Morgendämmerung (neue Fassung)

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.09.2006, 12:25

Morgendämmerung (neue Fassung vom 08.10.06)

Vier Uhr morgens. Noch ganz im Rausch der heißen Disco-Nacht, schlendere ich durch die leeren Gassen Santiagos. Barfuß, die durchtanzten Pumps in der Tasche, sehe ich die Stadt mit neuem Gesicht. So still, so friedlich. Ich höre die an bunten Leinen hängende Wäsche rascheln. Alles schläft, selbst die Zeit. Kein Licht hinter den zugezogenen, vermoderten Rollläden. Die sonst an jeder Ecke streunenden Hunde zeigen kein Interesse am Müll, liegen träge auf dem noch kühlem Boden. Wundersame Empfindung, seltsame Klarheit verleihen mir eine nie erlebte Leichtigkeit. Selbst die Morgendämmerung zögert; soll sie oder nicht? Zeitloser Moment. Von Müdigkeit keine Spur. Ich fühle mich überaus wach, genieße die Ruhe dieser sonst von Lärm und Hektik überquellenden Stadt. Wohlwissend, mich ganz allein in einem der berüchtigsten Viertel Santiagos aufzuhalten, findet Angst keinen Raum in meinem verzauberten Gemüt. All meine Sinne aufs Äußerste geschärft, vernehme ich plötzlich den lieblichen Duft frisch gebackenen Brotes. Ich folge dem lockenden Geruch, gehe durch viele verwinkelte Seitenwege, als er vor mir steht, der Straßenverkäufer.

Begegnung zweier Menschen in der Stille. Lächelnd bietet er mir eine heiße tortilla an. Und - welche Freude - Butter dazu, köstlich! Aus zwei verschiedenen Welten kommend, sind wir in diesem bizarren Moment die einzigen Menschen in der Millionenmetropole. Ich wünsche ihm schließlich einen erfolgreichen Tag und ziehe meiner Wege. Die Morgendämmerung hat sich entschieden. Die Stadt erwacht zum Leben. Das tobende Chaos aus vorbeirasenden Autos und Stimmengewirr verdrängt die Stille, doch den erlebten Augenblick der Zeitlosigkeit kann mir niemand mehr nehmen. Ein wunderbares Geschenk, welches mich Santiago mit anderen Augen sehen lässt.
Morgendämmerung, äußeres und inneres Erwachen.

© Gabriella Marten Cortes





Morgendämmerung

Vier Uhr morgens. Noch ganz im Rausch der heißen Disco-Nacht, schlendere ich tänzelnd durch die leeren Gassen Santiagos. Barfuß, die durchtanzten Pumps in der Linken, sehe ich die Stadt mit neuem Gesicht. So still, so friedlich. Alles schläft. Die Zeit steht still. Selbst die sonst an jeder Ecke streunenden Hunde zeigen kein Interesse am Müll. Wundersame Empfindung, seltsame Klarheit verleihen mir eine nie erlebte
Leichtigkeit. Selbst die Morgendämmerung zögert; soll sie oder nicht? Zeitloser Moment. Von Müdigkeit keine Spur. Wohlwissend, allein durch eine der berüchtigsten Viertel Santiagos zu pilgern, findet Angst keinen Raum in meinem verzauberten Gemüt. All meine Sinne aufs Äußerste geschärft, vernehme ich plötzlich den lieblichen Duft frisch gebackenen Brotes. Ich schließe die Augen und folge dem lockenden Geruch. So manch verwinkeltes Gässchen schlage ich ein. Süße Verführung ebnet mir den Weg. Da steht er vor mir, der Straßenverkäufer.

Begegnung zweier Menschen in der Stille. Lächelnd bietet er mir eine heiße tortilla an. Und - welche Freude - Butter dazu, köstlich! Aus zwei verschiedenen Welten kommend, sind wir in diesem bizarren Moment die einzigen Menschen in der Millionenmetropole. Nach einem netten Schwätzchen, ziehe ich meiner Wege. Die Morgendämmerung hat sich entschieden. Die Stadt erwacht zum Leben. Diesen Augenblick der Zeitlosigkeit kann mir niemand mehr nehmen. Ein wunderbares Geschenk, welches mich die Stadt mit anderen Augen sehen lässt.
Morgendämmerung, äußeres und inneres Erwachen.

