Wasser

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
moana

Beitragvon moana » 22.03.2006, 14:31

Die Welt glich einem Aquarell. Wasser war es, das den heutigen Tag bestimmen würde. Regenwasser, Badewasser, Kochwasser und Tränenwasser. Zunächst schien alles wie immer. Ich wachte auf und blinzelte verschlafen gen Fenster. Zuerst dachte ich, es wäre noch nicht an der Zeit, den Tag zu beginnen, doch es war wohl nur einer jener dunkler Morgen, die man am liebsten im Bett verbrachte. Es war dunkel und trist. Die Wolken gossen schweren Regen auf uns herab, als sei es das einzige, was sie jemals getan hatten. Gerade, als ich beschlossen hatte, mich wieder umzudrehen, um einfach den Tag schlafend zu überspringen, klingelte jedoch das Telefon. Seufzend stand ich auf und tappte in die Küche. Halb gähnend nahm ich ab, doch es war schon zu spät. „Tuut, tuut, tuut“ war die einzige Antwort, die ich bekam. Leicht verärgert knallte ich den Hörer wieder auf die Gabel. Erst mal ein Bad nehmen, beschloss ich. Hat heute eh keinen Zweck, nach draußen zu gehen. Man würde sich ohnehin nur einen Schnupfen holen, überzeugte ich mich selbst. In Wirklichkeit gab es einen anderen Grund für meine selbst gewählte Isolation. Doch an diesem Grund wollte ich nicht denken. Ich schüttelte den Kopf, wie um die bösen Gedanken zu vertreiben, und ließ das Badewasser ein. Solange das warme Wasser in die Wanne plätscherte, bereitete ich ein kleines Frühstück vor. Normalerweise frühstückte ich nicht, aber heute war sowieso alles anders, also konnte ich auch frühstücken. Auch das war wieder nur ein Vorwand. Ich hatte nur nichts anderes zu tun. Das, was ich ansonsten immer tat, konnte ich nun nicht mehr tun. Doch auch daran wollte ich keinen Gedanken verschwenden. Ich entschied mich zu einem Frühstücksei. Während ich das Wasser aufsetzte, warf ich einen Blick in die Zeitung von gestern. Ich hatte sie gestern hoch geholt und sofort in die Ecke des Tisches gepfeffert. Weil ich fand, dass die Zeitung da gut aufgehoben war. Nein, auch das war nicht der wahre Grund für mein Verhalten. Der Platz kam mir einfach zu leer vor und die Zeitung bedeckte ihn zumindest ein bisschen. Aber nein, ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich warf einen raschen Blick ins Bad, doch das Wasser brauchte wohl noch eine Weile. Das Ei war mittlerweile fertig und ich setzte mich an den Tisch. Es schmeckte fad. Ich rief mir in Erinnerung, dass man Eier mit Salz aß, für Gewöhnlich. Doch was war heute schon gewöhnlich? Wieder seufzte ich und holte das Salzfässchen aus dem Schrank. Es war fast leer, obwohl ich es nur selten benutzte. Da war bestimmt ein Loch drin. Gut, es war kein Loch. Es war jemand anderes, der es öfter benutzt hatte. Ich schüttelte jedoch auch diesen Gedanken ab. Schnell und lustlos verschlang ich das Ei. Dann zog ich mich aus, mitten in der Küche. Das dünne Nachthemd lag auf dem Boden und versuchte, mich zu erregen. Es lag da, als habe es schon häufiger auf dem Boden gelegen. Ja, das hatte es auch. Mitten auf dem Fußboden. In der Küche, im Wohnzimmer, im Schlafzimmer. Ich verdrängte den Gedanken und stieg in das gut riechende Wasser. Ich spürte, wie es mich erfüllte. Von außen wärmte. Von innen beruhigte. Es tat gut, doch es war unbequem. Das lag garantiert an der Seife. Ich schnaubte und verdrehte die Augen. Ich wusste genau, warum es unbequem war. Doch auch diesen Gedanken schob ich weit von mir. Nach einer viertel Stunde stieg ich wieder aus der Badewanne. Ich beschloss, mich wieder ins Bett zu legen. Ich kuschelte mich in die Kissen und sog den Geruch von Nacht und Schlaf ein. Ich stutzte jedoch, denn es war ein anderer Geruch als den, den ich sonst einsog. Das muss das Waschmittel sein, log ich mich ganz offen und feindselig an. Doch diesmal ließen sich die Gedanken nicht mehr zurückhalten. Langsam rollten die Tränen über mein heißes Gesicht. Dann immer heftiger und mehr. Ich schluchzte und weinte und jammerte und heulte. Irgendwann döste ich dann ein. Im Hinterkopf rief ich noch eine Information ab, die ich beim Blick in die Zeitung erworben hatte: Und auch für die nächsten Tage ist Dauerregen angesagt.

