Walking downtown

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Gast

Beitragvon Gast » 04.09.2007, 17:27

Bei der Accountlöschung bat die Autorin darum, dass ihre Texte gelöscht werden. Dieser Bitte kommt die Administration nach.
Zuletzt geändert von Gast am 12.09.2007, 18:41, insgesamt 4-mal geändert.

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 06.09.2007, 22:04

Gerda, das ist zu sehen und zu spüren, daß Du dich sehr intensiv mit dem Text und den Anmerkungen beschäftigst hast. Deshalb habe ich auch gezögert, noch mal etwas zu dem Text zu schreiben.
Ich finde die 2. Fasung ja nicht schlecht oder so. Die 2. Fassung wirkt nur anders auf mich.

Ich denke, hier etwas passiert, wovon ich nicht weiß, ob das oft vorkommt.
Einer Leserin gefällt ein Text. Von der Intention her, von der Ausstrahlung her.
Im Gesamteindruck paßt alles für die Leserin - also für mich- zusammen.
Dann ändert die Autorin - also Du - den Text, weil Du es ändern möchtest, um dem Text die Intention und die Ausstrahlung zu geben, die Dir zusagt.
Dies wiederrum verwirrt jetzt mich als Leserin. Ich lese nun einen Text, der mich jetzt aufeinmal gefühlsmäßig anders anspricht. Und das durch Änderungen, die nur auf den ersten Blick "klein" aussehen.

Es fallen jetzt nach den Änderungen die Erwartungshaltungen von Autorin und einer (!) Leserin an einen Text und das was man sich von diesem Text wünscht, auseinander. So wie es scheint.

Das wollte ich noch schnell loswerden.

viele Grüße
Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 06.09.2007, 23:00

Ich bin auch sehr zwiegespalten gegenüber der neuen Fassung.

Das erzählende Ich erscheint jetzt wesentlich reflektierender - und deshalb zugleich "irgendwie" innerlich zerrissen. Zum Beispiel der Satz:
"Damit gehe zur Tagesordnung über, weiche den dunklen Gedanken aus."

Um es ganz bildhaft zu erklären: Angenommen, ich wäre dem Erzählerich nach Verlassen des Parks begegnet, und hätte es (sie? ihn? egal) gefragt: "Was nimmst du nun mit aus dem Park?" In der alten Fassung hätte es geantwortet: "Wieso mitnehmen? Ich hab jetzt Hunger, ich hab keine Zeit zum Reden, ich will frühstücken." In der neuen Fassung würde es antworten: "Ich will jetzt frühstücken und nicht mehr darüber nachdenken, weil es ein dunkles Thema ist."

Das ist ein großer Unterschied, für mich eine ganz andere Erzählabsicht. In der Neufassung ist sich das Erzählich darüber klar, dass es die Außenseiterposition der "Armseligen" bestätigt, indem es sich bewusst von ihnen abwendet. Immerhin ist es eine bewusste Handlung. In der ersten Fassung verhielt es sich mehr wie der Pharisäer in der Bibel, der Gott dankt, weil er nicht so ist wie die da.

Ich kann nicht sagen, welche der beiden Fassungen ich für die bessere halte - dem Gefühl nach die erste, aber je länger ich darüber nachdenke, um so mehr glaube ich, das liegt einfach an meiner eigenen Erzählgewohnheit, die mehr zu einem Erzähler tendiert, der selbst nicht weiß, was mit ihm los ist.

Lieben Gruß
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 06.09.2007, 23:01

Liebe Gerda,

Ich finde diese Fassung "genauer" und klarer. Für mich hat sie gewonnen.
Ich habe auch deine Antwort an mich gelesen und es ist mir klar, dass du auf den von mir angemerkte Randgruppenpassus nicht verzichten wolltest. In dieser Fassung mag ich auch nicht mehr darauf verzichten, ihn vielleicht noch ein wenig feilen.

Ob dauergewelltes Haar/Tinktur ist imho Geschmackssache, es war ein Versuch meinerseits, den Satz zu vereinfachen. Hier ist er gut formuliert.

Die Sonne scheint, und die Luft ist ganz ungewohnt in Düsseldorf noch seidig-leicht, wie sonst nur an einem jungen Sommermorgen auf dem Land.

