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Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klara
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Beitragvon Klara » 02.11.2006, 11:04

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Zuletzt geändert von Klara am 17.06.2007, 15:21, insgesamt 8-mal geändert.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 03.11.2006, 17:41

Huhu Klara.

Eine Patchworkfamilienidylle zerbricht. Warum sie nicht hinter die Linie kommen, ist mir nicht klar geworden. Einige tolle Wendungen gestalten das Lesen kurzweilig:
zB.

Du hast mir Klischees aufgetischt, die verpackt waren in Cellophan, manche hab ich noch nicht mal erkannt, so knisterten sie.
Du hast mich mit deinem schweren Leib gedeckt, hast mir eine Liebe geschenkt, die leicht wog, hingetupft, sich doch spreizte, die so hastig blühte wie roter Mohn.

Super.


Deine groben Schuhe verrutschten in der Bahn,

Verstehe ich nicht. Als Gepäck? Oder ist er ausgerutscht?


Insgesamt fühle ich mich am Ende merkwürdig "unberührt" ... achselzuckend frage ich mich "und?"

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Klara
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Beitragvon Klara » 03.11.2006, 20:12

Huhu, Nifl.


Zitat:

Deine groben Schuhe verrutschten in der Bahn,

Verstehe ich nicht. Als Gepäck? Oder ist er ausgerutscht?


Nee, es sind einfach große Schuhe, ausgezogen in der Bahn, verrutscht vom Ruckeln. Sie erinnert sich.

Mich irritiert etwas, dass du eine Idylle heraus liest. Ich habe jedenfalls keine reinschreiben wollen.

Insgesamt fühle ich mich am Ende merkwürdig "unberührt" ... achselzuckend frage ich mich "und?"

Ja, das mag sein :-) Genausowas fragt sie sich auch. Und warum es dann trotzdem ab und zu mal hochkommt. Und wie etwas eben einfach in der Versenkung verschwinden kann.
Na und.

"Und als sie einander acht Jahre kannten..." - kennst du das Liedchen, glaube von K. Wecker? In die Richtung fühlt es, nur eben von hinten, als es schon Jahre her ist.

LG
Klara

Klara
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Beitragvon Klara » 03.11.2006, 20:18

... aber irgendwie hast du Recht, Nifl, mit deinem polemisch-provokativen "und??!" wenn mir auch noch nicht klar ist, womit :confused:
Nein, im Ernst, es ist nicht klar, warum man darüber schreiben muss (Lisa würde möglicherweise nach dem GRUND fragen...). Man könnte es auch lassen. Es ist vorbei.
Und ich gestehe: Vermutlich ging es mir einfach nur um die Worte, eine Art Schreibübung vielleicht, ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Es fällt mir vielleicht wieder ein.

LG
Klara

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 05.11.2006, 12:41

Hat da jemand an der lampe gerubbelt? Hu, hat da wer meinen namen gerufen? --- Hier bin ich :-). Nein...

(habe den Text schon vorher gelesen).

Liebe Klara,

Insgesamt fühle ich mich am Ende merkwürdig "unberührt"


streich das "un" aus dem Satz von Nifl und du hast meinen Eindruck von dem Text! Und der bleibt sogar, obwohl du selbst von einer "Schreibübung" sprichst. Der Text ist toll und einfach nur ehrlich, trotz (wegen des!) Hochmuts. Der Schmerz zieht mich hinein, trotz dessen ich anders bin (und das ist viel). Er taucht kurz ein, wirkt genau so, wie er "hochkommt", ein Gedanken während einer S-Bahn-Fahrt, wenn man ähnliche Schuhe sieht oder noch grundloser.

Und trotz der poetischen Sprache merkt man dem Text den Alltag an, fast das "Millieu", man hört fast wie die Prots reden, die Bahn rütteln, den Winter auf den Wangen brennen, die Kinder plärren.

Die komplizierten Ebenen sind ausgeblendet, was den text aber stärkt, nicht schwächt - denn sie wären zu nichts nütze, es würde genau so kommen.

