Von der Diskretion des Glücks

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Klara
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Beitragvon Klara » 06.09.2007, 00:58

Von der Diskretion des Glücks

Ob sie will oder nicht – der Debatte kann sich keine entziehen. Kind oder nicht Kind – das ist hier die Gretchenfrage. Natürlich geht es dabei um Glück, lebenslänglich, und die Fronten – wir kennen sie alle – haben sich zwar verschoben, sind aber klar abgesteckt: Die "Nur-Hausfrau", die bis vor kurzem genug damit zu tun hatte, sich gegen die "erwerbstätige und/oder allein erziehende Mutter" abzugrenzen, steht nun unversehens gemeinsam im Kampf gegen die "Karrierefrau ohne Kind". Diese wiederum integriert widerwillig auch die "ungewollt Kinderlose" in ihre Reihen, denn in diesem Kampf zählen ausschließlich Tatsachen – die Kinder. Und jede ergreift Partei.

Von höchster staatlicher Stelle wird die Debatte immer wieder ganz oben auf die Agenda gesetzt, als gelte es, mit aller Macht einen Kinderwunsch in der Bevölkerung zu erzwingen. Die Diskussion läuft heiß, weil die "gebärfähigen Frauen" es ja so oder so falsch machen. Jedes Ja meint auch ein Nein, und jede Entscheidung wiegt gleich schwer: Wer ein Kind hat, hat "nur" eins (und verzieht es zwangsläufig). Wer zwei Kinder hat, ist langweilig. Wer mehr hat, liegt den anderen auf der Tasche und lässt seine Kinder – ohgottogott! – "fremdbetreuen", um sie überhaupt ernähren zu können. Aber am falschesten machen es laut offizieller Meinung diejenigen, die sich bewusst gegen eigene Kinder entscheiden und von sich selbst – halb ironisch – als "Karrierefrauen" sprechen. Klar, dass die jetzt am lautesten schreien.

"Mein Bauch gehört mir" war gestern. Heute heißt es: "Mein Leben gehört mir, und zwar mir ganz allein". Mühsam genug über mehrere Generationen hinweg errungen scheint es nur recht und billig, den Besitzanspruch auf dieses eigene Leben bis aufs Messer zu verteidigen. Denn aus der Perspektive von dessen Besitzerinnen wurde es ja nicht geschenkt, sondern (quasi mutterlos) erworben. Wer sich unter dieser Prämisse zusätzlich ein neues anschafft, erscheint reichlich dumm: Dann ist nämlich erstmal für eine lange Weile nix mehr mit allein, und bestimmt nicht mehr viel mit "selbstbestimmt".

Ein wenig befremdet dennoch die Aggressivität der Nicht-Mütter. Als hätten sie sich auf die Fahnen geschrieben, ein Tabu zu brechen, das es gar nicht mehr gibt. Wie unter "Outing"-Zwang schreiben kinderlose Meinungsmacherinnen ihre Plädoyers, werben um die Legitimation ihres Lebens, und man fragt sich: wem gegenüber eigentlich? Spitzen sie ihre Federn am Ende für sich selbst? Besonders beliebt ist der ironisch-witzige Gestus, als sei es geistreich zu beschreiben, wie grässlich Kinder seien. Wie albern und unfähig deren Mütter. Wie unsexy deren Väter. Und wie schön dagegen – dagegen! – das freie Leben ohne stinkende Windeln, ohne vollgesabberte Blazer, geplatzte Abend-Termine und durchgekotzte Nächte. Als hätte schon immer mal gesagt werden müssen, wie sehr das Kinderhaben überschätzt wird. Wie sehr Kinder als solche überschätzt werden. Beispiele des Furchtbaren (verblödete Eltern, ungezogene Kinder etc.) bieten willkommene Anlässe für abwehrende Anekdoten.

