Ich fahre nach AQUIS MATTIACIS zum Hotel CAPER NIGRUS, dort liest Michael Degen aus seinem Buch »Mein Heiliges Land«. Da mein Sohn in diesem Land lebt, habe ich ein vorrangiges Interesse an allem, was damit zusammenhängt.
In AQUAE MATTIACORUM steige ich am Hauptbahnhof aus, warte auf einen Omnibus der Linie 1, um das Deversorium zu erreichen, eines der ältesten, der vornehmsten in dieser Stadt. Da ich im Museum keine Zeit zum Essen hatte, verspüre ich Hunger.
Der Bus soll erst in zehn Minuten eintreffen, neben der Haltestelle ist ein Brezelstand von »Geppert«, der aussichtslosen Konkurrenz des mächtigen, allgegenwärtigen, universal bekannten DITSCH. Dieser »Geppert« aber steht alleine da, wie ein schüchterner Krieger, der sich abseits der Schlachtfelder profiliert. Ich nähere mich dem Stand, der Verkäufer, der sich außerhalb der Bude mit jemandem an der Bushaltestelle unterhalten hat, kommt gerannt. Ich habe mittlerweile meine Wahl getroffen und äußere sie dem Verkäufer gegenüber. Dieser entschuldigt sich für das knappe Angebot, es hätte was mit dem Tag zu tun, sagt er. Es ist nämlich Sonntag.
Als ich ein Croissant essend dastehe, hält ein Bus an, eine Tür geht auf und eine Blondine steht an der offenen Tür und ruft mich, es ist Venus, die Schutzherrin der Trojaner. Ich vergesse den anderen Bus und steige sofort ein. Sie ist nicht alleine, Helene, die Frau, die sie Paris versprochen hatte, ist bei ihr. Sie beide wollen sich auch diese Lesung anhören. Sie sind schon so etwas wie Stammkunden, sagt Venus. Helena ist ein ganz anderer Typ, eher mediterran. Das ist vielleicht das besondere an Venus, dass sie, obwohl am Meer geboren, so weiß und so blond ist, als ob nie ein Sonnenstrahl sie berührt hätte.
Ich wäre am »Kochbrunnen« ausgestiegen, aber die zwei Frauen kennen sich aus und wir steigen in der Weberstraße aus, von da zum Hotel sind es nur ein paar Schritte. Vor der Lesung gibt es Metternich-Sekt, serviert von zwei jungen Kellnern, die altgold und schwarz gestreifte Westen tragen. Eine diskrete Schlange steht vor dem breiten Fass, das als Tisch dient. Zum Trinken selbst geht man an einen großen, langen Tisch aus edlem Holz.
Die meisten Besucher sitzen schon im Saal, wir müssen uns mit einem Platz in den hinteren Reihen begnügen. Als es soweit ist, kommt Michael Degen herein, den wir schon draußen am langen Tisch erblickt haben, wir hatten ihn am Abend zuvor kurz in einem Donna-Leon-Film gesehen. Er geht durch den schmalen Gang zwischen den beiden Sitzreihenblocks. Der kleine Saal ist voll, ich schätze, so an die zweihundert Leute. Die meisten müssten Juden sein, denke ich, glücklich Überlebende des Holocaust, wie Michael Degen selbst. Mir ist schon längst aufgefallen, dass, wenn sie nicht gerade in einer Synagoge beten, die Juden ganz normale Menschen sind, die sich in nichts von den anderen unterscheiden. Wenn es nicht so wäre, wären sie nicht gezwungen gewesen, einen gelben Stern zu tragen.
Das Deutsche Reich, in seinem Bestreben, diese Menschen auszurotten, brachte sich selbst um. Denn die Juden waren nicht irgendein Glied des Körpers, worauf man hätte verzichten können.
Ich muss gegen den Schlaf ankämpfen. Mir wäre es peinlich, während dieser Lesung einzuschlafen, aber mir geht es bei fast allen kulturellen Veranstaltungen so, wahrscheinlich habe ich ein zu kleines Gehirn. Ich könnte mein ganzes Leben lang schlafen, nur schlafen. Kurz aufwachen, um sofort zu sterben.
Nach der Pause und noch einem Sekt geht es mir besser, ich bin fast fit. Der zweite Teil der Lesung ist sehr kurz, endet fast abrupt. Michael Degen steht auf und fragt kurz: »Gibt es irgendwelche Fragen ...?«, und fügt sofort schmunzelnd hinzu: »Nein, nicht wahr?« Der Mann sieht viel jünger aus, müsste aber schon fast achtzig sein. Wir, sein Publikum, wissen schon alles, wir brauchen keine Fragen mehr zu stellen.
Draußen laufen wir langsam am Hotel vorbei. Helena bleibt kurz vor dem großen Schaufenster stehen, wo zwei große, schwarze griechische Urnen ausgestellt sind ...
CAPER NIGRUS
Hola Carlos,
schon mehrfach habe ich deine Geschichte gelesen, doch es geht mir jedes Mal so, dass ich die Geschichte nicht verstehe. Bis "Es ist nämlich Sonntag" gehe ich gern mit, da mir, die jahrelang in Wiesbaden gelebt hat, die Orte (wie den "Schwarzen Bock", den Kochbrunnen, etc.) sehr vertraut sind. Doch als "Venus" und "Helene" in die Szene einsteigen, steige ich, als Leserin, aus. Ich hab so das Gefühl, dass sich hier mehrere Erzählstränge und auch griechische Mythologie hier vermischen und verstehe sie nicht.
Saludos
Gabriella
schon mehrfach habe ich deine Geschichte gelesen, doch es geht mir jedes Mal so, dass ich die Geschichte nicht verstehe. Bis "Es ist nämlich Sonntag" gehe ich gern mit, da mir, die jahrelang in Wiesbaden gelebt hat, die Orte (wie den "Schwarzen Bock", den Kochbrunnen, etc.) sehr vertraut sind. Doch als "Venus" und "Helene" in die Szene einsteigen, steige ich, als Leserin, aus. Ich hab so das Gefühl, dass sich hier mehrere Erzählstränge und auch griechische Mythologie hier vermischen und verstehe sie nicht.

Saludos
Gabriella
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