Irmela hüpft von Stufe zu Stufe.
Ihr Himbeereis schmilzt und tropft.
Sie schlüpft schnell ins dunkle Gebüsch und legt den Finger auf ihre Lippen.
Alles muss schweigen.
Die weißen Kiesel hüpfen.
Sie kriecht tiefer und tiefer ins Gebüsch.
Plötzlich hört sie die schrille Stimme von Madame Blanche.
Sie hört sie und hört sie nicht.
Irmela weiß, dass Madame Blanche ein Vogel ist, ein sehr großer Vogel mit spitzem Schnabel.
Jeden Abend muss Irmela ihre heiße Schokolade trinken.
Sie ist süß und bitter und scharf.
Irmela rutscht auf dem Hocker hin und her.
Sie vermeidet es, Madame Blanche anzusehen.
Sie fürchtet ihren stechenden Blick.
Sie trödelt mit der Schokolade herum und summt.
Die Blicke von Madame Blanche durchbohren sie.
Manchmal sitzt ihr Cousin Jean mit an dem Tisch.
Jean ist sehr schüchtern und reibt seine wasserblauen Augen.
Er erinnert Irmela an ein weißes Kaninchen.
Er weint, weil seine Mutter Claire auf Reisen ist.
Sie ist Künstlerin und fliegt oft nach Quebec.
Sie hat schon oft in der Galerie Minsky ausgestellt.
Dünne Bilder mit Wasserstreifen und Mondstrahlen auf durchscheinendem Reispapier.
Vogelfrei
Guten Morgen Fux,
ich kann nichts weiter sagen, als: Wunderschön und sehr besonders, wie du die verschiedenen Ebenen miteinander verwoben hast.
Die Begebenheiten, die du erzählst, die dir zum Vehikel für diese "Geschichte(n)" werden, hören sich eigentlich nahezu banal an, wäre da nicht dieser Ton, der mich aufhorchen und aufmerksamer hinhören ließe.
Es tritt etwas Unheimliches und eine Einsamkeit zutage, aus dem Text heraus, berührt mich und sieht mich an.
Dieses zart Schwebende, im Guten wie im Bösen, trägt den Text durch die Zeilen.
Liebe Grüße
Gerda
ich kann nichts weiter sagen, als: Wunderschön und sehr besonders, wie du die verschiedenen Ebenen miteinander verwoben hast.
Die Begebenheiten, die du erzählst, die dir zum Vehikel für diese "Geschichte(n)" werden, hören sich eigentlich nahezu banal an, wäre da nicht dieser Ton, der mich aufhorchen und aufmerksamer hinhören ließe.
Es tritt etwas Unheimliches und eine Einsamkeit zutage, aus dem Text heraus, berührt mich und sieht mich an.
Dieses zart Schwebende, im Guten wie im Bösen, trägt den Text durch die Zeilen.
Liebe Grüße
Gerda
Hallo, Wüstenfuchs,
ja, das mit der "längeren Geschichte" leuchtet mir ein. Für mich las sich der Text wie ein Ausschnitt aus einer längeren Geschichte, die schon besteht.
Für ein Stück "Kurzprosa" enthält mir der Text zu viele Namen; wenn du ihn einfach mit "Sie" anfangen ließest und dann Irmela immer durch das Pronomen ersetzen würdest; auch der Cousin Jean braucht keinen Namen zu haben, die Mutter ebenso wenig und auch die Galerie muss nicht benamst werden. Einzig Madame Blanche muss bleiben - und sie würde - ohne all die anderen Namen - sehr viel intensiver wirken!
Gruß
Quoth
ja, das mit der "längeren Geschichte" leuchtet mir ein. Für mich las sich der Text wie ein Ausschnitt aus einer längeren Geschichte, die schon besteht.