Das Naschwerk der Liebe und der plötzliche Würgereiz im Alltag...besonders einschlagend, weil es danach ja genau so weitergeht (die nächste Bahn fährt, auch andere Menschen tragen die Hochzeit an)...

Gefällt mir sehr!!

Kleine Anmerkungen:

Wenn's hochkommt

Dein Name war mir so geläufig wie der meiner Kinder, wohnte zwischen meinen Lippen. Deine Hand streckte sich nach mir aus. Deine groben Schuhe verrutschten in der Bahn, und als wir umsteigen mussten, bekamen deine und meine Kinder ein dickes Eis, mitten im Winter. Für dich hab ich Lieder geschrieben. Du warst meine Sonne


Ich kann das verrutschen vor mir sehen...wenn die Bahn fährt und es vibriert, dann bewegen sich die Füße bei lässiger Haltung über das PVC- oder Rippelboden - ist das gemeint? Wirkt gut auf mich, wie eine Eiblende/Handkamera...

Ich hab deine Tochter in den Schlaf gekuschelt, Süßigkeiten verboten und mich gesorgt um deinen Sohn.


ich wäre für:

Ich hab deine Tochter in den Schlaf gekuschelt, Süßigkeiten verboten, mich gesorgt um deinen Sohn.

Du hast meine Witze verstanden (oder jedenfalls so getan).
Dich durfte ich klebrig machen, dir konnte ich zickig und mir dabei auch noch toll vorkommen. Du hast der Kleinen die Mütze aufgesetzt und die Nase geputzt, dich mit der Großen gekabbelt.


Der zickig/toll vorkommen Satz ist noch etwas holprig, nicht auseinander reißen, die Kombi ist so toll, aber unbedingt noch übelregen, ob man es flüssiger hinkriegen soll /Verb austauschen @vorkommen.

Du hast mir Klischees aufgetischt, die verpackt waren in Cellophan, manche hab ich noch nicht mal erkannt, so knisterten sie.
Du hast mich mit deinem schweren Leib gedeckt, hast mir eine Liebe geschenkt, die leicht wog, hingetupft, sich doch spreizte, die so hastig blühte wie roter Mohn.


!! <---einfach nur stark, quälend schön. (allein die Kombi hingetupft/sich doch spreizte verstehe ich grammatisch/bezüglich nicht. "verstehen"= ich hake


Du gingst mir auf die Nerven mit all unserm Gerede. Doch ich habe genascht davon wie ein Kind. Du hast mit mir konkurriert, debattiert, rumjongliert. Notfalls hast du dich auf deinen Schwanz zurückgezogen.


Hinter die Linie.
Kamen wir beide nicht.


Ich wäre unbedingt (unbedingt!) für:

Hinter die Linie kamen wir beide nicht.
Denk dir richtigen Leser, mit der richtigen Betonung. Der Satz hat Kraft, du musst sie ihm nicht aufdrücken, er wirkt auf beide.

Ich fragte dich gern, was du nur an mir findest (und erhielt von dir gezuckerte Antworten): Ich habe dich damals schon geprellt, verschuldet. Die Hörner hast du dir selbst aufgesetzt, in aller Unschuld. Du warst der erste Mann, der mir die Heirat antrug, auf der Ostsee lag Schnee, doch es war schon vorbei. Dann bin ich gegangen.


Auf der ostsee? ein schönes bild, aber nicht möglich, auch nicht fiktiv im Bild für mich. Ich bliebe bei an...ok...Teile können gefrorenen sein, bei Ebbe, die kleinen Wasserteile, die zurückbleiben...hmmm...ich weiß nicht...

eher sagt man: was du bloß an mir findest (was fidnest du bloß an der/ an mir)
Doppelpunkt lassen?streichen, Zeiulenumbruch danach? da es sich für mich auf das davor bezieht, aber nicht nur

Insgesamt vielleicht der Teil:

Hinter die Linie kamen wir beide nicht.