Vielleicht:
Die Sonne scheint, und die Luft ist, ganz ungewohnt für in Düsseldorf, noch seidig-leicht, wie sonst nur an einem jungen Sommermorgen auf dem Land.

und alles um sie herum vergessen,
und alles um sich herum vergessen (ist wie ich glaube richtig)

Sind diese Armseligen am Rande unserer Gesellschaft dazu verdammt sich zu verstecken, dieses Nischendasein zu führen?
da ist es noch nicht stimmig. Am Rande der Gesellschaft/Nischendasein sagt das gleiche aus, oder? Und verstecken empfinde ich als nochmals ähnlich. Hm. Außerdem glaube ich nicht, dass sie sich verstecken, sie schlafen und sitzen ja auf den Bänken, sichtbar für jeden (außer der Junge mit dem Schuß hinterm Busch). Das ist wiklich ein schwieriges Thema, Gerda. Ich würde doch eher darauf aufbauen:

Ich schaue schnell weg. Diese armseligen Randfiguren unserer Gesellschaft erfüllen mich mit ..... ?

Es an der Stelle persönlich machen, wie es dem LI damit gehen und nicht als Feststellung oder Frage der Autorin (denn so wirkt es immer noch).

Denn danach kommt:
Damit gehe ich zur Tagesordnung über, weiche den dunklen Gedanken aus.
Was für diesen Vorschlag spräche.
Und:
Ein „friedlicher“ Morgen in der Großstadt.
Das ist nun sehr gut mit den Anführungszeichen: "friedlicher"!

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Klara
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Beitragvon Klara » 07.09.2007, 00:01

Hallo Gerda,

für mein Lesen ist der Text nach der Überarbeitung wesentlich lesbarer und klarer. Ich würde am Ende noch etwas kürzen und das Zynische ruhig drin lassen (durch die Kürzung).

HIer meine Vorschläge:

Eine junge Frau und einer junger Mann, beider Frisuren lassen ihr Handwerk erkennen, stehen rauchend vor dem Salon auf dem Trottoir.

Vorschlag: Ein junger Mann und eine Frau aus dem Salon stehen auf dem Trottoir und rauchen.

Die Enten und Wasserhühner, die die menschenleeren Wege bevölkern, schrecken zeternd hoch und flüchten vor mir. Ich ziehe meine Kreise, vorbei an ihnen um den kleinen Teich.

Das finde ich jetzt sehr schön!

Auf zwei Bänken zwischen ihren Piselotten sitzen Penner, die offensichtlich dort übernachtet haben. Einer rülpst.

"die offensichtlich dort übernachtet haben" würde ich streichen und anders ausdrücken: "sitzen Penner auf ihren ranzigen Schlafsäcken" oder sowas.

Bei der einer der nächsten Runden sehe ich, wie ein Mann den Inhalt aus einer Schnapsflasche in eine Colaflasche umfüllt. Bei der folgenden sehe ich dann halb verdeckt von Büschen einen jungen Mann mit heruntergelassenen Hosen, der versucht, sich einen Schuss zu setzen.

Ich würde den ersten "Mann" umwandeln in "einer", um die "Mann"-Wiederholung zu umgehen - und die Runde, auch wenn du daran hängst, streichen. Mich interessiert als Leser nicht, ob es eine der nächsten oder vorigen Runden oder überhaupt war. Ich weiß, dass da jemand walkt, und das reicht mir. Wenn der Park wie beschrieben klein ist, ist mir klar, dass es sich um Runden handelt, und ich würde die Runden erst am Ende erscheinen lassen, wenn Erzähler sich fragt, wie viele er gerannt ist.
statt "versucht" würde ich machen: der gerade dabei ist, sich einen Schuss zu setzen.

Meinen die denn, sie könnten sich der Realität entziehen? Sich wegbeamen und alles um sie herum vergessen, jene „Übriggebliebenen“ im Park? Sind diese Armseligen am Rande unserer Gesellschaft dazu verdammt sich zu verstecken, dieses Nischendasein zu führen?

Das würde ich erstatzlos streichen.

Mir reicht die Lauferei, ich habe genug gesehen. Wie viele Runden ich unterwegs war weiß ich nicht, aber ich mache mich auf den Rückweg kaufe beim Bäcker Brötchen.
Da fehlt ein "und" oder ein Kommer nach Rückweg.

Damit gehe zur Tagesordnung über, weiche den dunklen Gedanken aus.

Das würde ich streichen.
Ein „friedlicher“ Morgen in der Großstadt.

Das auch.