Für ein Stück "Kurzprosa" enthält mir der Text zu viele Namen; wenn du ihn einfach mit "Sie" anfangen ließest und dann Irmela immer durch das Pronomen ersetzen würdest; auch der Cousin Jean braucht keinen Namen zu haben, die Mutter ebenso wenig und auch die Galerie muss nicht benamst werden. Einzig Madame Blanche muss bleiben - und sie würde - ohne all die anderen Namen - sehr viel intensiver wirken!
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.
Irmela geht sehr gerne in die Galerie Minsky. Sie war erst zweimal dort mit Jean und seiner Mutter.
Die Räume sind mit rotem Samt verkleidet.
Eine steile Treppe führt durch das schmale Haus.
Herr Minsky trägt immer einen grauen Anzug und wischt Stäubchen von den schwarzen Bilderrahmen.
Er verscheucht alle Kinder. Er hat Angst, dass sie seine Bilder beschädigen. Irmela macht sich unsichtbar und schleicht auf den Dachboden. Dort wohnt seine Tochter Madeleine.. Sie hat eine Schale mit bunten Bonbons, die sie dauernd in ihre dicken Wangen schiebt. Ihr Atem riecht süßsauer. Ihr Mund ist klein wie eine Rosenknospe. Sie reitet auf einem roten Schaukelpferd mit einer grauen Mähne und langen kastanienbraunen Zügeln.
Manchmal lässt sie Irmela reiten. Doch sie ist schnell beleidigt, wenn Irmela nicht tut, was sie sagt.
Madeleine hat lange rote Locken und trägt immer zarte Mädchenkleider, am liebsten in Rosarot. Ihr Bauch wölbt sich ein bisschen.
Sie ist mollig und hat ein Mondgesicht.
Sie strengt sich nicht gerne an und will auch nie draußen spielen.
In ihrem Kinderschrank hat sie dunkle Schokolade versteckt, die Irmela an Madame Blanche erinnert.
Fast so, als hätte Madame Blanche sie Madeleine vorbeigebracht.
Doch Irmela kann sich nicht vorstellen, dass Madame Blanche mit Madeleine irgendetwas zu tun hat.
Manchmal muss Madeleine Lulu und geht lange auf die Toilette, wo sie lange herumtrödelt.
Sie verreibt hellen Puder auf ihrem Bauch und schneidet vor dem Spiegel Grimassen.
Immer wenn Madeleine weg ist, durchsucht Irmela schnell das Zimmer. Unter dem Bett findet sie Orangenschalen und im Schrank violette Schnürstiefel und eine kleine Pinzette.
Irmela klaut ein Stück Schokolade und steckt es in ihre Hosentasche, um den Geschmack mit Madame Blanches Schokolade zu vergleichen.
In einem Käfig sitzen zwei türkisfarbene Vögelchen. Immer wenn Madeleine den Raum verlässt, fangen sie an zu singen und zu hopsen.
Ganz unten im Erdgeschoss wohnt ein silbergrauer Perserkater. Er hat große helle Augen und liegt meistens genau auf der Schwelle. Er gibt sich nicht zu erkennen.
Irmela sitzt immer noch in dem Gebüsch. Wieder und wieder hört sie Madame Blanche rufen. Das Himbeereis ist längst aufgegessen. Irmela kriecht noch weiter in die Dunkelheit. Plötzlich vermisst sie ihren Vater, der im Krankenhaus liegt. Sie will nicht zurück in das leere, große Haus, in dem Madame Blanche regiert. Sie fürchtet ihre Vogelkrallen.
Plötzlich laufen Tränen über ihre Wangen. Ihr Herz schmerzt, brennt, als wollte es in zwei Teile brechen.
Sie ist mutterseelenallein. Schon immer ist sie mutterseelenallein. Ihre Mutter ist schon bei ihrer Geburt gestorben. Ihr Vater ist schwer krank. Er ist in einer Spezialklinik und sie hat ihn lange nicht gesehen. Am Telefon klingt seine Stimme dünn und brüchig.
Es fühlt sich an, als drücke ein schwarzer Balken auf ihr Herz.