© Gabriella Marten Cortes
Zuletzt geändert von Mucki am 08.10.2006, 19:54, insgesamt 3-mal geändert.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 14.09.2006, 21:37

Huhu Magic.


schlendere ich tänzelnd durch die leeren Gassen

Weiß nicht wie das gehen soll.
Entweder oder, oder? *g

Wie wäre es mit "streife ich tänzelnd durch die... " ... Wobei ich ehrlich gesagt auf tänzelnd auch verzichten würde.


Barfuß, die durchtanzten Pumps in der Linken, sehe ich die Stadt mit neuem Gesicht.

Hand?


Die Zeit steht still.

Die Wiederholung von "still" finde ich unschön. Außerdem würde ich das gerne gezeigt bekommen (ja ja, der Nifl immer!*g)
Wie du es mit den Hunden ja auch schon schön anfängst. Vielleicht, dass "du" ein Geräusch wahrnehmen kann, was sie am Tage nicht hört ... (mir fällt gerade nichts ein)


Zeitloser Moment.

Ich dachte die steht still?


Von Müdigkeit keine Spur.

Bei der Morgendämmerung?


So manch verwinkeltes Gässchen schlage ich ein.

Ne.


Süße Verführung ebnet mir den Weg.

Wie das? Was steht denn im Weg?


Nach einem netten Schwätzchen, ziehe ich meiner Wege.

Schwätzchen passt irgendwie eher nach Stuttgart.


Diesen Augenblick der Zeitlosigkeit kann mir niemand mehr nehmen.

Aber es war doch der "vorherige" Augenblick ... "jetzt" erwacht doch alles.

Hm, leider zündet bei mir der Funke nicht. Du erzählst zu viel ... behauptest in einem fort ... ich würde gerne viel mehr gezeigt bekommen.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.09.2006, 22:41

Hallo Nifl,

ok, ich geh noch mal ran und bring mehr Sdt rein, hast Recht.
Danke dir für die Auseinandersetzung mit meinem Text:-)
Saludos
Magic
P.S. Ich überlege gerade, ob ich da auch lyrische Prosa draus machen könnte, also in Gedichtform formatiert, aber halt erzählend, na, mal schauen.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 15.09.2006, 18:59

Hi Magic,

bei erfahrenen Schreibern wie dir, vergesse ich oft auch das Positive zu erwähnen. Ich hoffe nicht, dass du den Eindruck gewonnen hast, ich würde den Text schlecht finden. Nein, die Idee finde ich großartig. Der Charme einer erwachenden Großstadt ist atemberaubend ... und auf jeden Fall einen Text wert. So viel wäre imo ja auch gar nicht zu ändern. Streiche einfach alle Feststellungen und Phrasen und ersetze sie durch Bilder.
Was mir noch eingefallen ist, warum wirft sie die löchrigen Schuhe eigentlich nicht weg ?... und mit einer Hand Brot kaufen und in der anderen miefige Schuhe, stelle ich mir auch komisch vor.

Es grüßt die Tänzerin
das Nifl
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.09.2006, 19:16

Tänzerin an Nifl;-)

danke dir, dass du auch das Positive erwähnst:-)))