Die Mütter ihrerseits rufen nicht gar so laut in der Wüste, weil sie das gar nicht nötig haben. Ausnahmsweise stehen ja nicht sie am Pranger, die sonst regelmäßig nicht nur ihr eigenes Verhalten gegen die widersprüchlichsten Anwürfe verteidigen müssen – "Rabenmutter", "Überbehüterin" u. a. – sondern auch gleich das ihrer Kinder – "zu wenig selbstbewusst", "laut-dreckig-unhöflich", "unbegabt" – je nachdem. Aber hier, beim Reden um Sein oder Nicht-Sein (des Kindes) könnten sie sich eigentlich entspannt zurücklehnen – wenn sie es denn könnten.
Jedes neugeborenes Kind potenziert den Binnenlärm, und die Notwendigkeit, die Nerven zu Drahtseilen zu frisieren, dehnt die eigene Flexibilität auf ein Maß aus, das vorher unvorstellbar schien. Nur das Glück bleibt diskret. Von ihm ist kaum die Rede, weil es nicht erklärbar ist. Bestimmte Sachen weiß man nur, indem man sie erfährt, und wer sich dieses Glückes absichtlich beraubt – sei es aus Feigheit, Vorsicht, Vernunft, oder mangels Zuversicht – der tut dies tatsächlich aus einem Verlust heraus, der unerfahren bleibt. Es gilt nicht nur, dass man erst weiß, was man hatte, wenn man es nicht mehr hat. Man weiß auch erst, was man nicht hatte, wenn man es hat. Soll heißen: Eltern wissen nicht nur, was sie hatten, als sie noch nichts versäumten – sie wissen auch erst mit einem Kind, was sie versäumten, als sie noch keines hatten.

Man spricht darüber, welche Zahl an Kinderkrippenplätzen politisch korrekt wäre, und manchmal auch darüber, wie sehr ein neues Leben das alte aus der Bahn wirft. Aber kaum eine erzählt ohne rot zu werden davon, wie sehr sie zum Beispiel – nunja – wachsen kann an einem Kind und mit einem Kind. Niemand erzählt vom Lachen. Das Glück mit Kindern ist so individuell, veränderlich und zugleich so schwer in Worte zu fassen, dass es schweigt. Zu groß ist die Angst vor Plattitüden, oder vor Pathos.

Ich wage jetzt trotzdem das "ich", denn ich verrate jetzt ein Geheimnis: Manchmal beneide ich die kinderlosen Frauen – vor allem um das, was sie nicht wissen, denn der Preis ist hoch. Es ist tatsächlich teuer, Kinder zu haben. Es ist schwierig, oft genug lästig, und der Geruch oben auf dem Scheitel, wie ihn nur Säuglinge haben, ist keine Entschädigung. Weil es keinen Schaden gibt. Es gibt nur diesen Geruch auf dem Babykopf, auf der Haut unterm Flaum, ein Duft direkt aus dem Paradies, sinnlich und rein, nach dem absoluten Zuhause, vertraut und süß, als hätte man das vor Menschengedenken gerochen und erinnerte sich wieder daran. Und ich verrate noch ein Geheimnis: So riecht Glück.

Es gibt tausend Gründe, kein Kind in die Welt zu setzen, und keine macht ein Kind, weil sie sich um die Rentensicherheit des Landes sorgt. Ein Kind zu bekommen, kann man nicht begründen. Es hat zwar soziale Konsequenzen, ist aber immer ein egoistischer Entschluss, im Grunde genetisch: Man pflanzt sich fort. Männer machen übrigens (man höre und staune!) nicht so viel Aufhebens um ihre Vaterschaft. Wenn Männer sich zum Thema "Kind" äußern, wird es schnell (obacht!) persönlich, anekdotenhaft, oder rührend – und nur selten prinzipiell. Prinzipiell werden nur gern jene Männer, die sich der Vaterschaft verweigern – weil sie keusche katholische Würdenträger sind, oder indem sie auf die böse Welt verweisen, in die sie keine Kinder setzen möchten, und zeigen auf die weltweite Bevölkerungsexplosion … Wundert mich ohnehin, dass die Frauen, die meinen, sich für ihre Kinderlosigkeit öffentlich verteidigen zu müssen, dieses Totschlag-Argument nicht anführen. Denn ist es nicht eigentlich egal, ob Mitteleuropa ausstirbt oder nicht? Weltweit betrachtet? Die globale Öko-Bilanz der Nicht-Eltern ist doch die denkbar beste! Think global – act local!Aber solcherlei Logik ist für Frauen schon biologisch undenkbar. Beim Thema Kind-oder-nicht-Kind stellt sich eine jede sofort en garde, als ginge es um ihr Leben.

