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Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 17.09.2007, 20:01

Ich besitze zwei Füße.

Kommt ein Hai vorbei.

Ich besitze nur noch einen Fuß.

...

Besitze kommen. Besitze gehen.



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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 18.09.2007, 22:05

Hallo Sethe,

wäre es verständlicher, wenn ich das "und" wegließe und es so ausdrücken würde: "Es ist (entweder) zu abstrakt oder zu relativ ..."

Wobei ich mir aber noch nicht so sicher bin, ob ich Dir darin zustimmen kann, dass Abstrahiertes keine Relativitäten erzeugen könne. Abstrahiertes ist ja nicht nichts. Oder?


Servus

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 18.09.2007, 22:38

Der Begriff Besitz kann für sich alleine nicht gedacht werden.
Wie eine Zahl z.B. 2. Solange ich diese nicht auf etwas beziehe, ist die Zahl abstrakt.
Solange ich den Besitz nicht auf etwas beziehe, ist es abstrakt.

In dem Text beziehst Du aber doch konkret "Besitz" auf einen Fuß. Also ist Besitz nicht mehr abstrakt, sondern konkret. So auch bei dem Beispiel mit dem Fahrrad. Zumal in dem Moment, wo ich auf dem Fahrrad sitze, ich tatsächlich ganz konkret Macht über das Rad habe.

Wenn Du also ausdrücken möchtest, daß Besitz nur etwas abstraktes ist, kann Du es meiner Meinung nach nicht auf etwas beziehen, wie auf den Fuß. Wobei ich mich ehrlich gesagt gerade frage, wie das sprachlich gehen kann.

Die Relativitätstheorie ist doch auch nichts abstraktes, sie bezieht sich doch etwas konkretes. Dieses verstehen zwar die wenigstens -so wie ich- , aber konkret ist es doch. Es bezieht sich doch auf etwas.

Etwas abstraktes hat noch keine Beziehungen zu irgendetwas. Es besteht nur aus auf dem kleinsten Nenner reduzierte allgemeine Aussagen.
Erst durch einen "Eingriff" von außerhalb des abstrakten liegenden, enstehen doch die Relationen.

Ich gebe zu, ich habe da bei dieser Thematik so meine Verständnisprobleme.

viele Grüße
Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

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Beitragvon Pjotr » 18.09.2007, 22:44

Ich glaube, mit "Besitz" meine ich hier nicht den besessenen Gegenstand ("Haus"), sondern das Besitzen an sich, den Akt des Besitzens ("Wohnen"; Eigenschaft: "wohnend").

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 19.09.2007, 22:29

Jetzt bin ich erst recht verwirrt.
Die Inbesitznahme von etwas ist abstrakt und/oder relativ, weil es wechselt und nicht ständig ist?
Diesen Akt des Besitzens macht doch andauernd. Bei jedem Glas, jedem Kleidungsstück, Geldschein etc. pp.

Ich verstehe den Text mit den Füßen dazu nicht. Ich muß aber auch nicht alles verstehen.

Sethe
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(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

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Beitragvon Pjotr » 19.09.2007, 23:07

Konsequenterweise muss ich sagen, ich halte alles für abstrakt. Alles. Und wenn ich sage "alles", lasse ich nichts aus. Erkläre mir, wodurch sich geträumte Materie von gewachter Materie unterscheidet. In der Ertastbarkeit? Sie sind beide fühlbar. In der Temperatur? Sie sind beide heiß oder kalt. In der Farbe? Ihre Farben sind gleich. Was also ist Materie? Woraus besteht ein Masseteilchen, also woraus besteht ein Quant? Nicht aus Masse! Wenn man ein Masseteilchen teilt, ist da nicht so etwas wie eine massive Schnittfläche wie bei einer zersägten Billiardkugel. Es hat nicht einmal einen eindeutigen Ort zu einer eindeutigen Zeit. Es ist lediglich ein Informationspaket. Woraus besteht Information? Hier endet die Zerlegung. Die kleinste Informationseinheit ist abstrakt. Sie hat keine Eigenschaft. Wenn man also etwas besitzt, dann besitzt man Information. Das Besitzen per se ist abermals Information. Man könnte auch sagen, die kleinste Informationseinheiten sind Empfindungen wie gelb, süß, laut etc. Aber die besitzt man nicht, behaupte ich, denn das Besitzen ist ja auch nur eine Empfindung, eine Machtempfindung, genauer gesagt. Das Fußbesitzen oder Kinderbesitzen sind Empfindungen. Neben der Empfindungswelt gibt es noch ein unglaubliche Welt namens Mathematik. Ihre Gesetze sind objektiv. Sie werden vom Menschen nicht erfunden, sondern von ihm entdeckt. Was ich sagen will: sogar die Mathematik ist letzendlich abstrakt und ungreifbar.