Es ist wirklich unglaublich, wenn man Santiago de Chile in solch einer Stimmung erlebt. Ich habe mich dort, also im Zentrum, nur sehr wenig aufgehalten, da das Risiko, überfallen und ausgeraubt zu werden, wirklich sehr groß ist, sprich, es war eine gefährliche Situation, die ich jedoch nicht sah, sondern mich in so beschwingter Stimmung befand, dass ich als dies vergaß.
Und wegen den Pumps. Du musst wissen, zu der Zeit damals (das war noch unter dem Regime von Pinochet mit Sperrstunde z.B. Man wurde verhaftet, wenn man sich zu bestimmten Zeiten auf den Straßen aufhielt), waren die Straßen völlig kaputt, überall Löcher, etc. Deshalb konnte ich sie nicht wegwerfen. Ich hatte noch einen langen Weg nach Hause. Nur, nach der Disco, hatte ich sie nicht an, weil meine Füße sozusagen wundgetanzt waren;-)
Du siehst also, es ist ein Tatsachenbericht, den ich da geschrieben und genauso erlebt habe.
Saludos
Magic

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.10.2006, 19:14

Hallo ihr Lieben,

habe eben eine neue Fassung eingestellt und will mal schauen, ob ich sie auch gleich lesen kann ;-)
Saludos
Gabriella

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 09.10.2006, 16:02

Hallo Magic,

als erfahrener Großstadtnachtdurchtänzer fand ich die Rückwegstimmung in deinem Text glaubhaft eingefangen. Die Atmosphäre der fast leeren Straßen ist schon faszinierend - leider bin ich meistens zu müde, um viel davon aufzunehmen. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob die Morgendämmerung sich "entscheiden" kann. Wozu? Zum Eintreten?

Viele Grüsse

Merlin

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.10.2006, 16:21

Hallo Merlin,

es geht hier nicht um den meteologischen Aspekt, sondern um das Einfangen der erlebten Situation. Es war ein "zeitloser Moment", bizarr, irgendwie unwirklich. Die Morgendämmerung schien zu verharren, der "laute" Tag begann nicht, alles schien wie eingeschlafen.
Das kann man doch deutlich herauslesen. Ich verwende ja keinerlei Metaphern.
Saludos
Gabriella

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Beitragvon Nifl » 10.10.2006, 18:42

Die Überarbeitung lese ich ja jetzt erst. Gefällt mir viel besser!


Ein wunderbares Geschenk, welches mich Santiago mit anderen Augen sehen lässt.

Diesen Satz finde ich noch etwas umständlich. Konstruktionen mit "welches" gefallen mir nicht.
Vielleicht:
Ein wunderbares Geschenk, ein anderes Gesicht von Santiago erfahren/erleben zu dürfen.

LG
Nifl
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.10.2006, 20:02

Hallo Nifl,

jou, und eine Hörversion gibts inzwischen auch.
Ich arbeite grundsätzlich alle Texte, bei denen mich die Kritik überzeugte, und ich dies auch zum Ausdruck brachte, brav ab, setze mir Lesezeichen, so dass sie mir nicht verloren gehen.

Diesen Satz finde ich noch etwas umständlich. Konstruktionen mit \"welches\" finde ich scheußlich.

So hast du es ursprünglich geschrieben in deinem Kommentar, hättest du ruhig stehen lassen können ;-)

Ich könnte das Wort "welches" durch "das" ersetzen, doch dies ist mir zu profan.

Ein wunderbares Geschenk, ein anderes Gesicht von Santiago erfahren/erleben zu dürfen.

Das klingt mir wiederum zu geschwollen, ja fast kitschig. Außerdem kämen dann gleich zwei WHs rein, nämlich "Gesicht" und "erleben".
Fazit: Ich lass das "welches" mal stehen. Etwas Besseres fällt mir ad hoc nicht ein.
Saludos
Gabriella

Nifl
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Beitragvon Nifl » 10.10.2006, 21:27


Diesen Satz finde ich noch etwas umständlich. Konstruktionen mit \"welches\" finde ich scheußlich.
So hast du es ursprünglich geschrieben in deinem Kommentar, hättest du ruhig stehen lassen können

*lach ... du bist ja schneller als die Polizei erlaubt!
Aber werte Magic... da war zweimal "finde" drin ! *g


Das klingt mir wiederum zu geschwollen, ja fast kitschig. Außerdem kämen dann gleich zwei WHs rein, nämlich "Gesicht" und "erleben".

Hm ... ja ...


LG
Nifl
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