Und das tut es ja auch.

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 07.09.2007, 17:57

Hallo Klara,

zuerst, Ordnung muß sein:
Klara hat geschrieben:Hallo Sala,
Hallo Sethe, .... gefällt mir besser ;-)

Klara:
Ich finde schon, dass die Gesellschaft einen "Anspruch" auf die Frage und die Diskussion hat. Es geht nicht nur die Frau an, ob sie ein Kind bekommt.


Nein. So wie die Diskussion derzeit läuft, nein. Fragen ist durchaus erlaubt, aber auf Fragen, die eine schon gleich die Antwort mitbeinhalten, kann ich nur antworten: Fragen darf man alles, aber erwarte nicht, daß ich auf solche Fragen antworte.

Es geht nicht darum, ob eine Gesellschaft Kinder braucht oder nicht. Sicher brauchen wir Kinder.
Aber, ich setze keine Kinder in die Welt um einer Pflicht an der Gesellschaft nachzukommen, oder noch schlimmer, dem eigenen Leben einen (vermeindlichen) Sinn zu geben.
Dazu sind Kinder nicht da.
Als ob eine Frau sich für Kinder entscheidet, wenn man ihr mit der Pflicht an der Gesellschaft kommt.
Ganz furchbar finde ich auch noch die sehr weitverbreitet Einstellung, eine Frau habe gefälligst Mutterinstinkte zu entwickeln, und Kinder zu bekommen. Diese liege schließlich in der "Natur" der Frau.

Rahmenbedingungen (wirtschaftliche, finanzielle) zu schaffen ist das eine.
Aber noch wichtiger sind die Einstellungen in den Köpfen der Menschen.
Solange in diesem unserem Lande die Frau noch vornehmlich in der Rolle als Mutter gesehen wird, und jede Frau, die davon als Frau mit Kindern und Frau ohne Kinder abweicht, in eine rechtfertigende Situation gebracht wird, und mal von dieser, mal von jener Seite angegriffen wird, werden wir nicht mehr Kinder haben.

viele Grüße
Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

Sam

Beitragvon Sam » 07.09.2007, 18:38

Hallo Klara,

sehr gut geschriebener und zum Nachdenken anregender Essay. Mit der gleichen Direktheit, die ich auch an deinen Kommentaren so schätze. Eine Direktheit, die überzeugen will, aber nicht besserwisserisch daherkommt, die mit der Kontroverse auch immer den Konsens sucht.

Zum Inhalt kann ich nur sagen, dass bei dieser Thematik eine immer größere werdende Gruppe von Menschen völlig übersehen wird. Nämlich jene, die keine Kinder bekommen können. Die Gesundheitsreform hat es mit sich gebracht, dass medizinische Alternativen immer unerschwinglicher werden. Ganz zu schweigen vom Behördenmarathon, der diejenigen erwartet, die ein Kind adoptieren wollen.
Wagt man einen Blick ins Deutschland des Jahres 2030, dann sieht man dort eine Menge alter Menschen, die sich in zwei Klassen spalten. Diejenigen, die vorgesorgt haben und jene, die versorgt werden müssen. Und von zweiteren werden es die Kinderlosen besonders schwer haben. Nach dem Warum wird keiner mehr fragen. Genauso, wie heute viele Menschen Arbeitslosigkeit als mehr oder weniger selbstverschuldet ansehen, wird es im Laufe der nächsten Jahre mit der Kinderlosigkeit passieren. Sie wird zum sozialen Stigma werden. Leiden werden darunter vor allem die finanziel schwächer gestellten leiden, und das werden zum großen Teil nicht diejenigen sein, die gewollt auf Kinder verzichtet haben.
Die Frage Kinder Ja oder Nein ist in unserer Gesellschaft nicht mehr nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens. Diskutiert wird es aber, als ginge es nur um ein Lifestyleproblem.

Sorry, vielleicht geht das jetzt weit an den Intentionen deines Textes vorbei. Aber jedes Mal, wenn dieses Thena diskutiert wird, sei es im Internet oder im Fernsehen, frage ich mich, warum dieser Aspekt immer völlig ausgeklammert wird.