Ich fragte dich gern, was du bloß an mir findest (und erhielt von dir gezuckerte Antworten).
Ich habe dich damals schon geprellt, verschuldet. Die Hörner hast du dir selbst aufgesetzt, in aller Unschuld. Du warst der erste Mann, der mir die Heirat antrug, an der Ostsee lag Schnee, doch es war schon vorbei. Da bin ich gegangen.



Du warst zu feige, mich fertig zu machen.
Du wolltest mein Freund sein. Und bleiben. Du warst mein Mond


Jetzt seh ich ihn zweimal im Jahr. Wenn’s hochkommt.


Ja.

Klara, der Text gefällt mir sehr! "Verkappt".

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Beitragvon Klara » 05.11.2006, 16:29

Hallo Lisa,
danke, das kommt jetzt gut! Freue mich sehr über dein Lob.
Dass du den Hochmut riechst, den ich meinen Protagonistinnen immer wieder gerne - heimlich wie hier oder ausgesprochen - unterstelle, freut mich auch.


Zitat:
Ich hab deine Tochter in den Schlaf gekuschelt, Süßigkeiten verboten und mich gesorgt um deinen Sohn.


ich wäre für:

Ich hab deine Tochter in den Schlaf gekuschelt, Süßigkeiten verboten, mich gesorgt um deinen Sohn.

Stimmt.

Zu den anderen Sachen später. Werde gerufen

LG
Klara

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noel
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Beitragvon noel » 05.11.2006, 18:01

mir gefällt der text
sehr
gerade wegen der poetischen sprache
& dem teils nüchternen & dann wieder klischeverhafteten idyll
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Max

Beitragvon Max » 05.11.2006, 18:24

Liebe Klara,

diesen Text mit einigen sehr genauen Bildern und Beobachtungen habe ich richtig gern gelesen (bis kurz vor Schluss war die einzige Stelle, an der ich "hing", ist die gleiche Stelle, die Nifl auch bemerkte, die mit den groben Schuhen - das war mir nicht ganz deutlich.

Was mich irritiert hat, war das Ende:

Du warst zu feige, mich fertig zu machen.
Du wolltest mein Freund sein. Und bleiben. Du warst mein Mond


Da wird die Geschichte, die ja immer intim ist, für meinen Geschmack zu persönlich - irgendwie fühle ich mich als Leser, der ja neugierig auf jedes intime Detail ist, perinlich berührt, wenn ich in Beschimpfungen zu geraten scheine. (Damit reagiere ich auf das "feige"). Aber vielleicht bin ich da auch nur zu empfindlich.

Liebe Grüße
max

Klara
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Beitragvon Klara » 05.11.2006, 19:20

Hallo zusammen,
habe versucht, auf die Schnelle eure Einwände, soweit sie mir gelegen kamen ;-), umzusetzen bei der Bearbeitung und als zweite Version unter die erste gestellt.

Lisa, das mit der Linie und dem Kommen hat beides Doppelbedeutung. Zieht sich auf seinen Schwanz zurück. Hinter die LInie. und manchmal sind eben beide nicht gekommen. Das ist grob, und soll es sein.

Genauso das feige am Ende, Max. Das muss so grob intim sein, heute abend jedenfalls noch. Ich muss da noch mal in Ruhe drüber und schaffe es heute nicht so schnell.

Danke auch dir Noel für dein "sehr".

LG
Klara

cali

Beitragvon cali » 06.12.2006, 01:41

Hallo Klara!

für mich ist das Gelesene weit mehr als eine „Schreibübung“: herrlich verdichtet; ich vernehme seinen ganz eigenen Atem---- tief, mal schwer, mal lustvoll, und ein kurz davor sich auf die Zunge beißen ----„wenn’s hochkommt“ ist ein kurzer Text und doch nicht, weil er so prall, so lebendig ist.... er hat einen weiten Weg---- zwischen Sonne und Mond--- zurückgelegt.

Sehr gerne gelesen.
Charlotta


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