Aber nun zu meinem Text. Ich verstehe ihn ja selbst nicht mehr so ganz. Ich schrieb ihn vor einem halben Jahr. Sein Inhalt ist weniger interessant als seine Ursache. Ich verfolgte eine ätzend langweilige wirtschaftspolitische Diskussion über den marxistischen-oder-was-auch-immer Unterschied zwischen Besitz und Eigentum. Das einzige, was mir dazu nach einiger Zeit einfiel, war die obige lakonische Trivialität.

Verstehst Du das und kannst Du Dir die Situation vorstellen? Bild


Salute

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Beitragvon Ylvi » 20.09.2007, 15:58

Hallo Pjotr,

Erkläre mir, wodurch sich geträumte Materie von gewachter Materie unterscheidet.

Gute Frage. Für das Ich ist Traum oder Wachmaterie als "erlebbares" eventuell gleichwertig. (Wenn auch nicht in den Konsequenzen, den Auswirkungen.) In der Wahrnehmung einer zweiten Person jedoch nicht.
Die Traummaterie besitzt nur der Träumer. ;-)

liebe Grüße smile

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Beitragvon Pjotr » 20.09.2007, 16:11

Hallo Smile,

was jetzt von mir kommt, war Dir sicherlich klar:

Worin unterscheiden sich geträumte Auswirkungen von gewachten Auswirkungen?

Worin unterscheiden sich geträumte Personenwahrnehmungen von gewachten Personenwahrnehmungen?


Ahoi

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 20.09.2007, 21:24

Hallo Pjotr,

mein Verständnisproblem liegt scheinbar bei dem, was abstrakt und was konkret ist. Allgemein gesagt, was ist wann warum abstrakt, und was ist wann warum konkret.

Keine Probleme habe ich mit dem, was Du zu Informationen, Traum etc. geschrieben hast. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Die Empfindung (Zahn)Schmerz ist die Empfindung Schmerz, ob nun geträumt oder im wachen Zustand. Es tut weh.

Nur halt nicht diese Unterscheidung zwischen konkret und abstrakt ist mir nicht klar.


Pjotr
Die kleinste Informationseinheit ist abstrakt. Sie hat keine Eigenschaft. Wenn man also etwas besitzt, dann besitzt man Information. Das Besitzen per se ist abermals Information. Man könnte auch sagen, die kleinste Informationseinheiten sind Empfindungen wie gelb, süß, laut etc. Aber die besitzt man nicht, behaupte ich, denn das Besitzen ist ja auch nur eine Empfindung, eine Machtempfindung, genauer gesagt


Die Besitzempfindung ist für mich konkret. Ich spüre doch diese Besitzempfindung. Sie ist für mich ganz konkret, auch wenn die Sprache oftmals versagt, Empfindungen zu beschreiben. Wieso sind meine eigenen Empfindungen abstrakt?
Da liegt mein Verständnisproblem.


Verstehst Du das und kannst Du Dir die Situation vorstellen?


Ooch ja, doch kann ich. ;- )

Hmm, wieso läßt sich Dein Smilie nicht mitzitieren? Kopieren und wieder hier einfügen geht auch nicht, da erscheint nur der Link. Ist der gesperrt oder sowas?

viele Grüße
Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.

(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

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Beitragvon Pjotr » 20.09.2007, 22:05

Hallo Sethe.
Sethe hat geschrieben:Die Besitzempfindung ist für mich konkret. Ich spüre doch diese Besitzempfindung. Sie ist für mich ganz konkret, auch wenn die Sprache oftmals versagt, Empfindungen zu beschreiben. Wieso sind meine eigenen Empfindungen abstrakt?
Da liegt mein Verständnisproblem.

Ich gebe Dir Recht. Du hast hier einen Fehler entdeckt. Der Begriff "abstrakt" wurde hier von mir falsch eingemischt. Er führt nur zu noch mehr Verwirrung.

(Was ich mit "Abstraktheit" versuchte auszudrücken, war eben diese Unbeschreiblichkeit von Empfindungen; "gelb" kann man nicht beschreiben. Beschreibe die Farbe gelb, es geht nicht: Gelb ist halt gelb. An dieser letzten Stelle referiert die Sache nur noch wortlos auf sich selbst, sie benötigt dazu nicht einmal ein Selbstbewusstsein (Ich-Empfindung), denn auch bei Ichlosigkeit kann es ein Gelb geben, außerdem ist "Ich" ebenfalls eine Empfindung; beschreibe die Ich-Empfindung: es geht nicht: Ich ist halt ich.)

