Über "Essays, Reden, Kritik, Satire, Glossen, Kolumnen, Prosa und Kultur" steht noch eine weitere Übertitelung, nämlich "Kritisches, Satirisches & Humoriges". Ich hasse diese zusätzliche Übertitelung! Ich habe diese dreifache Und-Verknüpfung schon immer gehasst! Sie ist sinnlos, unlogisch, undramatisch, grob. Ich weigere mich, diesen Beitrag unter "Kritisches, Satirisches & Humoriges" zu setzen! Dies ist ausdrücklich ein Beitrag unter "Essays, Reden, Kritik, Satire, Glossen, Kolumnen, Prosa und Kultur". Nicht unter "Kritisches, Satirisches & Humoriges". Bin ich verstanden worden? Ich wiederhole: -- Nein, ich wiederhole nicht.
Und noch was. Zwar ist auf dem Portal diese Rubrik mit diesem Schild für Blöde markiert:

Dennoch ist in meinem Beitrag hier absolut nichts ironisch gemeint! Dieses bescheuerte Schild! Wo soll ich denn meinen Beitrag sonst hinschicken? Unter "Aphorismen"? Unter "Märchen"?
Nun zum Schriftstück:
Der Grund über dem Kopf -- Oder: Wie Begriffe enthaupten
Wenn der eine mehr bekommt und der andere weniger, reden wir dann über Strafe oder über Belohnung? Die Lehrerin fragt Fritzchen, wie dieser Baum heißt. Er weiß es, er wird gelobt. Sein Schwesterchen soll die Hauptstadt von Dänemark nennen. Sie weiß es nicht, sie wird nicht gelobt. Ist das nun eine Belohnung Fritzchens, oder eine Bestrafung seines Schwesterchens durch Lobentzug? Wo genau ist die Mitte zwischen Lob und Strafe? Gibt es diese Mitte überhaupt? Wahrscheinlich nicht. Wo gestraft, da auch belohnt, und umgekehrt.
Es ist eine Belohnung, nicht ins Straflager zu müssen. Es ist eine Strafe, keinen Kuss zu bekommen.
Herr Meier hat Solarzellen auf dem Dach, Frau Müller nicht. Herr Meier wird belohnt durch Steuerermäßigung, Frau Müller muss mehr bezahlen. Wird hier nun Meier belohnt, oder Müller bestraft? Hat Steuerermäßigung eine Straf- oder eine Belohnungsfunktion?
Verheiratete zahlen weniger Steuer. Somit müssen frei gepaarte eine Geldstrafe bezahlen, Verheiratete nicht.
Die Mathematik ist eine sehr ehrliche Sprache!
Die Kassiererin im Supermarkt beäugt Opa Schmidts Einkaufswagen, denn es könnte ein unbezahlter Artikel drin liegen. Das tut die Kassiererin bei allen Kunden. Reden wir hier über persönliche Verdächtigung oder über ... ja wie soll man das nennen? ... über einen allgemeinen anonymen Sieb? Ein Sieb, ein Filter, das alle lieben Menschen prüft, und nur die Diebe auffängt. Wenn der Siebende weiß, dass der Großteil des Siebguts aus lieben Menschen besteht, was tut der Siebende somit? Verdächtigt er jeden? Oder siebt er nur Diebe? Wo ist die Mitte zwischen Verdächtigen und Suchen?
Wenn ich mein Auto abschließe, oder meine Haustür, verdächtige ich dann mit diesem meinem Misstrauen jeden Mitmenschen? Hat diese Schutzhaltung eine Verdachtsfunktion, oder eine Siebfunktion, in dem Sinn, dass sie nur Einbrecher gegen die Wand laufen lässt, während sie liebe Menschen nicht gegen die Wand laufen lässt?
Juli Zeh, die ich sehr schätze, hält sich derzeit mit derlei Begrifflichkeiten auf: Sie meint, dass mit der Schnüffelei der NSA aus jedem Menschen eine Verdachtsperson gemacht wird. Ich sage, diese Formulierung ist belanglos, denn man könnte diese Schnüffelei ebenso ein Durchkämmen nennen; natürlich weiß die NSA, dass die meisten Menschen nichts böses tun. Die NSA-Gauner können nicht dermaßen psychopathisch veranlagt sein, dass sie in jedem Menschen einen Terroristen sehen. Vielmehr durchkämmen sie das Gute, um Schlechtes herauszufiltern. Kann man so etwas einen Generalverdacht nennen? Sollen wir dann auch die Sieberei an den Flughäfen, an den Großveranstaltungen abschaffen? Ist jeder Passagier, jeder Konzertbesucher ein Verdächtiger, oder werden hier lediglich liebe Leute gesiebt? Wo ist die Mitte zwischen Verdacht und Sieb? Es gibt keine Mitte, glaube ich.
Zusammengefasst: Anstatt sich an solchen bipolaren Begrifflichkeiten aufzuhalten, die ja gar nicht abschaffbar sind (aufgrund ihrer Verknüpfung mit ihrem eigenen Gegenpol), sollten all die Schriftsteller, die bei Juli Zeh unterschrieben haben und sich gegen die Schnüffelei der NSA wenden, dies aus folgendem Grund tun: Privatheiten gehen andere Leute nichts an, Punkt. -- Und sich gegen die Schnüffelei der NSA wenden nicht aus dem Grund, dass vermeintlich aus jedem ein Verdächtiger gemacht wird. Mit letzerem Argument, mit dieser Begrifflichkeit, verpufft der Gegenangriff sofort. Die Gegenangreifer sollten ihre Energie nicht in einer derartigen Begrifflichkeitsdebatte verschwenden, dafür ist das Problem zu massiv. Die NSA ist ein Riesendrecksverein. Es geht da außerdem auch um politische und wirtschaftliche Spionage. Das ist in meinen Augen weniger ein philosophisches, vielmehr ein kriminelles Problem.
Arbeitstitel war: "Begrifflichkeiten zerdeppern die Hauptsache"