Sie will weggehen, einfach immer weiter gehen bis an den Rand der Welt. Am Rand der Welt gibt es einen Tränengarten, in dem Tränen erblühen. Das hat Jean ihr ins Ohr geflüstert.
Irmela liegt in ihrem Bett. Es ist weiß gestrichen und die Decke ist himmelblau. Und plötzlich hört sie es wieder. Das Schwirren in der Luft, das Schlagen der Flügel. Im ganzen Haus ist es totenstill. Nur draußen vor ihrem Fenster kreist ein großer schwarzer Vogel mit spitzen Krallen und einem großen Schnabel. Sie kann seinen Schatten im Licht des Mondes sehen.
Er stößt einen spitzen Schrei aus, wenn er genau auf der Höhe von Irmelas Fenster ist.
Irmela schwitzt, sie weiß dass der Schrei eine Drohung ist. Sie windet sich im Bett. Angst, entsetzliche Angst würgt ihre Kehle. Dreimal erklingt der gellende Schrei. Sie hat das Gefühl, erstickende Federn streifen ihre Wangen.
Danach wird es wieder totenstill. Irmela starrt an die Decke. Viel später hört sie die Schritte Madame Blanches auf der Treppe.
Die Räume sind mit rotem Samt verkleidet.
Eine steile Treppe führt durch das schmale Haus.
Herr Minsky trägt immer einen grauen Anzug und wischt Stäubchen von den schwarzen Bilderrahmen.
Er verscheucht alle Kinder. Er hat Angst, dass sie seine Bilder beschädigen. Irmela macht sich unsichtbar und schleicht auf den Dachboden. Dort wohnt seine Tochter Madeleine.. Sie hat eine Schale mit bunten Bonbons, die sie dauernd in ihre dicken Wangen schiebt. Ihr Atem riecht süßsauer. Ihr Mund ist klein wie eine Rosenknospe. Sie reitet auf einem roten Schaukelpferd mit einer grauen Mähne und langen kastanienbraunen Zügeln.
Manchmal lässt sie Irmela reiten. Doch sie ist schnell beleidigt, wenn Irmela nicht tut, was sie sagt.
Madeleine hat lange rote Locken und trägt immer zarte Mädchenkleider, am liebsten in Rosarot. Ihr Bauch wölbt sich ein bisschen.
Sie ist mollig und hat ein Mondgesicht.
Sie strengt sich nicht gerne an und will auch nie draußen spielen.
In ihrem Kinderschrank hat sie dunkle Schokolade versteckt, die Irmela an Madame Blanche erinnert.
Fast so, als hätte Madame Blanche sie Madeleine vorbeigebracht.
Doch Irmela kann sich nicht vorstellen, dass Madame Blanche mit Madeleine irgendetwas zu tun hat.
Manchmal muss Madeleine Lulu und geht lange auf die Toilette, wo sie lange herumtrödelt.
Sie verreibt hellen Puder auf ihrem Bauch und schneidet vor dem Spiegel Grimassen.
Immer wenn Madeleine weg ist, durchsucht Irmela schnell das Zimmer. Unter dem Bett findet sie Orangenschalen und im Schrank violette Schnürstiefel und eine kleine Pinzette.
Irmela klaut ein Stück Schokolade und steckt es in ihre Hosentasche, um den Geschmack mit Madame Blanches Schokolade zu vergleichen.
In einem Käfig sitzen zwei türkisfarbene Vögelchen. Immer wenn Madeleine den Raum verlässt, fangen sie an zu singen und zu hopsen.
Ganz unten im Erdgeschoss wohnt ein silbergrauer Perserkater. Er hat große helle Augen und liegt meistens genau auf der Schwelle. Er gibt sich nicht zu erkennen.
Irmela sitzt immer noch in dem Gebüsch. Wieder und wieder hört sie Madame Blanche rufen. Das Himbeereis ist längst aufgegessen. Irmela kriecht noch weiter in die Dunkelheit. Plötzlich vermisst sie ihren Vater, der im Krankenhaus liegt. Sie will nicht zurück in das leere, große Haus, in dem Madame Blanche regiert. Sie fürchtet ihre Vogelkrallen.