hwg

Beitragvon hwg » 22.03.2006, 15:52

Grüße Dich Moana!

Wenn Du schon im ersten Satz Deiner Geschichte das Kommende vorweg nimmst, stirbt die Neugierde am Text. Zudem "streiten" sich Mit- und Vorvergangenheit hin und wieder mit der Gegenwart. Auch sind mir viel zu viel "erklärende" Sätze eingebaut. Die Grundidee finde ich gut, würde den Text jedoch überarbeiten. Dabei hilft stets mehrmaliges lautes Lesen.

Will kein Besserwisser sein, lediglich mit einem Vorschlag dienen.
Auf Wiederlesen!

moana

Beitragvon moana » 22.03.2006, 16:19

Hallo hwg!

Ich danke dir vielmals für deine Einschätzung. Ich dachte eigentlich, dass ich es mal umgekehrt probiere und durch die knappe "Zusammenfassung" am Anfang eher Neugierde wecke. Dass die Leute, die sehen: Aha, es geht um Weinen und Kochen etc. selbst entscheiden können, ob sie weiterlesen wollen oder nicht. Und nicht erst erwartungsvoll sind und am Ende enttäuscht werden könnten. So in die Richtung. Also, ich habe das alles schon so bewusst gemacht. Mit den Erklärungen und Zeiten, hm...Ich werds mir nochmal ansehen, versprochen ;-)!!

grüßerl moana[/list]

moana

Beitragvon moana » 22.03.2006, 21:12

'N Abend hwg!

Hab mir den Text jetzt noch ein paar Mal durchgelesen, weiß aber nicht genau, was du meinst mit der Zeitenfolge...Meiner Meinung nach stimmt alles. Die Vorvergangenheit ist ja absichtlich, die muss an manchen Stellen sein. Also, vielleicht kannst du mir genauer sagen, welche Stellen dir unstimmig erscheinen!

grüßerl moana

hwg

Beitragvon hwg » 23.03.2006, 07:12

Hallo am frühen Morgen!

Meine "Kritik" an der Zeitenfolge ziehe ich zurück. Sprachlich (technisch) sind die Sätze ja okay. Wahrscheinlich habe ich beim ersten (zu hastigen) Lesen einen falschen Eindruck gewonnen. Kann ja passieren. "Die Welt glich einem Aquarell" ist ein gelungener Anfang. Ob der folgende Satz ("Wasser w a r es, das den heutigen Tag bestimmen würde.") nicht doch veränderungswürdig wäre? Ich will aber nicht pingelig sein...

§blumen§ Gruß aus der Steiermark!

moana

Beitragvon moana » 23.03.2006, 12:52

Hey,

is doch kein Problem. Jeder Kommentar ist wertvoll und ich kann ja nicht von jedem erwarten, dass er den Text in aller Ruhe liest. Er muss auch auf Anhieb verständlich sein. Das mit dem ersten Satz überlege ich mir nochmal, vielleicht hast du recht :-s ! Danke dir für die Beschäftigung!

§blumen§ grüßerl aus Heidelberg


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