Sethe hat geschrieben:Hmm, wieso läßt sich Dein Smilie nicht mitzitieren? Kopieren und wieder hier einfügen geht auch nicht, da erscheint nur der Link. Ist der gesperrt oder sowas?

Die Forensoftware zitiert offenbar keine Bilder. Gesperrt habe ich meine Bilder nicht.


Danke für Deine Aufmerksamkeit.

Cheers

Pjotr

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 22.09.2007, 16:14

pjotr,
dein text vermag auch jenseits des landläufigen bewusstseins zu sprechen,
hierzu denke ich ist eine "denkweise" jenseits davon hilfreich.

insbesondere der dialog mit smile zeigt darauf hin.

wohlmöglich nur mit nicht-worten zu erklären.

mu!

hakuin

Klara
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Beitragvon Klara » 13.10.2007, 14:47

Hallo Pjotr,
(kaum Kommentare gelesen),

mir scheint, da sind mindestens zwei Denkfehler drin.

Der Grundgedanke ist offenbar der Hinweis auf die Vergänglichkeit von Besitz, die Nicht-Dauerhaftigkeit des Besitzens, in letzter Konsequenz auf das Schicksal (der Hai), das gibt und nimmt. Letztlich eine Kritik am auf Eigentum basierenden Selbst-Verständnis des "Ich".

Für mein Lesen befindet sich der erste Fehler in der ersten Zeile:
Ich besitze zwei Füße.

Man würde glaub ich eher sagen (und denken!): Ich HABE zwei Füße. Die gehören ja zum Körper, während Eigentum bzw. Besitz häufig erst mühsam erworben/gestohlen/angeeignet werden muss. Und das führt mich schon zum zweiten Denkfehler:
Besitze kommen. Besitze gehen.

So ist das nämlich nicht. Besitz ist nicht wie ein Hai, der wie das Schicksal kommt oder geht. Besitz ist etwas Erworbenes oder Ererbtes, um dessen Erhalt man sich meistens bemühen muss: Verteidigen vor Diebstahl, Schutz vor Verlust, Abgrenzung gegen andere Besitzer, Werterhalt blablabla.

Dass der Hai "vorbeikommt", wirkt ebenfals unsauber, aber das mag man in einer naiv angelegten Ultrakurzgeschichte noch durchgehen lassen.
So, wie der Text da steht, betreibt er jedoch in meinen Augen Augenwischerei, soll heißen: Er behauptet, mehr zu sein als er ist.
Ich finde, wenn man auf naive Weise - in Anlehnung vielleicht an Brechts Lehr- und Vorführtexte - die Grundlagen des Kapitalimus kritisieren will, sollte man sauberer nachdenken. Füße haben die Menschen nämlich auch, wenn sie nichts anderes "besitzen". Aber eigentlich gefällt mir auch der vorschreibende Gestus nicht, wie eine Wegbeschreibung à la: "Ich sag euch jetzt mal, wie ihr denken müsst, erst hier lang, dann da um die Ecke, und dann seid ihr da." Das jedoch wäre wohl - anders als die Denkfehler - Geschmackssache.

Lieber Gruß
Klara

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Beitragvon Pjotr » 13.10.2007, 16:26

Wieder was gelernt.

Danke, Klara.

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Klara
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Beitragvon Klara » 13.10.2007, 19:15

Wieder was gelernt.

Was denn?? [falls das nicht ironisch gemeint war]

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Beitragvon Pjotr » 13.10.2007, 20:11

Nicht ironisch.

Gelernt habe ich mehrere Sachen, angefangen bei dem Unterschied zwischen Haben und Besitzen, also zwischen Biologie und Eroberung. Das habe ich bisher nicht so betrachtet. Ich kann dem zustimmen. Wieder was gelernt.

Dann habe ich etwas gelernt über die psychologischen Hypothesen, die Du über meine Psyche erstellt hast. (Als Textkritik verpackt.)

Und gelernt habe ich, dass Du heute Lust verspürtest, diesen alten*, nicht ganz ernst gemeinten Text, wieder auszugraben, um ihn in vollem Ernst zu analysieren. Du wolltest wahrscheinlich etwas loswerden, das schon seit einiger Zeit im Ofen liegt.

Ist alles OK. Lass es raus ... Ich sage Dir dann, worin ich zustimme und worin nicht.



* Dieser Faden ist sogar so alt, damals wusste ich noch nicht einmal, wer hinter Sethe steckt. -- Diese Fußnote war ein Selbstgespräch und hat nichts mit Deinem Kommentar zu tun, Klara.


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