Jetzt freue ich mich auf mein Frühstück.

Das ist ein guter Schluss.

Der Titel ist auch gut.

Lieber Gruß
Klara

Gast

Beitragvon Gast » 07.09.2007, 21:56

Liebe Kommentatoren,

ich komme erst am Wochenende dazu euer Engangemt zu würdigen, für das ich aber herzlich danke.

Liebe Grüße
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 12.09.2007, 18:25

Liebe Sethe,

dir noch einmal ganz herzlichen Dank für dein mehrmaliges Befassen mit meinem Textstückchen.
Eigentlich möchte ich den Text offener halten, als er jetzt herüber kommt. Ich taste mich langsam heran, ich wollte kein Aussage treffen sondern höchstens Denkansätze liefern.
Du wirst lesen, dass ich darauf bei der Antwort an Zefira noch einmal zurückkomme.

Liebe Zefira,

das hast du mir ganz wunderbar erklärt. Danke, ja diesen Satz, den nicht du ausschließlich als überflüssig erachtest, habe ich ergänzt, nachdem ich glaubte, ich müsse mehr und besser „erklären“, (Dem Unverständnis der
Lieber Gruß
Klara[/quote]Leser Rechnung tragen) … was man nicht tun sollte … sehe ich ein. Aber ich bin lernfähig.
Ich möchte ja gerade, dass der Leser nicht gewiss sein kann, was das Erzählich wirklich denkt, weil es sich auch unsicher ist, in diesem alltäglichen „Wahnsinn“. Deine Art zu Lesen war für mich immens wichtig.
Der Satz fliegt wieder raus.

Liebe Elsa,
ich habe zwei Korrekturvorschläge übernommen, konnte sie gut gebrauchen, vielen Dank für das aufmerksame Hinschauen. (Der dritte war ebenfalls richtig, fiel aber meiner Streichwut zum Opfer)

Das mit der Dauerwelle ist einfach so mein Ding, Tinktur passt nicht aufs Trottoir und in die Gedanken des Erzählichs ;-)

Der Passus
Gerda hat geschrieben: Meinen die denn, sie könnten sich der Realität entziehen? Sich wegbeamen und alles um sie herum vergessen, jene „Übriggebliebenen“ im Park? Sind diese Armseligen am Rande unserer Gesellschaft dazu verdammt sich zu verstecken, dieses Nischendasein zu führen?

ist nicht gut formuliert, da gebe ich dir Recht, das sehe ich nun mit Abstand genauso. Im Hinblick, auf das was Klara dazu schreibt, bin ich noch einmal in mich gegangen und musste feststellen – obsolet – Das muss da, soll da gar nicht stehen. Es verhält sich ein wenig so, wie ich zu einer anderen Stelle an Zefi weiter oben bereits schrieb.
Ich möchte ja gerade, dass der Leser nicht gewiss sein kann, was das Erzählich wirklich denkt, weil es sich auch unsicher ist, in diesem alltäglichen „Wahnsinn“.
Also fällt auch das eher persönliche an dieser Stelle weg, was du vielleicht bevorzugen würdest weg.

Liebe Klara,

ich bin alles noch einmal durch – und in mich gegangen.
Vielen Dank für nochmalige kritische Sichtung und deine Vorschläge.
Klara hat geschrieben:für mein Lesen ist der Text nach der Überarbeitung wesentlich lesbarer und klarer. Ich würde am Ende noch etwas kürzen und das Zynische ruhig drin lassen (durch die Kürzung).

Genau, das wurde mir auch während der Überarbeitung zusehends klar“a“ ;-) … ob ich’s ohne eure „Lesehilfe“ bemerkt hätte … na ja immerhin. (Gut, das ich nach deinem ersten Statement nicht aufgeben habe)
Klara hat geschrieben:
Eine junge Frau und einer junger Mann, beider Frisuren lassen ihr Handwerk erkennen, stehen rauchend vor dem Salon auf dem Trottoir

Vorschlag: Ein junger Mann und eine Frau aus dem Salon stehen auf dem Trottoir und rauchen.

Fast so übernommmen.

Klara hat geschrieben:
Die Enten und Wasserhühner, die die menschenleeren Wege bevölkern, schrecken zeternd hoch und flüchten vor mir. Ich ziehe meine Kreise, vorbei an ihnen um den kleinen Teich.

Das finde ich jetzt sehr schön!


Danke, ja, das "still" stiftete Verwirrung.

