Im Auftrag des Ministeriums für Beauty und Bodyshape

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
ursula.stoehr

Beitragvon ursula.stoehr » 30.03.2006, 21:31

Ihre Hand zitterte beim Unterzeichnen der Empfangsbestätigung. Mit einem mitleidigen Lächeln händigte ihr der Briefträger das amtliche Schreiben aus. Sie war mit Sicherheit nicht die einzige, der er heute die Aufforderung zustellte.
Laut der neuen Verordnung des Bundesministerium für Beauty and Bodyshape
§ 6 Abs 6 hatten sich alle weiblichen Staatsbürger ab dem 18. Lebensjahr in regelmäßigen Abständen zur Vorsorgeuntersuchung im staatlichen Beautycenter, einem futuristischen Glaspalast, in der Monroe-Allee einzufinden.
Diese Verordnung trat mit Jahresbeginn in Kraft.

Vor wenigen Tagen hatte sie ihren 18. Geburtstag gefeiert. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Das Gesetz hatte für Unmut unter der Bevölkerung gesorgt. Hier sollte mit behördlicher Macht ein neuer Frauentyp geschaffen werden, der jede Art von Individualität ausschließt.
Sie hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, die Köstlichkeiten für das abendliche Buffet vorzubereiten.
Die neuen Kräutersäfte der Firma „Schlank und Rank“ waren im Geschmack tatsächlich so gut, wie die Werbung versprach. Der giftgrüne Schönkraut-Cocktail, eine neue Kreation aus verschiedenen Gartenkräutern (dessen Rezeptur natürlich streng geheimgehalten wird), war das beliebteste Getränk des Abends. In einem Tumbler mit Eiswürfeln serviert und mit einer Zitronenspalte garniert, schmeckte er vorzüglich. Wenn man, wie sie, noch eine Stange Staudensellerie dazu knabberte, konnte man sicher sein, dass die Verdauung auf das angenehmste angeregt wurde. Dafür durfte man dann auch bei den Fitnessbrötchen und den Schlankmacherleibchen von „Fit & Slim“ zweimal zugreifen. Versicherte doch der Hersteller, dass auch bei dem Genuss „von einem zuviel“ die Waage keine Gewichtszunahme anzeigte.
Seit das Gesetz zur „Wahrung der weiblichen Schönheit“ erlassen wurde, boomten neue Märkte für Diätprodukte. Das Angebot war gigantisch.

Mit einem Glas ihres Liebslingsgetränks in der Hand prostete sie lächelnd ihrer Gästeschar zu. Dabei entging ihr nicht Tanjas fragender Blick. (Dabei bemerkte sie Tanjas fragenden Blick)
Tanja hatte vor einigen Wochen ihren 18. Geburtstag gefeiert. Sie hatte den Brief bestimmt auch schon bekommen. Das Ministerium arbeitet schnell und gründlich.
Nachdem die letzten Töne von „Happy Birthday“ verklungen waren, machte sie sich erwartungsfroh an das Auspacken der Geschenke, die mit leuchtenden Bändern verziert, auf dem Gabentisch lagen.
Auf einer mit rosa Glanzpapier umhüllten Schachtel saß eine Barbiepuppe. Das Seidenband umspielte ihre Gazellenbeine. Ihr langes blondes Haar fiel ihr sanft über die Schulter.
Auch sie war ein Ebenbild von Barbie. Sie sah hinreißend aus in ihrem schwarzen Hängerchen, mit den Spaghettiträgern. Sie trug Größe 34. Aus einem ebenmäßigen, solariumgebräunten Gesicht strahlten zwei große graublaue Augen.
Ihr schimmerndes goldblondes Haar hielt eine Spange kunstvoll hochgesteckt. Ein paar vorwitzig losgelöste Strähnchen umspielten ihren Nacken . Ihre langen schlanken Beine stecken in hochhackigen schwarzen Riemchensandaletten, mit Strasssteinchen, die ihre schmalen Fesseln vorteilhaft betonten. Ihre feingliedrigen Hände mit den langen perfekt aufgesetzten Kunstnägeln öffneten Paket um Paket.

Die Kollegen und Kolleginnen aus dem staatlichen Planungsbüro, indem sie ihre Ausbildung zur technischen Zeichnerin machte, überraschten sie mit einem Jahresabo des Fitnesscenters „Trimm dich“.
„Trimm dich“ war das In-Studio, ein Treffpunkt aller Kämpferinnen gegen Problemzonen und sie wusste, dass sie von nun an die Arbeit am Körper zur persönlichen Leistung machen musste. Ein gestylter Körper war Grundvoraussetzung, um dem neuen Frauenbild gerecht zu werden.

Von Oma und Tante bekam sie einen Bildband mit faszinierenden schwarz-weiß Aufnahmen. „Die Schönheitsideale der vergangenen Jahrzehnte“. Eine Retrospektive über den Mythos der weiblichen Schönheit. Im Vorwort stand: „Schönheit hat viele Gesichter ...“ Ein beeindruckendes Buch.
Schönheit schien zu allen Zeiten ein wichtiges Thema für Frauen.
Fragte nicht auch die Königin in ihrem Märchenbuch“ Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Als Kind bangte sie um Schneewittchens Leben, das für seine Schönheit sterben sollte. Jetzt wurde ihr bang bei dem Gedanken, was sie in der Monroe Allee erwarten würde.