Plötzlich laufen Tränen über ihre Wangen. Ihr Herz schmerzt, brennt, als wollte es in zwei Teile brechen.
Sie ist mutterseelenallein. Schon immer ist sie mutterseelenallein. Ihre Mutter ist schon bei ihrer Geburt gestorben. Ihr Vater ist schwer krank. Er ist in einer Spezialklinik und sie hat ihn lange nicht gesehen. Am Telefon klingt seine Stimme dünn und brüchig.
Es fühlt sich an, als drücke ein schwarzer Balken auf ihr Herz.
Sie will weggehen, einfach immer weiter gehen bis an den Rand der Welt. Am Rand der Welt gibt es einen Tränengarten, in dem Tränen erblühen. Das hat Jean ihr ins Ohr geflüstert.
Irmela liegt in ihrem Bett. Es ist weiß gestrichen und die Decke ist himmelblau. Und plötzlich hört sie es wieder. Das Schwirren in der Luft, das Schlagen der Flügel. Im ganzen Haus ist es totenstill. Nur draußen vor ihrem Fenster kreist ein großer schwarzer Vogel mit spitzen Krallen und einem großen Schnabel. Sie kann seinen Schatten im Licht des Mondes sehen.
Er stößt einen spitzen Schrei aus, wenn er genau auf der Höhe von Irmelas Fenster ist.
Irmela schwitzt, sie weiß dass der Schrei eine Drohung ist. Sie windet sich im Bett. Angst, entsetzliche Angst würgt ihre Kehle. Dreimal erklingt der gellende Schrei. Sie hat das Gefühl, erstickende Federn streifen ihre Wangen.
Danach wird es wieder totenstill. Irmela starrt an die Decke. Viel später hört sie die Schritte Madame Blanches auf der Treppe.
Hallo Fux,
ich nehme an hier handelt es sich um den durch die Kommentare ermutigten weiteren Ausbau, des kurzen Textes oben. Während ich den kurzen Text, ähnlich wie meine Vorkommentatoren recht vielversprechend gefunden habe, enttäuscht mich das Folgende. Das Geheimnisvolle wirkt plötzlich gewollt, vielleicht durch die fast schon klischeehafte Benennung des Todes der Mutter und der Krankheit des Vaters. Vielleicht sollte das einfach ungesagt über der Geschichte von Irmela und Madame Blanche schweben, wie die dunklen Flügel.
Ich habe m.M. nach unschöne Wiederholungen im Text unterstrichen.
Bin gespannt, welche Rückmeldungen noch eingehen werden.
Xanthi
ich nehme an hier handelt es sich um den durch die Kommentare ermutigten weiteren Ausbau, des kurzen Textes oben. Während ich den kurzen Text, ähnlich wie meine Vorkommentatoren recht vielversprechend gefunden habe, enttäuscht mich das Folgende. Das Geheimnisvolle wirkt plötzlich gewollt, vielleicht durch die fast schon klischeehafte Benennung des Todes der Mutter und der Krankheit des Vaters. Vielleicht sollte das einfach ungesagt über der Geschichte von Irmela und Madame Blanche schweben, wie die dunklen Flügel.
Ich habe m.M. nach unschöne Wiederholungen im Text unterstrichen.
Bin gespannt, welche Rückmeldungen noch eingehen werden.
Xanthi
wüstenfuchs hat geschrieben:Irmela geht sehr gerne in die Galerie Minsky. Sie war erst zweimal dort mit Jean und seiner Mutter.
Die Räume sind mit rotem Samt verkleidet.
Eine steile Treppe führt durch das schmale Haus.
Herr Minsky trägt immer einen grauen Anzug und wischt Stäubchen von den schwarzen Bilderrahmen.
