifl,

Ihn dauert? Hä. Habe ich noch nie gehört. Was meint das? Sollte es eine geflügelte Formulierung sein, so passte sie für mich stilistisch auch nicht recht zum Rest.
Das meint Mitleid haben mit jemandem. Laut Wiktionary: gehoben, aber auch regional schwäbisch. :) Ich habe das schon oft gehört.
Einen trockenen staubigen Acker stelle ich mir „Hartschollig“ vor.
Da der Acker frisch gepflügt (bearbeitet) ist, stelle ich mir trockene, krümelige, aufgeworfene Erde vor. Da passt "stapfen" und "weich" für mich gut.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 10.08.2011, 22:50

Huhu Flora.
Das meint Mitleid haben mit jemandem. Laut Wiktionary: gehoben, aber auch regional schwäbisch. :) Ich habe das schon oft gehört.

Aha. Schade, dass sich hier niemand traut zu schwäbeln und mir gegenüber schon gar nicht.

Da der Acker frisch gepflügt (bearbeitet) ist

Ha! Bearbeitet. Nach dem Pflügen ist der Boden grobschollig. Und das finde ich auch im Text wichtig, um die konzentrischen Kreise zu „gewichten“… die es schwer machen, geradeaus zu gehen. Was du meinst, ist ein „geeggter“ (interessantes Wort) Acker nach dem Pflügen.

LG
Nifl
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Sam

Beitragvon Sam » 11.08.2011, 07:49

Hallo Henkki,

das gefällt mir sehr gut, genauso wie dein "Walther". Es ist eine Kunst solche Minuaturen so zu schreiben, dass auf die kurze Strecke eine ganz bestimmte Stimmung entsteht. Bei "Walther" ist dir das nahezu perfekt gelungen. Hier aber täte meiner Meinung nach etwas kürzen noch gut. Denn so kurze Texte leben doch eigentlich davon, dass auf alles Überflüssige verzichtet wird. Nifl hat ja schon einiges angeführt. Überdenkenswert wäre für mich das Anhängsel am ersten Satz "bis zum Horizont". Und auch die Altersbestimmung des Mannes, für die zwei Sätze benötigt werden.

Aber das sind wohl Geschmacksfragen. Was aber gerade bei diesem Text nachklingt ist das (alb)traumhaft Verstörende, das Entlassen des Lesers in ein unbehagliches Gefühl, wie es entsteht, wenn die Realität ein Stück verschoben wird.

Gruß

Sam

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.08.2011, 09:03

Huhu Nifl,

Ha! Bearbeitet. Nach dem Pflügen ist der Boden grobschollig. Und das finde ich auch im Text wichtig, um die konzentrischen Kreise zu „gewichten“… die es schwer machen, geradeaus zu gehen. Was du meinst, ist ein „geeggter“ (interessantes Wort) Acker nach dem Pflügen.
Hast Recht, ich sehe einen geeggten Acker, auch wenn das nicht ausdrücklich im Text steht. Ich denke das hat mehrere Gründe. Ich sehe einen Mann über einen Acker laufen, die Weite wahrnehmen und die Kreise. Grobe Schollen lassen aber aus der Perspektive denke ich sowohl die Kreise verschwinden, als auch die Weite, weil der Blick dann nicht darüberhinweggeht, sondern an den Schollen, an der Erde hängenbleibt. Aber vor allem kann ich mir niemanden vorstellen, der freiwillig über einen scholligen Acker spaziert? Die Schwierigkeit des "Geradelaufens" war für mich eine mentale und keine körperliche. Ich sehe also eher einen asiatisch angehauchten Ackerbesitzer, der ein meditatives Feld gerechelt hat. :o) Außerdem fehlt mir sonst auch die Komponente, dass er mit seinen stapfenden Schritten die Kreise (zer)stört, und dass er mit Blick auf den Mann geradeauslaufen kann. Bei Schollen würde er da nach zwei Schritten auf der Nase liegen.
Aha. Schade, dass sich hier niemand traut zu schwäbeln und mir gegenüber schon gar nicht.
Oh, du dauerst mich. :o))

Liebe Grüße
Flora
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Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2011, 09:14

Ich sehe einen Mann über einen Acker laufen, die Weite wahrnehmen und die Kreise. Grobe Schollen lassen aber aus der Perspektive denke ich sowohl die Kreise verschwinden, als auch die Weite, weil der Blick dann nicht darüberhinweggeht, sondern an den Schollen, an der Erde hängenbleibt.

Hm, ja, da ist was dran. Zum Glück bin ich nicht der Autor (hähä).

LG
Nifl
(und danke fürs Dauersen oder Dauertsein?)
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Oldy

Beitragvon Oldy » 11.08.2011, 09:20

Das ist ein feiner, leiser Text mit Ecken und Kanten, an denen ich mich als Leser reben kann. Die sprachliche "Ungelenkheit", sofern man das so nennen kann, macht den Text für mich erst richtig erlebbar.
Bitte nicht glattziehen.

lg
Uwe

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 11.08.2011, 09:33

Hallo Ihr Lieben,

danke für die ausgiebige Beschäftigung. Ich denke schon, dass ich ein wenig "glattziehen" werde, denn die Argumente sind stichhaltig. Das braucht sicher ein wenig Zeit, also nicht enttäuscht sein.

Ich bin übrigens kein Schwabe. Hätte "dauert" als ein wenig antiquiert eingeordnet, aber nicht als heutzutage unverständlich. Muss ich auch noch mal drüber nachdenken.

Grüße
Henkki

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 14.08.2011, 21:28

Habe mich noch mal dran versucht. Hartschollig ist ein schönes Wort, aber nicht eins, das mir in den Sinn käme. Also habe ich es nicht verwenden mögen. Die Bäume und Büsche sind der Logik zum Opfer gefallen.

Dauern muss bleiben, trotz der Antiquiertheit.

Gruß
Henkki


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