Klara hat geschrieben:
Auf zwei Bänken zwischen ihren Piselotten sitzen Penner, die offensichtlich dort übernachtet haben. Einer rülpst.

"die offensichtlich dort übernachtet haben" würde ich streichen und anders ausdrücken: "sitzen Penner auf ihren ranzigen Schlafsäcken" oder sowas.


Ganz einfach: Auf Bänken zwischen ihren Piselotten sitzen zwei verschlafene Penner. Einer rülpst.


Klara hat geschrieben:
Bei der einer der nächsten Runden sehe ich, wie ein Mann den Inhalt aus einer Schnapsflasche in eine Colaflasche umfüllt. Bei der folgenden sehe ich dann halb verdeckt von Büschen einen jungen Mann mit heruntergelassenen Hosen, der versucht, sich einen Schuss zu setzen.

Ich würde den ersten "Mann" umwandeln in "einer", um die "Mann"-Wiederholung zu umgehen - und die Runde, auch wenn du daran hängst, streichen. Mich interessiert als Leser nicht, ob es eine der nächsten oder vorigen Runden oder überhaupt war. Ich weiß, dass da jemand walkt, und das reicht mir. Wenn der Park wie beschrieben klein ist, ist mir klar, dass es sich um Runden handelt, und ich würde die Runden erst am Ende erscheinen lassen, wenn Erzähler sich fragt, wie viele er gerannt ist.
statt "versucht" würde ich machen: der gerade dabei ist, sich einen Schuss zu setzen.

Habe mir das zu Herzen genommen, was Klara, bekennende Nichtwalkerin? Nichtjoggerin? über die "Runden" meint ;-)
umformuliert auch die "Schussstelle".


Klara hat geschrieben:
Meinen die denn, sie könnten sich der Realität entziehen? Sich wegbeamen und alles um sie herum vergessen, jene „Übriggebliebenen“ im Park? Sind diese Armseligen am Rande unserer Gesellschaft dazu verdammt sich zu verstecken, dieses Nischendasein zu führen?

Das würde ich erstatzlos streichen.

Ich habe es tatsächlich als überflüssig erkannt. Wahrscheinlich musste ich an dieser Stelle erst fabulierverliebt herumdoktern ... :pfeifen: Ohne diese Reflektion um "Längen" besser, weil kürzer.


Klara hat geschrieben:
Mir reicht die Lauferei, ich habe genug gesehen. Wie viele Runden ich unterwegs war weiß ich nicht, aber ich mache mich auf den Rückweg kaufe beim Bäcker Brötchen.
Da fehlt ein "und" oder ein Kommer nach Rückweg.

"und" ergänzt


Klara hat geschrieben:
Damit gehe zur Tagesordnung über, weiche den dunklen Gedanken aus.

Das würde ich streichen.


Ist gestrichen.

Klara hat geschrieben:
Ein „friedlicher“ Morgen in der Großstadt.

Das auch.

Ich habs umgestellt, das unterstreicht doch des Sarkasmus des Ganzen.
Erzählich ist froh wie friedlich alles ist, dabei ist das so trügerisch.


Klara hat geschrieben:
Jetzt freue ich mich auf mein Frühstück.

Das ist ein guter Schluss.

Ja, sehe ich, führt im Bogen zum Anfang zurück.
(Immer im Kreis, imer daselbe= Alltäglichkeiten)

Klara hat geschrieben:Der Titel ist auch gut.


Danke dir.

Euch allen Vielen Dank für eure Unterstützung.

Liebe Grüße
Gerda

... neue Version stelle ich gleich ein.

Klara
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Beitragvon Klara » 12.09.2007, 18:45

Freut mich sehr, Gerda .-)

Freut mich auch, dass du trotz der "Härte" meiner Kritik ebenso sachlich am Text geblieben bist wie ich es versucht habe.

Hauptsache, du nimmst von mir nur das, was für dich stimmt. (Andere Leser hatten ja andere Eindrücke, und ich bin ja nicht der Papst...)

Lieber Gruß
Klara

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 12.09.2007, 22:08

Hallo Gerda,

ich finde, es ist jetzt ein sehr schöner Text. Toll. Jawoll.

Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.

(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

Gast

Beitragvon Gast » 13.09.2007, 00:00

Hallo Klara, hallo Sethe,

das ist eine feine Freude hier - danke nochmal
:smile: :stern:

:a025:

Gerda


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