Er verscheucht alle Kinder. Er hat Angst, dass sie seine Bilder beschädigen. Irmela macht sich unsichtbar und schleicht auf den Dachboden. Dort wohnt seine Tochter Madeleine.. Sie hat eine Schale mit bunten Bonbons, die sie dauernd in ihre dicken Wangen schiebt. Ihr Atem riecht süßsauer. Ihr Mund ist klein wie eine Rosenknospe. Sie reitet auf einem roten Schaukelpferd mit einer grauen Mähne und langen kastanienbraunen Zügeln.
Manchmal lässt sie Irmela reiten. Doch sie ist schnell beleidigt, wenn Irmela nicht tut, was sie sagt.
Madeleine hat lange rote Locken und trägt immer zarte Mädchenkleider, am liebsten in Rosarot. Ihr Bauch wölbt sich ein bisschen.
Sie ist mollig und hat ein Mondgesicht.
Sie strengt sich nicht gerne an und will auch nie draußen spielen.
In ihrem Kinderschrank hat sie dunkle Schokolade versteckt, die Irmela an Madame Blanche erinnert.
Fast so, als hätte Madame Blanche sie Madeleine vorbeigebracht.
Doch Irmela kann sich nicht vorstellen, dass Madame Blanche mit Madeleine irgendetwas zu tun hat.
Manchmal muss Madeleine Lulu und geht lange auf die Toilette, wo sie lange herumtrödelt.
Sie verreibt hellen Puder auf ihrem Bauch und schneidet vor dem Spiegel Grimassen.
Immer wenn Madeleine weg ist, durchsucht Irmela schnell das Zimmer. Unter dem Bett findet sie Orangenschalen und im Schrank violette Schnürstiefel und eine kleine Pinzette.
Irmela klaut ein Stück Schokolade und steckt es in ihre Hosentasche, um den Geschmack mit Madame Blanches Schokolade zu vergleichen.
In einem Käfig sitzen zwei türkisfarbene Vögelchen. Immer wenn Madeleine den Raum verlässt, fangen sie an zu singen und zu hopsen.
Ganz unten im Erdgeschoss wohnt ein silbergrauer Perserkater. Er hat große helle Augen und liegt meistens genau auf der Schwelle. Er gibt sich nicht zu erkennen.
Irmela sitzt immer noch in dem Gebüsch. Wieder und wieder hört sie Madame Blanche rufen. Das Himbeereis ist längst aufgegessen. Irmela kriecht noch weiter in die Dunkelheit. Plötzlich vermisst sie ihren Vater, der im Krankenhaus liegt. Sie will nicht zurück in das leere, große Haus, in dem Madame Blanche regiert. Sie fürchtet ihre Vogelkrallen.
Plötzlich laufen Tränen über ihre Wangen. Ihr Herz schmerzt, brennt, als wollte es in zwei Teile brechen.
Sie ist mutterseelenallein. Schon immer ist sie mutterseelenallein. Ihre Mutter ist schon bei ihrer Geburt gestorben. Ihr Vater ist schwer krank. Er ist in einer Spezialklinik und sie hat ihn lange nicht gesehen. Am Telefon klingt seine Stimme dünn und brüchig.
Es fühlt sich an, als drücke ein schwarzer Balken auf ihr Herz.
Sie will weggehen, einfach immer weiter gehen bis an den Rand der Welt. Am Rand der Welt gibt es einen Tränengarten, in dem Tränen erblühen. Das hat Jean ihr ins Ohr geflüstert.
Irmela liegt in ihrem Bett. Es ist weiß gestrichen und die Decke ist himmelblau. Und plötzlich hört sie es wieder. Das Schwirren in der Luft, das Schlagen der Flügel. Im ganzen Haus ist es totenstill. Nur draußen vor ihrem Fenster kreist ein großer schwarzer Vogel mit spitzen Krallen und einem großen Schnabel. Sie kann seinen Schatten im Licht des Mondes sehen.
Er stößt einen spitzen Schrei aus, wenn er genau auf der Höhe von Irmelas Fenster ist.