Herzliche Grüße

Sam

Klara
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Beitragvon Klara » 07.09.2007, 19:13

Hallo Sethe,
bitte verzeih mir. Es ist unverzeihlich, ich weiß - aber bitte entschuldige meinen Fehler doch trotzdem, ja? Gibt es Namens-Legastheniker? Wenn ja: Hier ist eine davon ...
Ich hoffe, dass ich keine derjenigen Tendenzen gezeigt habe - in Text oder Kommentaren - , die du zurecht bemängelst. Es ist eine große Freiheit, dass Frauen keine Kinder mehr kriegen MÜSSEN - eine Freiheit für die Frauen, für die Welt und für die nichtgewollten (und nurmehr nicht zwingend geborenen) Kinder. Wenn Kinder gewünscht sind, ist es ein großes Glück. Wenn Kinder erzwungen werden, kann das furchtbar sein.

Hallo Sam,
sehr gut geschriebener und zum Nachdenken anregender Essay. Mit der gleichen Direktheit, die ich auch an deinen Kommentaren so schätze. Eine Direktheit, die überzeugen will, aber nicht besserwisserisch daherkommt, die mit der Kontroverse auch immer den Konsens sucht.

Du schmeichelst mir, oder? Aber es fühlt sich gut an ,-)

Du hast Recht, den Aspekt der ungewollten Kinderlosigkeit streife ich nur. Ich glaube, damit ist eine große Trauer verbunden, sicherlich auch beim Nicht-Vater, aber vor allem (verzeih mir) bei der Mutter, die keine werden darf. Ich stelle es mir ganz grausam vor, und es war eine meiner größten Ängste, bevor ich zum ersten Mal schwanger wurde, dass ich unfruchtbar sein könnte. (Ich bin so ein Typ: hab Angst vor allem und jedem, wenn ich "Krebs" lese, hab ich Angst, dass ich Krebs habe... :eek: ) Völlig unbegründet, denn ich musste nicht warten.

Die Frage Kinder Ja oder Nein ist in unserer Gesellschaft nicht mehr nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens. Diskutiert wird es aber, als ginge es nur um ein Lifestyleproblem.

Ja, leider. Und so werden die Kinder auch teilweise in der Welt herumgetragen, als wären sie Show-Objekte und Mini-Models. Die Stars machen es uns vor. Show-Objekte des eigenen Könnens, Models des eigenen Lebens. Projekte. Grässlich auch dies. Stimme zu.

Die ungewollte Kinderlosigkeit war kein Thema im Text, weil ich mich nicht berufen fühle. Ich kenne zwar Leute, die ungewollt kinderlos sind (und ein paar verschiedene Arten, damit mehr oder weniger gut umzugehen, zum Beispiel einen Hund anzuschaffen, andere haben nach Jahren des Versuchens eine Adoption errungen), oder auch jene, die ungewollt ein Einzelkind haben, weil das zweite sich einfach nicht einstellen will. Aber ich habe zuwenig Ahnung davon, wie es ist. Darüber spricht man ja nicht unbedingt beim Bäcker...

Groteskerweise müssen sich jene, die keine Kinder bekommen können, verteidigen, obwohl sie die ersten sind, die dem Schicksal zürnen.

Die absolute Planbarkeit bzw. Kontrolle bzw. Sicherheit (im Leben) ist eine Illusion. Verhütungsmittel und Abtreibungsmittel vergrößern diese Illusion ebenso wie pränatale Diagnostik und künstliche Befruchtungsmöglichkeiten. Letztlich lebt das Leben weiter, es sucht sich seine Wege. Ich habe großes Mitgefühl für Leute, die keine Kinder bekommen können. Ich glaube, wenn es mich getroffen hätte und bei mir keine Defekte feststellbar gewesen wären, hätte ich es mit einem anderen Mann probiert, am besten im Einverständnis mit dem geliebten Mann. Das klingt jetzt wirr, oder? Ist es abe rnicht. Ich will damit nur sagen, wie wichtig mir das war, Kinder zu bekommen - und wie ich deshalb vielleicht doch ein klein wenig mir die Trauer vorstellen kann, wenn keine kommen. Zum Teil hängt es auch mit dem Alter zusammen, in dem man die Entscheidung fällt, weil die Fruchtbarkeit abnimmt. Wir wollen alle zu viel. Wir lassen alle zu wenig. Zu.