Ein fliederfarbenes Kuvert, verziert mit einer Pfauenfede, enthielt einen Gutschein für eine Gesichts- und Ganzkörperbehandlung im renommierten Studio „ Face and Body“. Damit du dir deine Jugendlichkeit lange bewahren mögest – in Liebe Mama und Papa –

Etwas abseits lag ein zweites Kuvert – schlicht weiß – Deine Freundin Tanja – stand auf der Rückseite.
Wieder glitt ihr Blick zu Tanja, die ein halbvolles Glas in der Hand, erwartungs-voll zu ihr blickte. Irritiert öffnete sie den Briefumschlag und entnahm ihm vier handgeschriebene Seiten. Ein roter Luftballon fiel heraus und glitt zu Boden. Sie bückte sich, hob ihn auf und blickte wieder zu Tanja. Tanja war verschwunden.

„Die Luft ist draußen...“ begann der Brief. Als der letzte Gast gegangen war, saß sie mit angezogenen Beinen auf ihrer schwarzen Ledercouch und las gebannt Tanjas Brief.
Ihre detaillierte Schilderung über die Vorladung in die Monroe-Allee ließen sie erschaudern. Schönheit wird reduziert auf extremes Untergewicht, glatte Haut, makellosen Teint. Schönsein hieß schlank und fit sein. Ein durch und durch gestylter Körper wurde zum Schönheitsideal und war Symbol für Leistung und sorgte für Anerkennung. Die Prozedur der Befragung nach Ess- und Lebens-gewohnheiten, die genauen Aufzeichnungen von Gewicht und die Hochrechnung der möglichen Entwicklungsphasen jagten ihr Angst ein. Die ideale Frau lt. § 6 Absatz 6 hatte nichts mehr mit den Schönheitsidealen auf den Glanzfotos in ihrem Buch zu tun.
„Forever young“ war die Devise.
Ihr Leben würde fortan von Nährstoff-Cocktails, Hormontabletten und Fitnessstress bestimmt sein. Sie durfte alt werden, aber nicht alt aussehen.

Fettabsaugen, Botoxspritzen, Brustvergrößerungen oder Verkleinerungen, Liftings und andere qualvolle Prozeduren kannte sie nur aus Schönheitsmagazinen. Der Gedanke , dass nun per Gesetz diese Eingriffe all jenen jungen Frauen aufgezwungen wurden, die nicht dem Schönheitsideal des neuen Paragraphen entsprachen, erfüllte sie mit Schaudern.
Fröstelnd wickelte sie sich in ihre Wolldecke.
Wieder fiel ihr das Märchen vom Schneewittchen ein und sie bekam Angst.
Sie wollte vom Mädchen zur Frau werden, nicht zu einem Kunstprodukt.

Sie ließ den Brief langsam in ihren Schoß gleiten. Tanja hatte Recht, als sie schrieb, „da mache ich nicht mit! Ich lasse es nicht zu, dass mein Leben keine Spuren hinterlassen darf. Ich will in Würde altern dürfen, wie Deine Großmutter!“
Wehret den Anfängen! Waren das nicht auch Omas Worte, als das Gesetz mit Jahresbeginn in Kraft trat.

In Gedanken versunken wickelte sie den roten Luftballon um ihren linken Zeigefinger, dann zog sie ihn mit beiden Händen ein paar Mal straff auseinander. und blies ihn auf .
Der fussballgroße Ballon zeigte eine Frau mit prallen Brüsten, üppigen Schenkeln und wohlgerundetem Hinterteil.
Sie hatte Tanjas Botschaft verstanden!

Ihre Angst wich unbändiger Wut!
Sie war wild entschlossen sich auch gegen den Paragraphen 6 zu wehren.
Sie wusste, dass der Würstelstand ganz in ihrer Nähe noch offen hatte .....
Sie wusste, dass das erst der Anfang war ....

ursula.stoehr

Beitragvon ursula.stoehr » 05.04.2006, 22:20

Lieber Frank

Das mit der Friedenspfeife ist lieb gemeint - aber du brauchst das nicht - ich bin dir nicht böse!!!

Weißt du ich hab das nur nicht so bedacht.
Aber du hast völlig Recht, ihr setzt euch mit meinem Texten auseinander und erwartet zurecht, dass auch von mir ein Feedback kommt.
Wie du siehst ist es jetzt nach 22 Uhr und ich bin gerade mit dem Korrigieren einer umfangreichen Rechnungswesenschularbeit fertig.
Weißt du wir haben 10 Wochenlehrgänge. Das bedeutet 4x im Jahr neue Schüler. Ich unterrichte Rechnungswesen, Wirtschaftskunde, Politische Bildung, Deutsch und Englisch. Ich habe im Schnitt pro Lehrgang 4 Klassen von der 1. bis zur 4. - und die Jungs, alles Auszubildende in handwerklichen Berufen fordern totalen Einsatz.

Aber nun zurück zum Schreiben.
Ich werde es so machen, dass ich mich am Wochenende einklinke und mir ein oder zwei Texte aussuche und mich dann mit dem Geschriebenen auseinandersetze.

Du siehst, es lag mir fern, euch auszunutzen.

Also spätabendliche Grüße
aus Bregenz
Ursula

Schau einmal auf die Seite des Literaturcafes http://www.li-li.at

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Beitragvon Lisa » 10.04.2006, 10:33

Hallo ursula,
hast du denn schon etwas Zeit gehabt, dich mit dem text auseinanderzusetzen? Wäre gespannt! :grin:

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 10.04.2006, 15:55

Hallo Urusla,

wenn es da eine Stichtagregelung gibt, solltest du sie unbedingt ganz genau erklären; sie ist ja für die Personen in deiner Geschichte u. U. entscheidend. Überhaupt hat man bei Zukunftsgeschichten immer das Problem als Leser, sich in die mehr oder weniger schöne neue Welt einzufinden. Auch die Sache mit der Widerstandsbewegung - gerade hier wird es ja spannend - müsste da viel mehr Raum bekommen.

Liebe Grüße
Marlene


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