Irmela schwitzt, sie weiß dass der Schrei eine Drohung ist. Sie windet sich im Bett. Angst, entsetzliche Angst würgt ihre Kehle. Dreimal erklingt der gellende Schrei. Sie hat das Gefühl, erstickende Federn streifen ihre Wangen.
Danach wird es wieder totenstill. Irmela starrt an die Decke. Viel später hört sie die Schritte Madame Blanches auf der Treppe.
Hallo Fux,
ich fand das erste Fragment auch um Längen besser. Das liegt sicher nicht nur an den Wiederholungen (das zweifache "mutterseelenallein würde ich ebenfalls streichen und aus dem "Tränengarten" einen "Garten" machen).
Insbesondere ist der Ton nicht mehr derselbe. Mir geht das verloren, was Gerda das "zart Schwebende" nennt.
Zum Teil liegt das daran, das einiges im zweiten Fragment viel konkreter wird. Die Abwesenheit der Eltern würde ich - wie Xanthippe vorschlägt - auf keinen Fall so explizit beschreiben und die Gründe auf jeden Fall verschweigen - was m.E. auch besser zur Gedankenwelt von Irmela passt, die zwar unter der Abwesenheit leidet, aber sich die Gründe nicht bewusst macht, sondern eher verdrängt (würde ich meinen).
Beim zweiten Fragment bin ich mir nicht mehr sicher über die Situation, in der sich Irmela befindet. Nach den Erinnerungen an die Galerie und an Madeleine finden wir sie wieder im Gebüsch vom ersten Fragment. Aber einen Abschnitt später liegt sie im Bett. Ist das auch wieder eine Erinnerung? Für meinen Geschmack müsste die Gebüsch-Szene deutlicher abgeschlossen werden.
Aber ich habe ja den Ton bemäkelt. Ich glaube, Du verlässt den Blickwinkel von Irmela im zweiten Fragment. Ich erwarte zB, Madeleine mehr durch ihre Augen zu sehen. Ebenso sollte die Abwesenheit der Eltern (wie gesagt) nur unbewusst in das Empfinden Irmelas einfließen.
Ein Beispiel:
Oder statt
vielleicht eher: "Irmela steckt ein Stück Schokolade in ihre Hosentasche. Sie wird den Geschmack mit Madame Blanches Schokolade vergleichen."
Gut finde ich den Satz "Irmela macht sich unsichtbar und schleicht auf den Dachboden." Weil Irmela sich unsichtbar macht. "Ihr Mund ist klein wie eine Rosenknospe." hingegen klingt für mich nicht nach der Beobachtung eines Kindes.
Ein anderer Grund für den veränderten Ton ist der Satzbau. Du hast im ersten Fragment sehr kurze, etwas abgehackte Sätze verwendet. Das trägt zum Eindruck einer kindlichen Perspektive bei. Vermutlich solltest Du das nicht in einem längeren Text beibehalten. Da muss also tatsächlich ein Übergang stattfinden, der zu einer Änderung im Ton führt.
Soweit meine Gedanken.
Ich bin sehr gespannt, ob die Geschichte weiter geht.
Gruß - annette
ich fand das erste Fragment auch um Längen besser. Das liegt sicher nicht nur an den Wiederholungen (das zweifache "mutterseelenallein würde ich ebenfalls streichen und aus dem "Tränengarten" einen "Garten" machen).
Insbesondere ist der Ton nicht mehr derselbe. Mir geht das verloren, was Gerda das "zart Schwebende" nennt.
Zum Teil liegt das daran, das einiges im zweiten Fragment viel konkreter wird. Die Abwesenheit der Eltern würde ich - wie Xanthippe vorschlägt - auf keinen Fall so explizit beschreiben und die Gründe auf jeden Fall verschweigen - was m.E. auch besser zur Gedankenwelt von Irmela passt, die zwar unter der Abwesenheit leidet, aber sich die Gründe nicht bewusst macht, sondern eher verdrängt (würde ich meinen).