Lieber Gruß
Klara

Rala

Beitragvon Rala » 10.09.2007, 21:53

Hallo Klara!

Vielen Dank für diesen sher gut geschriebenen Text und die Diskussion, die du damit angetsoßen hast. Das alles nervt mich schon seit langem, vor allem, wenn ich mir die Tonnen von idiotischen Büchern ansehe, die zu diesem Thema gedruckt werden.
Ich kann Dir in vielem zustimmen, doch nicht in allem.

Vor allem in einem Punkt muss ich Sethe Recht geben: die Art, wie dieses Thema in letzter Zeit öffentlich behandelt wird, finde ich inakzeptabel. Dadurch, dass jede Frau, die sich noch nicht entschieden hat, von allen Seiten mit derart aufgeladenen Argumenten bombardiert wird, entsteht ein so hoher Druck, dass ich denke, dass es für die meisten schwer bis unmöglich ist, sich davon so weit frei zumachen, die für sie, und nur für sie allein richtige Entscheidung zu treffen. Ein Kind aufziehen, das macht man nicht mal eben so, und ich halte es für fatal für eine Gesellschaft, wenn viele Frauen Kinder in die Welt setzen nur, weil sie das Gefühl haben, sie müssten, und die dann irgendwann vor ihrer Aufgabe als Mutter kapitulieren. Was wird nämlich dann aus den Kindern? Wenn also eine Frau eine Entscheidung treffen soll, deren Folgen sie vor der Gesellschaft verantworten kann, dann muss, finde ich, die Diskussion - zumindest in dieser aufgebauschten Form, wie sie jetzt stattfindet - aufhören, damit die Betreffenden ihren Kopf wieder so weit frei kriegen können, um rauszufinden, was sie selber wollen. Zudem finde ich das ganze Theater um das Thema auch kontraproduktiv, weil ich mir vorstellen kann, dass die Verunsicherung viele Frauen dazu bringt, erst einmal abzuwarten - bis es dann möglicherweise zu spät ist.

Diese ganze Idiotie bezieht sich ja im Übrigen nicht nur auf die Frage "Mutter oder Nichtmutter", "berufstätige Mutter oder Nur-Hausfrau" u. Ä., sondern im Grunde auf das ganze Leben als Frau. Irgendwie gibt es da für jeden Lebensbereich Ratgeber bis zum Erbrechen, die sich dann auch noch meistens widersprechen (juhu, das reimt sich!). Im Grunde fehlt nur noch so was wie: Richtig sterben für Frauen". Aber das kommt bestimmt noch.

Mist - irgendwas wollte ich noch sagen, habs aber inzwischen wieder vergessen. Sollte mir ein Buch über Gedächtnistraining besorgen ...

Liebe Grüße,
Rala

Klara
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Beitragvon Klara » 11.09.2007, 21:12

Hallo Rala,
dank dir für deine Gedanken zum Text!

(Mir scheint, da wartet eine Rala-Kolumne über Ratgeber, dass sie in die Feder darf?? ,-))
die Art, wie dieses Thema in letzter Zeit öffentlich behandelt wird, finde ich inakzeptabel. Dadurch, dass jede Frau, die sich noch nicht entschieden hat, von allen Seiten mit derart aufgeladenen Argumenten bombardiert wird, entsteht ein so hoher Druck, dass ich denke, dass es für die meisten schwer bis unmöglich ist, sich davon so weit frei zumachen, die für sie, und nur für sie allein richtige Entscheidung zu treffen.

So hoch scheint der Druck glaub ich nur zu sei sein: Das ist der Eindruck, den die MEdien vermitteln. Die Tatsachen bzw das tatsächliche Verhalten zeigt etwas ganz Anderes: dass Kinder nicht mehr geboren werden, sondern geplant, projektiert, effektiviert, eingefügt, passende gemacht etc. werden - oder eben nicht.