Beim zweiten Fragment bin ich mir nicht mehr sicher über die Situation, in der sich Irmela befindet. Nach den Erinnerungen an die Galerie und an Madeleine finden wir sie wieder im Gebüsch vom ersten Fragment. Aber einen Abschnitt später liegt sie im Bett. Ist das auch wieder eine Erinnerung? Für meinen Geschmack müsste die Gebüsch-Szene deutlicher abgeschlossen werden.
Aber ich habe ja den Ton bemäkelt. Ich glaube, Du verlässt den Blickwinkel von Irmela im zweiten Fragment. Ich erwarte zB, Madeleine mehr durch ihre Augen zu sehen. Ebenso sollte die Abwesenheit der Eltern (wie gesagt) nur unbewusst in das Empfinden Irmelas einfließen.
Ein Beispiel:
Das ist eine für meinen Geschmack erwachsene und fast abstrahierte Beschreibung der Empfindung, die Irmela haben mag: "ein Haus, in dem man auf engen Treppen immer höher und höher steigen kann." Also nur mal so ins Unreine, damit Du weißt, was ich meine.Eine steile Treppe führt durch das schmale Haus.
Oder statt
Irmela klaut ein Stück Schokolade und steckt es in ihre Hosentasche, um den Geschmack mit Madame Blanches Schokolade zu vergleichen.
vielleicht eher: "Irmela steckt ein Stück Schokolade in ihre Hosentasche. Sie wird den Geschmack mit Madame Blanches Schokolade vergleichen."
Gut finde ich den Satz "Irmela macht sich unsichtbar und schleicht auf den Dachboden." Weil Irmela sich unsichtbar macht. "Ihr Mund ist klein wie eine Rosenknospe." hingegen klingt für mich nicht nach der Beobachtung eines Kindes.
Ein anderer Grund für den veränderten Ton ist der Satzbau. Du hast im ersten Fragment sehr kurze, etwas abgehackte Sätze verwendet. Das trägt zum Eindruck einer kindlichen Perspektive bei. Vermutlich solltest Du das nicht in einem längeren Text beibehalten. Da muss also tatsächlich ein Übergang stattfinden, der zu einer Änderung im Ton führt.
Soweit meine Gedanken.
Ich bin sehr gespannt, ob die Geschichte weiter geht.
Gruß - annette
Thanx für eure Rückmeldungen. Sie sind hilfreich. Ich hatte selbst das Gefühl, in der Perspektive nun abzugleiten sozusagen unbewußt. Ich möchte den Text gerne weiter entwickeln und dankbar für eure Auseinandersetzung.
Nun frage ich mich, ob es besser wäre die Struktur von Teil 1 durchgehend beizubehalten. Oder mehrere Sprecher eine jeweils eigene Sprachstruktur entwickeln zu lassen.
So dass Irmela ihre Art hat wie in Teil 1, Madeleine einen anderen Stil und Jean auch einen anderen. Wäre aber ziemlich kompliziert.
Das, Annette, mit dem konkreter werden ist auch, wie du klar erkannt hast, eines meiner Probleme.
Das Konkrete schleicht sich sozusagen ein und ich weiß nicht, ob es möglich wäre, darauf völlig zu verzichten.
Eine andere Möglichkeit wäre nach Teil 1 in einen breiteren Erzählstil überzugehen, was ich hier versucht habe, was mich aber nicht wirklich befriedigt.
Ihr habt genau auf die Schwachpunkte Bezug genommen, die mir während des Schreibens schon nicht so gefielen.
Das Problem der Konkretion und das Verrutschen der Erzählperspektive.
Bis bald, Wüstenfux
Nun frage ich mich, ob es besser wäre die Struktur von Teil 1 durchgehend beizubehalten. Oder mehrere Sprecher eine jeweils eigene Sprachstruktur entwickeln zu lassen.
So dass Irmela ihre Art hat wie in Teil 1, Madeleine einen anderen Stil und Jean auch einen anderen. Wäre aber ziemlich kompliziert.
Das, Annette, mit dem konkreter werden ist auch, wie du klar erkannt hast, eines meiner Probleme.
Das Konkrete schleicht sich sozusagen ein und ich weiß nicht, ob es möglich wäre, darauf völlig zu verzichten.
Eine andere Möglichkeit wäre nach Teil 1 in einen breiteren Erzählstil überzugehen, was ich hier versucht habe, was mich aber nicht wirklich befriedigt.
Ihr habt genau auf die Schwachpunkte Bezug genommen, die mir während des Schreibens schon nicht so gefielen.
Das Problem der Konkretion und das Verrutschen der Erzählperspektive.
Bis bald, Wüstenfux
Hallo Fux,
Das hieße, alles aus der Sicht von Irmela zu erzählen. Kann ich mir nur für einen verhältnismäßig kurzen Text vorstellen.
Ja, kompliziert. Außerdem würden dann zwar verschiedene Perspektiven entstehen, aber schwerlich unterschiedliche Stile, da es sich bei allen dreien um Kinder handelt. Nicht dass Kinder nicht unterschiedlich wären, aber das schlägt sich doch noch nicht so deutlich in ihrer Sprache nieder.
Dann sind da noch die Konkretisierungen - ganz ohne die geht es wahrscheinlich wirklich nicht, jedenfalls nicht, wenn der Text noch wachsen soll.
Ich denke da an zwei verschiedene Stimmen: die von Irmela und die eines Erzählers (also genau das, was Du schon versucht hast). Irmela ist die wunderbare Stimme aus Fragment 1. Die Erzählerstimme müsste sich noch etwas deutlicher abheben, aber ohne gegen die impulsive, gefühlsbetonte Irmela langweilig zu wirken. Es müsste eine lakonische Stimme sein, die auch nicht alles platt aufdeckt, aber nüchterner ist. Vielleicht könnte das auch ein personaler Erzähler sein, der Irmela aus einiger Distanz betrachtet, aber kaum ins Geschehen eingreift. Dann könntest Du Dir eine Person zur Stimme denken, dann entsteht leichter eine eigene Betrachtungsweise der Dinge.
Soweit meine Gedanken.
Gruß - annette
Nun frage ich mich, ob es besser wäre die Struktur von Teil 1 durchgehend beizubehalten.
Das hieße, alles aus der Sicht von Irmela zu erzählen. Kann ich mir nur für einen verhältnismäßig kurzen Text vorstellen.
Oder mehrere Sprecher eine jeweils eigene Sprachstruktur entwickeln zu lassen. So dass Irmela ihre Art hat wie in Teil 1, Madeleine einen anderen Stil und Jean auch einen anderen. Wäre aber ziemlich kompliziert.
Ja, kompliziert. Außerdem würden dann zwar verschiedene Perspektiven entstehen, aber schwerlich unterschiedliche Stile, da es sich bei allen dreien um Kinder handelt. Nicht dass Kinder nicht unterschiedlich wären, aber das schlägt sich doch noch nicht so deutlich in ihrer Sprache nieder.
Dann sind da noch die Konkretisierungen - ganz ohne die geht es wahrscheinlich wirklich nicht, jedenfalls nicht, wenn der Text noch wachsen soll.
Ich denke da an zwei verschiedene Stimmen: die von Irmela und die eines Erzählers (also genau das, was Du schon versucht hast). Irmela ist die wunderbare Stimme aus Fragment 1. Die Erzählerstimme müsste sich noch etwas deutlicher abheben, aber ohne gegen die impulsive, gefühlsbetonte Irmela langweilig zu wirken. Es müsste eine lakonische Stimme sein, die auch nicht alles platt aufdeckt, aber nüchterner ist. Vielleicht könnte das auch ein personaler Erzähler sein, der Irmela aus einiger Distanz betrachtet, aber kaum ins Geschehen eingreift. Dann könntest Du Dir eine Person zur Stimme denken, dann entsteht leichter eine eigene Betrachtungsweise der Dinge.
Soweit meine Gedanken.
Gruß - annette
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