Ein Kind aufziehen, das macht man nicht mal eben so,

In der Tat. Aber Karriere macht man auch nicht "mal eben so", lieben nicht, das meiste Wichtige macht man natürlich nicht "mal eben so", auch wenn es zurzeit "cool" sein mag, alles "mal eben so" zu machen (oder zumindest so zu wirken).
und ich halte es für fatal für eine Gesellschaft, wenn viele Frauen Kinder in die Welt setzen nur, weil sie das Gefühl haben, sie müssten, und die dann irgendwann vor ihrer Aufgabe als Mutter kapitulieren.

Diese Gefahr sehe ich nicht. Ich meine: dass viele Frauen aus Pflichtgefühl Kinder in die Welt setzen. Und deshalb gibt es natürlich auch die Gefahr nicht, dass diese pflichtschuldigen Mütter versagen. Deshalb ist da nichts Fatales in Sicht, vor dem man sich zurzeit schützen müsste. Nicht in Deutschland, nicht in der Schweiz, nicht in Frankreich etc. Zu spüren ist allerdings eine - durchaus verständliche - ungeheure Angst, als Mutter zu versagen, auch in deinem Text.
Wogegen man sich meines Erachtens bei dem Thema viel eher wehren sollte, sind zu hohe (weil unerfüllbare) Erwartungen an die Mutterschaft, an die Mutter (und an den Vater). Auch Eltern sind Menschen, und alle Eltern machen Fehler. Nur wer kein Kind hat, kann es sich leisten, keinen Fehler zu machen. Die Fehler gehören zum Elternsein dazu wie das Herzklopfen zum Leben.

Wenn also eine Frau eine Entscheidung treffen soll, deren Folgen sie vor der Gesellschaft verantworten kann, dann muss, finde ich, die Diskussion - zumindest in dieser aufgebauschten Form, wie sie jetzt stattfindet - aufhören, damit die Betreffenden ihren Kopf wieder so weit frei kriegen können, um rauszufinden, was sie selber wollen.

Daran glaube ich nicht. Ich meine: daran, dass der Kopf frei genug sein könnte, um zu wissen, was man will. Und auch nicht daran, dass die gesellschaftliche Debatte den Individuen den Kopf zumüllt. Und auch nicht daran, dass die Debatte gestoppt werden müsste oder auch nur könnte. Das ist eine unsinnige Forderung. Wen wolltest du dazu auffordern? Den Spiegel? Die Zeit? Die ARD? Stoiber? Frau vonderLeyen? Internetforen wie dieses? DeutschlandRadio?
Zudem finde ich das ganze Theater um das Thema auch kontraproduktiv, weil ich mir vorstellen kann, dass die Verunsicherung viele Frauen dazu bringt, erst einmal abzuwarten - bis es dann möglicherweise zu spät ist.

Das scheint mir umgekehrt zu sein: Die Frauen sind verunsichert - und dann kommt die Debatte, warum. Die Frauen sind nicht durch die Debatte verunsichert, sondern es findet eine Debatte über Gründe und Folgen dieser Verunsicherung statt.
Diese ganze Idiotie bezieht sich ja im Übrigen nicht nur auf die Frage "Mutter oder Nichtmutter", "berufstätige Mutter oder Nur-Hausfrau" u. Ä., sondern im Grunde auf das ganze Leben als Frau.

Das ganze Leben als Frau kann ja immer nur jedes einzelne verschiedene Leben sein, oder? Verstehe ich dich richtig? Deshalb sind Ratgeber wahrscheinlich nur n sehr eingeschränkter - selbstbestimmter! Weise sinnvoll. Das hängt natürlich auch von den jeweiligen Ratgebern ab... (Als ich die Zwillinge im Bauch hatte, kam mein Mann mit einem Ratgeber über Zwillinge an. Ich fing an zu lesen - klar - und ließ es lieber bald wieder, weil es mir gar zu furchtbar erschien, was da auf mich zukam ,-) Später, als die Jungs da waren, nahm ich das Buch ab und zu zurhand für diesen oder jenen praktischen Tipp. Und erfuhr am eigenen Leib und im eigenen Leben, wie es FÜR MICH ist, Zwillinge zu haben. Sicherlich furchtbar. Und ganz bestimmt ein Wunder. Es ist immer beides, und deshalb kann auch ein noch so klarer Kopf - und auch der allerbeste Ratgeber - das nicht "klarkriegen".)

Lieber Gruß
Klara


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